Nicht umsonst zieht die Schweizer Bergwelt jedes Jahr Tausende Menschen an. Doch wird dabei häufig vergessen, dass ihre Schönheit auch Gefahren birgt – und zwar nicht nur für Bergsteiger und Skifahrer, sondern auch für Wanderer. Gerade Letztere unterschätzen leicht die Gefahren einer Bergtour. Der Beratungsstelle für Unfallverhütung zufolge ereignen sich nicht nur die meisten Bergunfälle beim Wandern, hier gibt es sogar die höchste Todesrate.
Funklöcher mittels P2P stopfen
Um im Notfall effektiv zu helfen, muss schnell alarmiert werden. Kein Problem im Handyzeitalter? Weit gefehlt. Denn die Netzabdeckung in den Bergen ist eher durchwachsen. Dass Handys aber trotzdem helfen können, zeigt das Start-up Uepaa. Das Unternehmen bietet eine Dienstleistung an, die aus einer App für Bergsportler, einer 24/7-Rettungszentrale, einem Service sowie einer App für Rettungspartner besteht, welche die Chancen von Unfallopfern stark verbessern soll. Dem zu Grunde liegt das sogenannte «Grüezi-Prinzip», eine Peer-to-Peer-Technik, entwickelt an der ETH Zürich. Via WLAN tauschen sich die Smartphones von Uepaa-Nutzern automatisch untereinander aus. Der Wirkungskreis beträgt maximal 450 Meter. Betritt jemand diesen Radius, erhält er automatisch ein Datenpaket mit Informationen zur Person und Position seines Gegenübers sowie aller anderen Nutzer, denen dieser im Laufe des Tages begegnet ist. Im Fachjargon bezeichnet man das als Ad-hoc-Netzwerk. Es ermöglicht die Verbreitung von Daten von und über Uepaa-Nutzer in epidemischer Art und Weise.
Entweder direkt über andere Nutzer hinweg oder spätestens dann, wenn einer in der Kette wieder im Netz auftaucht. Dann synchronisiert sich dessen Handy mit der Uepaa-Rettungszentrale. Dadurch lässt sich die Route einer vermissten Person im Nachhinein rekonstruieren, auch wenn diese Person selbst seit Stunden nicht mehr im Funknetz war. Man folgt einfach den «Brotkrumen» ihrer Wanderbegegnungen. Dabei kann die Alarmierung sogar automatisch erfolgen. Die App erkennt über die im Handy eingebauten Bewegungssensoren, wenn jemand stürzt oder aufhört, sich zu bewegen. In diesem Falle alarmiert die App automatisch andere Uepaa-Nutzer, die sich zufällig bereits in der Nähe befinden oder in den Empfangsbereich kommen und führt diese zum Verletzten. Eine Funktion, die unabhängig vom Netzempfang von grossem Nutzen ist.
Professionelle Rettung
Für den Ernstfall arbeitet Uepaa mit professionellen Rettungsdiensten zusammen, die dank der Daten viel präziser nach Vermissten suchen können. Eine andere und speziell für die Retter entwickelte App erlaubt ausserdem die Suche und Ortung nach Unfallopfern aus der Luft. Das ist besonders wichtig, wenn Verunfallte nicht mehr in der Lage sind, selbst auf sich aufmerksam zu machen.
Die Idee kam Mitgründer und CEO Mathias Haussmann vor drei Jahren beim Skifahren. «Was, wenn ich einen Unfall habe und mich keiner findet?», fragte sich der neue Familienvater. Beim Skilift schloss er sich deshalb mit anderen Skifahrern zusammen und tauschte Kontaktinformationen aus. Dieses Ereignis liess ihn nicht mehr los. Nach einer Marktsondierung fand er die passende Technik an der ETH Zürich. Der dortige Projektleiter Franck Legendre begleitet die Zusammenarbeit, und beide gründeten zusammen 2012 die Firma Uepaa.
Bis heute nutzen rund 37’000 Outdoor-Enthusiasten Uepaa, und täglich werden Hunderte neuer Downloads verzeichnet. Die App, die es für Android und iPhone gibt, konnte auch schon viel Aufmerksamkeit erregen. So gewann sie den Swiss App Award, war für den Global Mobile Award in Barcelona nominiert und gewann den World Summit Award der Vereinten Nationen. Seit Ende Januar ist sie auch ausserhalb der Schweiz erhältlich, und zwar in Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien. Wird in einem dieser Länder ein Alarm ausgelöst, koordiniert die Rettungszentrale mit entsprechenden Hilfsorganisationen vor Ort. Dabei müssen die Retter die App nicht einmal schon vor dem Einsatz haben. Im Notfall kann man sie schnell heruntergeladen, während der Hubschrauber abhebt. «Das ist zwar nicht der Idealfall, aber es nimmt uns den Druck, die Installation überall zu forcieren», so Haussmann. Dass das Prinzip funktioniert, zeigen rund 500 empfangene Alarme seit Mitte 2013.