Multisourcing will gelernt sein

Das Definieren und Überwachen der Schnittstellen zwischen Sourcing-Dienstleistern und Kunde ist ein bestimmender Erfolgsfaktor für ein effektives und effizientes Sourcing.
21. April 2009

     

Multisourcing setzt sich zum Ziel, verschiedene Bereiche der IT oder Service-Einheiten durch unterschiedliche externe oder interne Partner, welche sich auf einen Service spezialisiert haben, zu erbringen. In der Theorie verbessert ein dementsprechend aufgestelltes Service-Portfolio die Servicequalität, die Flexibilität und/oder senkt die Kosten der Dienstleistungen. Die Komplexität einer Dienstleis-tungserbringung mit verschiedenen Partnern und der damit verbundene Aufwand werden in der Praxis jedoch häufig unterschätzt. Des Weiteren geht in den meisten Fällen eine End-to-End-Dienstleistungserbringung verloren, da sich jeder Partner nur auf seinen Teilbereich fokussiert. Multisourcing erhöht den Bedarf an ein ganzheitliches IT-Service-Management.


Wie die Grafik «Dienstleistungserbringer vs. Multisourcing» illustriert, ist ein Multisourcing-Setup mit mehreren Partnern wesentlich komplexer als eine Aufstellung mit nur einem Dienstleistungserbringer. Für eine IT-Störung, welche mehrere Partner involviert, resultieren zahlreiche zusätzliche Schnittstellen in den Bereichen Organisation/Unternehmen, Prozesse und Tools. Wer nicht beginnt, ein komplexes Multisourcing-Konstrukt aktiv zu überwachen und zu steuern, verliert früher oder später die Kontrolle: So stellen die Gartner-Analysten Linda R. Cohen und Allie Young in Ihrem Bericht «Adopt Disciplined Multisourcing in Your Organization» fest, dass es notwendig ist, Multisourcing als Management-Disziplin zu etablieren. Sie schreiben, dass «bis 2010 diszipliniertes Multisourcing eine Kernkompetenz erfolgreicher Unternehmen sein wird» und sind der Meinung, dass nachlässiges Multisourcing-Management zu schweren Störungen im Betrieb von Abnehmern, Lieferanten und deren Wertschöpfungskette führe.



Basis für Multisourcing schaffen

Die Sourcing-Strategie bildet eine wichtige Grundlage, wobei folgende Bereiche festgelegt werden:


- Definieren der Prinzipien/Grundsätze für das jeweilige Sourcing


- Ermitteln der möglichen Sourcing-Pakete und der gewünschten Fertigungstiefe (Eigenfertigungs-/Betriebsgrad des Sourcings)


- Bewerten der Risikofaktoren je Paket


- Bewerten der Sourcing-Fähigkeit des Unternehmens


Für die Verhandlung, eine vereinfachte Überwachung und Steuerung der Dienstleistungserbringer sind standardisierte Dienstleistungsvertragsbestandteile, welche für alle Partner gelten, von grosser Wichtigkeit. Es empfiehlt sich, verschiedene Elemente für alle Partner gleich zu regeln, z.B:


- Zu verwendendes Prozess-Modell, z.B. ITIL (IT Infrastructure Library)


- Reporting: Je Prozess werden Key Performance Indicators (KPIs) definiert, die vom Dienstleistungserbringer mittels einer elektronischen Schnittstelle geliefert werden


- Prozessrelevante Elemente z.B. IncidentMgt. (Severity Codes, Reaktionszeiten etc.)


Ein weiteres wichtiges Grundlagenelement bilden die intern etablierten IT-Prozesse mit klar definierten Schnittstellen zu den Partnern. In Unternehmen, welche kein durchgängiges Prozess-Framework etabliert haben, entsteht durch unterschiedliche Partner eine komplexe Patch-Work-Prozesslandschaft. Diese ist in den meisten Fällen nicht auf die Multisourcing- Umgebung abgestimmt. Werden die Prozesse und Schnittstellen nicht vollständig und gesamtheitlich definiert, so gehen Aspekte wie z.B. Störungsweitergabe von Partner zu Partner, ein konsistenter Backup-und-Recovery -Punkt oder die Abwicklung von komplexen Changes etc. meist verloren.



