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Offshoring-Impulse für Schweizer Informatiker

Die Begriffe Outsourcing und Offshoring werden oft verwechselt oder synonym benutzt. Aus Sicht einer Volkswirtschaft ist der Unterschied zwischen Outsourcing und Offshoring bedeutend, hat er doch grossen Einfluss auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Dieser Artikel befasst sich mit den durch das Offshoring hervorgerufenen Veränderungen, speziell für Informatiker.
16. April 2009

     

Der Begriff Outsourcing bedeutet, dass ein Unternehmen Teile seines bisher internen Produktionsprozesses zu anderen Firmen auslagert. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Auslagerung national an einen inländischen Partner oder international an einen Partner im Ausland erfolgt. Der Begriff Offshoring ist hingegen gerade dadurch definiert, dass eine Verlegung der Produktionsprozesse ins Ausland stattfindet, wobei nicht zwischen der Produktion innerhalb der eigenen Firma, zum Beispiel in Form einer ausländischen Filiale, oder in einem fremden Unternehmen differenziert wird. Ob Outsourcing oder Offshoring macht für die agierenden Manager allerdings eher wenig Unterschied. In beiden Fällen müssen Arbeitsprozesse analysiert und für die Zusammenarbeit optimiert werden, heissen die Ziele Produktivitätssteigerung und Gewinnmaximierung durch Arbeitsteilung und Spezialisierung.

Impulse Dienstleistungsgesellschaft

In der Schweiz erwirtschaftet der Dienstleistungssektor 73 Prozent des Bruttosozialprodukts. Er ist aber nicht nur der grösste, sondern mit 80 Prozent der neuen Arbeitsstellen auch der dynamischste Wirtschaftssektor. Veränderungen in diesem Sektor treffen die Schweiz deshalb in ihrem Lebensnerv. Und die Veränderungen sind da! Durch die weltweite Verbreitung des Internets sowie leistungsfähiger Computer lassen sich nämlich auch Dienstleistungen zunehmend effizienter auslagern. Dienstleistungen werden heute oft vollständig oder teilweise digitalisiert und können so räumlich und zeitlich getrennt von ihrem Konsum produziert werden. Dadurch entstehen innovative Möglichkeiten der Arbeitsteilung und Spezialisierung, wodurch die Produktivität gesteigert werden kann. Dienstleistungsgesellschaften wie die Schweiz, in denen Information und Kommunikation zu wesentlichen Produktionsfaktoren geworden sind, stehen damit vor nachhaltig veränderten Rahmenbedingungen für ihre Wertschöpfungsprozesse.Die neue Arbeitsteilung betreiben wir gerne an Standorten, die besonders vorteilhaft erscheinen. Diese Standorte liegen aufgrund des eklatanten Lohngefälles heute meist im Ausland. Ein weiterer Grund für Offshoring besteht in der Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, welches auf dem Heimatmarkt nicht oder nur teuer zu bekommen ist. Und nicht zuletzt geht es dabei indirekt auch um die Erschliessung neuer Märkte wie China oder Indien, die lokale Präsenzen einher bringen. Nur zu natürlich, dass dann auch die Wertschöpfung an diesen Orten geleistet wird.


Impulse Arbeitsmarkt

Offshoring lässt sich kaum aufhalten und besser adressiert man die dadurch möglich werdenden Prozessinnovationen proaktiv. In der digitalisierten Bearbeitungsform liegt grosses Potenzial für die Wertschöpfungskette. Die aktuell dominierende Motivation liegt dabei in der Einsparung von Prozesskosten, aber auch in der Komposition geeigneter Ressourcen. Im Resultat steigt die Produktivität der Unternehmen, wodurch Gewinn und Wachstum für die eigene Wirtschaft generiert werden. Naturgemäss zieht dies Wettbewerb an, welcher zu sinkenden Preisen für die Abnehmer sowie schlussendlich mehr Kaufkraft für die Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen führt. Soweit sind positive Effekte nicht nur für Unternehmer, sondern auch für die Schweizer Volkswirtschaft zu erwarten und Offshoring mutiert zum wichtigen Wettbewerbsfaktor.Wie bei allen technologisch bedingten Veränderungen werden aber auch traditionelle Arbeitsformen durch effizientere ersetzt. Im Falle von Offshoring werden zu Anfang vor allem solche Prozesse betroffen sein, die einfach standardisiert und damit fremd vergeben werden können. Das sind repetitive, sich wenig verändernde quantitativ umfangreiche Tätigkeiten. Umgekehrt werden anspruchsvolle und flexible Tätigkeiten, die spezieller Kenntnisse bedürfen und die zudem lokal stark verankert sind, kaum von der Auslagerung erfasst werden. Diese implizite Aufwertung heimischer Arbeitsplätze wird sich langfristig positiv auf dem Arbeitsmarkt auswirken. Die Anpassung dürfte jedoch träge verlaufen. Anfangs profitieren eher wenige Arbeitnehmer von den Veränderungen, während sich die Mehrheit durch erhöhte Arbeitslosigkeit schlechter gestellt sieht.

