Kann man aufgrund von Tweets herausfinden, in welchen Regionen das Herzinfarkt-Risiko grösser ist als in anderen? Ja, das geht, sagt das Start-up
Spinningbytes, und stellt anhand von Twitter-Daten entsprechende Prognosen auf. Möglich macht dies die Verknüpfung der emotionalen Polarität von Tweets mit weiteren statistischen Daten, woraus ein System dann Aussagen zum Herzinfarktrisiko in bestimmten Gegenden treffen kann. Was für einige nach Zukunftsmusik klingen mag, ist für die Entwickler von Spinningbytes greifbare Realität, denn genau an solchen Anwendungen wird dort gearbeitet.
Spinningbytes hat heute mehrere festangestellte Mitarbeiter, bei Bedarf werden aber zusätzliche Leute für spezifische Projekte engagiert. (Quelle: Spinningbytes)
Ein frühes Highlight der Firmengeschichte war die Teilnahme an der Cebit 2016. Dafür bauten die Köpfe hinter Spinningbytes extra verschiedene Live-Demos, die nun auch Online ausprobiert werden können. (Quelle: Spinningbytes)
Von der Forschung zum Produkt
Gegründet wurde das Spin-off der ZHAW und ETH 2015 von Martin Jaggi, Fatih Uzdilli und Mark Cieliebak, die zu dieser Zeit alle im Bereich Computer Science in der Forschung tätig waren. Das Ziel lautete dabei von Anfang an, die Ergebnisse aus der Forschungsarbeit in die Wirtschaft zu übertragen: "Wir machten Forschung im Bereich Textanalyse und Machine Learning, wo wir auch ziemlich gute Resultate erzielten", erzählt Mark Cieliebak, Dozent für Datenanalyse und Software Engineering an der ZHAW und CEO von
Spinningbytes. "Als wir die Firma gründeten, verfolgten wir vor allem eine Idee: Wie kann man aus Texten automatisch spannende Informationen herausziehen, die dann in einem Produkt verwendet werden können."
Eine solche Anwendung ist zum Beispiel Sentiment-Analyse. Dabei geht es darum zu erkennen, ob Texte, aber auch kürzere Äusserungen, inhaltlich als eher positiv, negativ oder neutral eingestuft werden können. Solche Anwendungen kann man dann zum Beispiel im Social Media Monitoring einsetzen, um herauszufinden, wie eine Firma oder ein Produkt wahrgenommen wird, wie sich das mit der Zeit verändert oder wie ein Unternehmen im Bezug zur Konkurrenz dasteht.
Um dies zu ermöglichen, müssen die verwendeten Algorithmen die Daten nicht nur analysieren, sondern zu einem gewissen Grad auch verstehen können. Möglich macht dies vor allem eine Technologie: Machine Learning. "Am Anfang benutzten wir für unsere Lösungen klassisches Maschinelles Lernen", erklärt Cieliebak. "Das hat einigermassen gut funktioniert, doch stösst man mit klassischen Ansätzen schnell an Grenzen." Seit einiger Zeit kommen bei
Spinningbytes deshalb vor allem Deep-Learning-Methoden zum Einsatz, eine Weiterentwicklung herkömmlicher Machine-Learning-Ansätze, die auf künstlichen neuronalen Netzen basieren. Konkurrenz gibt es vor allem von Seiten der grossen Anbieter wie etwa IBM. "Viele Softwareentwicklungsfirmen stellen mittlerweile um und bieten nun auch Machine Learning und ähnliche Technologien an", meint Cieliebak. "Wir heben uns allerdings dadurch ab, dass wir uns sehr stark auf Textanalyse konzentrieren."
Projektbezogenes Programmieren
Spinningbytes bietet heute eine ganze Reihe Technologielösungen an. "Wir haben fertige Produkte für Standardprobleme wie zum Beispiel Sentiment-Analyse, Topic Detection oder die automatische Themenkategorisierung", erklärt Cieliebak. "Eventuell muss man diese noch an die gewünschte Sprache anpassen, die meisten Anwendungen stehen aber standardmässig für Deutsch, Englisch und Französisch bereit." Daneben bietet
Spinningbytes aber auch projektspezifische Software-Entwicklung an. "Kunden kommen oft zu uns und sagen: 'Wir wissen ihr könnt dies und jenes, aber wir haben ein ganz anderes Problem, das wir gerne mit euch zusammen lösen würden'", so der Mitbegründer des Start-ups.
