Worldsoft: Hoffnungschimmer für Hoffnungslose
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/08
Werden Sie jetzt Web@Master bei Worldsoft und verdienen Sie gutes Geld in einem gewaltigen Markt!» Dieser Slogan ist auf der Site der Neuenburger Worldsoft nachzulesen, und eben dieses Unternehmen hat jüngst als einzige ausländische Firma beim deutschen eco-Award ASP & Online Services (ehemals ASP Award) der deutschen Internetwirtschaft (eco Forum e.V.) einen Preis erhalten. Worldsoft ergatterte den dritten Rang in der Kategorie Geschäftsmodell, die Jury wurde von der «Einfachheit des vertrieblichen Ansatzes und der Multiplikation der Online Service Lösung in den mittelständischen Markt hinein» überzeugt. Ein Slogan wie der eingangs zitierte dürfte jedoch manch einen, der das Internet- und vor allem das Webagenturen-Business in den letzten Jahren verfolgt hat, kritisch aufhorchen lassen. Ein Blick auf die Site, wo unter anderem die Ausbildung zum Worldsoft Consultant als Spezialist des Online-Verwaltungssystems Oasis in vier Tagen angepriesen wird (und dem so geschulten Consultant empfohlen wird, einen Tagessatz von 490 Euro plus Mehrwertsteuer zu verlangen), steigert die Skepsis. Endgültig am Worldsoft-Prinzip zweifeln lässt einen aber der Blick in diverse User-groups, wo die Firma, die Philosophie, die Preisstruktur und die Produkte vollends durch den Kakao gezogen werden.
InfoWeek wollte es genauer wissen und hat mit Fachleuten aus dem Web-Business gesprochen. Die Meinung, die die Profis über Worldsoft haben, ist wenig schmeichelhaft. Am härtesten ins Gericht mit dem frischgebackenen Award-Gewinner geht Raphael Seiler von der Screenlight-Interactive-Geschäftsleitung. Auf das Zitat mit dem "guten Geld in einem gewaltigen Markt" angesprochen, meint er: "Mit den referenzierten Projekten - inklusive den Verdienst-Angaben - hat jedenfalls niemand etwas verdient. Aber das kommt wahrscheinlich darauf an, mit wie wenig man leben kann. Ein Hoffnungsschimmer für Hoffnungslose." Er ist auch der Überzeugung, dass die Worldsoft-Webmaster über kein Know-how verfügen. Dies sage ihm die Durchsicht der Referenzen. Zudem sei es auch nicht möglich, einen ernstzunehmenden Webauftritt für 990 Franken - für dieses Geld bieten die Worldsoft-Webmaster eine "Profi-Homepage" an - zu erstellen. "Die Projektreferenzen beweisen dies eindrücklich", so Seiler.
Andreas Widmer, CEO von Futurecom Interactive in Zürich, ist der Auffassung, dass es gut möglich sei, dass das Unternehmen in diesem standardisierten Hosting- und Homepage-Bausatz-Massenmarkt recht seriös arbeitet. "Bei der Schnellbleiche zum Consultant kommen da schon eher Zweifel auf." Obwohl seiner Meinung nach die Preisgestaltung passt und schliesslich noch lange nicht alle KMU im Netz sind, vermutet er aber, dass das "gute Geld" eher Worldsoft selber als die Web@Master verdienen. Und er fügt noch folgendes an: "Sites respektive Homepages auf diesem Niveau gibt es noch günstiger, und zwar in Form des Web Site Creators von Sunrise respektive dem entsprechenden Angebot von Bluewin." Das Webpage-Bastel-Tool von Bluewin wird in diesem Zusammenhang auch von Hans Ott, Geschäftsführer der Firma Update genannt. Seiner Meinung nach haben solche Angebote durchaus eine Berechtigung im Bereich der persönlichen Homepages oder bei Erstauftritten von Mini-KMU. Aber: "Ein Webauftritt, der diesen Namen verdient, kann damit nicht erstellt werden." Der Titel Worldsoft-Webmaster stösst auch ihm sauer auf, denn seiner Meinung nach würden diese Leute nicht über genügend Know-how verfügen. "Ein Webmaster ist ein Mensch, der über mehrjährige Erfahrung verfügt und ein ausserordentliches technisches Know-how gepaart mit grossem inhaltlichem Verständnis haben muss", so Ott.
Worldsoft selber war leider bis Redaktionsschluss nicht in der Lage, zur Kritik Stellung nehmen. Dafür wollten wir vom eco Forum - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. wissen, aufgrund welcher Kriterien Worldsoft zu Award-Ehren gekommen ist. Geschäftsführer Harald Summa: "Wir fanden die Geschäftsidee, etwa die Arbeit mit freien Consultants, von Worldsoft gut - allein schon deshalb, weil sie den Arbeitsmarkt belebt. Auch den Ansatz, Internet-Dienstleistung in einem ganz anderen Preissegment anzubieten, fand Zuspruch bei der Jury." Die Jury war übrigens ziemlich hochkarätig besetzt - mit Vertretern beispielsweise von Microsoft, SAP oder Siemens. Summa muss jedoch eingestehen, dass man sich bei der Preisverleihung weitgehend auf die Unterlagen verlassen musste, die ein Unternehmen eingereicht hat. "Bei rund 100 eingereichten Projekten konnten wir nicht bei jeder Firma verifizieren, was genau dahintersteckt." Jedoch sollte man meinen, dass das eco Forum die Firma Worldsoft kennt, schliesslich ist sie Mitglied beim Verband. Laut Summa ist diese Mitgliedschaft jedoch relativ neu, ausserdem könne jeder Mitglied werden.
(mw)