Impulse Informatiker

Eine besondere Bedeutung kommt hier den Informatikern zu. Mit ihren neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind Informatiker die Initiatoren und Architekten innovativer Arbeitformen über Kontinente hinweg. Sie erst analysieren und unterstützen Prozesse derart, dass sie für die Arbeitsteilung und Auslagerung optimiert werden können. Offshoring ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft unabdingbar und Informatiker erst ermöglichen diesen Schub für die wichtige Dienstleistungsbranche. Auch intelligente Produkte und Prozessinnovationen, Triebfeder für kommende Erfolge unserer Wirtschaft, werden heute fast ausschliesslich mittels Informations- und Kommunikationstechnologien und damit von Informatikern realisiert. So finden sich auf den Online-Stellenmärkten dann auch immer noch hunderte von offenen Stellen für Informatiker in der Schweiz; trotz Finanzkrise und zurückbuchstabierter Auftragsbücher. Das ist eigentlich sehr erfreulich für Schweizer Informatiker, nur leider strömen nicht genug Junge in dieses interessante Berufsbild nach. Und trotz massiver Anstrengungen der hiesigen Hochschulen kann der Bedarf an Informatikern bei weitem nicht gedeckt werden. Momentan zählt die Schweiz jährlich 2‘000 Nachwuchsinformatiker (rund 300 Studierende und 1‘700 Lehrlinge), während jährlich 6‘000 ausgebildete Fachkräfte in den Ruhestand treten. Das Rekrutieren von ausländischen Spezialisten, insbesondere Informatikern, hat deshalb in der Schweiz geradezu Tradition. Während man diese Informatiker früher in die Schweiz holte, findet und belässt man diese nun aber zunehmend in Niedriglohnländern, allen voran Indien. Da Informatiker in der Schweiz so rar sind, wird die Wirtschaft geradezu gezwungen, diese knappe Ressource im Ausland zu rekrutieren. Grundlegendes Know-how in den neuen Technologien droht damit von der Schweiz in andere Länder abzuwandern und dort ausgebaut zu werden. Und da Informatiker schlussendlich auch Dienstleister sind, wird auch ihre Arbeitskraft von dem Auslagerungssog erfasst. Eine gefährliche Entwicklung, denn so wie innovative Autos ohne Elektronik undenkbar geworden sind, sind heute auch innovative Dienstleistungen ohne Informations- und Kommunikationstechnologien kaum mehr möglich. Und so wie die deutsche Automobilindustrie deshalb von ihrer Elektronikindustrie abhängig ist, benötigt auch die Schweizer Dienstleistungsgesellschaft den Berufsstand der Informatiker. Es ist deshalb dringend notwendig, dass der Informatikernotstand adressiert und die vielen offenen Informatikstellen in der Schweiz besetzt werden. Informations- und Kommunikationstechnologien, unsere aktuell wichtigsten Innovationskräfte, gehören zur Kernkompetenz einer jeden Dienstleistungsgesellschaft. Ein Export dieser wesentlichen Kompetenz wäre ein volkswirtschaftlich schwerer Verlust.

Prof. Frank Koch, Studienleiter MAS Wirtschaftsinformatik, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthurkoch@zhaw.ch, www.zwi.ch





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