Wie ein solches Problem etwa aussehen könnte, zeigt ein kleines Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Jobbörse Yousty entstanden ist. "Yousty wollte eine Software, die automatisch aus allen ausgeschriebenen Stellen nur diejenigen herausfiltert, die für Berufseinsteiger geeignet sind", erklärt der CEO. "Dafür haben wir ein Klassifikationssystem gebaut, das Stellenanzeigen als Input nimmt und dann entscheidet, ob die Stelle für Berufsanfänger geeignet ist oder nicht." Ein anderes Projekt entwickelte man für eine indische Firma, die eine Software wollte, welche automatisch Company Reports erzeugen kann, also Informationen über Firmen sammelt und zusammenstellt. Dazu entwickelte Spinningbytes Tools, die einen Teil des Prozesses automatisieren. Projekte können dabei von ganz kleinen, in einigen Tagen umgesetzten Ideen, bis hin zu mehrmonatigen, aufwendigeren Implementierungen reichen. "Eines unserer grössten Assets ist, dass wir viele Sachen schon gemacht haben und dadurch schnell einschätzen können, ob etwas geht oder nicht, und wenn ja, wie aufwendig ist es", so Cieliebak.
Die Projektumsetzung beginnt dabei typischerweise mit einem ersten Treffen, wo die groben Ideen und Ziele festgelegt werden. "Wir arbeiten hauptsächlich mit KMU hier in der Schweiz, da läuft Vieles unkompliziert ab, man trifft sich auf Augenhöhe", mein Cieliebak. "Falls man das Projekt realisieren will, schätzen wir in etwa den Aufwand ab und beginnen mit der Umsetzung. Wir liefern dann im Normalfall eine Softwarekomponente mit einer sehr einfachen Schnittstelle, die das Unternehmen dann bei sich integrieren kann."
Start-up-Hilfe
"Unsere Kunden sind hauptsächlich Firmen in der Schweiz, viele davon aus dem beruflichen und privaten Umfeld von uns", erklärt Cieliebak. Dadurch, dass
Spinningbytes projektbasiert und zu Beginn hauptsächlich mit Freelancern gearbeitet hat, war das Start-up zudem fast von Anfang an profitabel. Heute hat das Unternehmen einige festangestellte Mitarbeiter, bei Bedarf werden aber zusätzliche Leute an Bord geholt, um spezifische Projekte durchzuführen. Durch die Nähe zur ZHAW, zur ETH und neu auch zur EPFL (der Mitgründer Martin Jaggi ist dort seit kurzem Professor) werden auch gerne mal Studenten miteinbezogen, die so im Rahmen von Praktika einen Einblick ins Berufsleben erhalten.
Die ZHAW sorgte denn auch für einen optimalen Start des Jungunternehmens und unterstützte das Start-up dabei vor allem mit Coaching und Know-how: "Wir hatten jemanden, der uns beim Prozess der Firmengründung unterstützt hat", resümiert Cieliebak. "Das war extrem wertvoll und hat uns bei vielen Sachen sehr geholfen." Spinningbytes ist auch Cieliebaks erstes eigenes Unternehmen, obwohl dieser früher auch schon in einem Start-up im Bereich Social Media Monitoring gearbeitet hat und dort mehrere Jahre den Aufbau der IT leitete.
Grosse Anwendungsvielfalt
Cieliebak erinnert sich mit Freude an ein erstes Highlight der Firmengeschichte zurück: die Teilnahme an der Computermesse Cebit 2016. "Wir wurden relativ bald auf die Cebit eingeladen, wofür wir dann auch unsere ersten Demos gebaut haben, um etwas zeigen zu können", erinnert sich der Gründer. Und auch heute nutzt das Unternehmen solche Live-Demos weiterhin (einige sind auch Online verfügbar), um Interessierten die potentielle Anwendungsvielfalt zu demonstrieren, die sich hinter den von
Spinningbytes verwendeten Technologien verbirgt. So entwickelte das Start-up für die diesjährige Wissenschaftsmesse Scientifica der ETH und Universität Zürich zum Beispiel ein Tabu-Spiel, bei dem man mit dem Computer spielt. Man erklärt dem Computer einen Begriff, den dieser dann versucht zu erraten. "Der Computer errät das Wort meistens schon mit dem zweiten Versuch", so Cieliebak. Zurzeit setzt sich Spinningbytes ausserdem immer mehr mit dem Thema Chatbots auseinander. "Ein Bereich mit enorm vielen Anwendungsmöglichkeiten. Wir haben zum Beispiel eine Demo entwickelt, einen Movie-Chatbot, mit dem man Diskussionen über Filme führen kann und der Empfehlungen geben kann", erzählt Cieliebak.
An Plänen und Ideen für die Zukunft mangelt es dem Unternehmen auch sonst nicht. "Unser Fokus liegt auf spannenden Projekten zu Themen, wo etwas Neues, Innovatives entstehen kann", meint Cieliebak. "Dafür birgt unsere Kernkompetenz, das Analysieren von Inhalten, enorm viel Zukunftspotential."
(swe)