Governance für Multisourcing

Als Bindeglied für Service-Management-Fragen zwischen Leistungsbezieher und Leistungserbringer wird die zentrale Funktion des sogenannten Service-Integrators etabliert. Dieser überwacht und steuert die verschiedenen Partner, basierend auf den vereinbarten KPIs. Aus verschiedenen Mandaten zeigt sich, dass es von grossem Vorteil ist, diese Funktion durch die interne Informatik wahrzunehmen. Somit werden Interessenskonflikte oder Kompetenzprobleme vermieden. Aufgaben des Service-Integrators sind:


- Überwachen der Dienstleistungserbringer gemäss definierten Prozess-KPIs


- Definieren von Korrektur-Massnahmen zusammen mit den Dienstleistungserbringern für den Fall, dass der erbrachte Service nicht den Vereinbarungen entspricht


- Koordinieren von komplexen Störungen, Changes oder Erweiterungen


- Ausweisen der Service-Verfügbarkeit gegenüber dem Dienstleistungserbringer


Homöostase fördern

Unter Homöostase versteht man die Fähigkeit eines Systems, sich selbst zu regulieren und sich so in einem stabilen Zustand zu halten. Ein Zitat von E. Risler von Futureways: «Wären wir fähig, selbstregulierende Systeme im betrieblichen Umfeld zu schaffen, so könnten wir den heute teilweisen hohen Kontrollaufwand auf ein Minimum reduzieren.»


Es klingt sehr einfach – doch wie kann man im Bereich der IT-Dienstleistungserbringung selbstregulierende Systeme etablieren? Ein Outsourcing-Partner, welcher den Helpdesk und das Software-Staging für Arbeitsstationen betreibt, hat kein grosses Interesse, die Anzahl Störungen der PC-Arbeitsstationen zu minimieren, wenn sich die Bezahlung der Dienstleistung an der Anzahl der eingehenden Störungsmeldungen orientiert. Dieses Beispiel zeigt, dass wir mit dem richtigen Setzen von Zielen oder der Schaffung von Anreizen das Interesse des Dienstleistungserbringers so steuern könnten, die erbrachte Dienstleistung stetig zu optimieren.


Mit folgenden Punkten kann z.B. die Selbstregulierung der Leistungserbringern gefördert werden:


- Selbstoptimierendes Verrechnungssystem zur Förderung der Eigenoptimierung des Dienstleistungserbringers


- Bonus-/Malus-System



Mindset «Wir sind Partner»

Aus verschiedenen Mandaten zeigt sich, dass diejenigen Unternehmen am erfolgreichsten sind, welche die Leistungserbringer als Partner betrachten und dementsprechend mit ihnen umgehen. Dies zeigt sich bereits bei der Aushandlung des Vertrages. Nicht nur die Kosten der Dienstleistung sollten dabei im Vordergrund stehen, sondern auch die Bereitschaft, eine hohe Service-Qualität zu liefern. Hat das Unternehmen den Hauptfokus auf den Kosten, wird es möglicherweise den Outsourcing-Partner dazu bewegen, sein Angebot so tief wie möglich anzusetzen. Dies kann zur Folge haben, dass das Unternehmen auch eine entsprechend minimierte Dienstleistung zum vereinbarten Preis erhält. Auch sollte bei Problemen nicht die Schuldfrage im Vordergrund stehen, sondern die gemeinsame Lösungsfindung.


Um einen Mindset «Wir sind Partner» zu etablieren, empfiehlt es sich, gemeinsam mit allen Beteiligten Zusammenarbeit-Prinzipien zu definieren und diese während der Vertragslaufzeit einzu-halten.


Mögliche Leitsätze sind:


- Lösungen stehen im Vordergrund – nicht die Probleme und der Verursacher


- In die Position des Anderen treten. «Wäre ich als Lieferant zufrieden, wenn…»


- Wir behandeln uns gegenseitig als Partner und streben partnerschaftliche Lösungen an.


Schaffen es alle involvierten Parteien, das partnerschaftliche Denken zu etablieren und zu leben, so kann dieser Faktor zum entscheidenden Erfolgskriterium der ganzen Dienstleistungserbringung avancieren.



Fazit

Das Abschliessen von Outsourcing-Dienstleis-tungsverträgen mit den besten etablierten Leistungserbringern für verschiedene Leis-tungspakte reicht nicht, um die beste Dienstleistung zu einem optimalen Preis zu erhalten. Damit die theoretischen Vorteile des Multisourcing genutzt werden können, ist es von grosser Bedeutung, dass vor der Offertenanfrage die Sourcing-Strategie und die elementaren Bausteine wie z.B. etablierte IT-Prozesse und standardisierte Vertragsbestandteile als Basis geschaffen werden. Ein Service-Integrator übernimmt die zentrale Rolle der Governance. Durch die Etablierung von selbstregulierenden Systemen kann der Steuerungsaufwand einer internen Service-Integrator-Funktion auf ein Minimum reduziert werden. Dies umso mehr, wenn diese Funktion die aktive Steuerung der unterschiedlichen Dienstleistungserbringer durch einen partnerschaftlichen Mindset vornehmen kann.


All diese Elemente tragen dazu bei, dass das Multisourcing zu einem erfolgreichen IT-Outsourcing wird.



In Kürze

· Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass mehrere Partner IT-Dienstleistungen erbringen.


· Die Überwachung und Steuerung des Multisourcing-Konstrukts ist tragender Bestandteil beim Multisourcing.


· Selbstregulierende Systeme können den Steuerungsaufwand reduzieren.




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