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Verhandeln unter Kollegen

Von Hans-Jörg Schumacher

Nicht nur Verkäufer, sondern auch IT-Experten müssen in Meetings verhandeln. Dabei ist ihnen aber oft nicht be-wusst, dass sie sich in einer Verhandlungssituation befinden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/06

     

Welchen Rabatt bekomme ich, wenn ich die doppelte Menge kaufe?», «Akzeptieren Sie auch einen späteren Zahlungstermin?» Solche Fragen sind Alltag, wenn sich Einkäufer und Verkäufer gegenübersitzen. Dann wird über Preise, Liefermengen und -termine sowie die Dauer von Verträgen verhandelt. Das weiss jeder.
Übersehen wird aber oft: Verhandlungen prägen nicht nur den Arbeitsalltag von Einkäufern und Verkäufern. Auch die IT-Mitarbeiter von Unternehmen sind oft mit Situationen konfrontiert, in denen unterschiedliche Interessen aufeinander prallen. Dies passiert zum Beispiel, wenn sie mit der Einkaufsabteilung darüber debattieren, ob ein Ersatzteil für einen Server noch heute oder erst morgen besorgt wird, wenn sie mit einem Kollegen aus der IT-Abteilung darüber diskutieren, ob das Testen einer Beta-Version in seinen oder ihren Aufgabenbereich fällt, oder wenn sie mit dem Leiter einer Fachabteilung erörtern, welche Funktionen eine Software-Lösung enthalten soll. Und entsprechendes gilt auch, wenn die Mitarbeiter eines Projektes in einem Meeting klären, war was bis wann macht.

Die meisten wichtigen Gespräche sind Verhandlungen

In all diesen Situationen befinden sich die ITler in Verhandlungssituationen. Und sie stehen vor der Herausforderung, getreu der Maxime «Was gibst du mir, wenn ich...?» eine Lösung auszuhandeln, mit der alle Beteiligten leben können, weil sie das Gefühl haben: Meine Interessen werden ausreichend berücksichtigt.
Im Gegensatz zu den Einkäufern und Verkäufern ist es den IT-Mitarbeitern der Unternehmen aber oft nicht bewusst, dass sie sich in einer Verhandlungssituation befinden. Denn für sie bedeutet verhandeln in erster Linie über Preise sprechen. Deshalb erkennen sie anstehende Verhandlungen oft nicht als solche. Entsprechend unvorbereitet gehen sie in die Meetings und wichtigen Gespräche. Und anschliessend stellen sie erschrocken fest: «Verflixt, was habe ich mir da wieder eingehandelt?»
Deshalb gilt es zunächst festzuhalten: Stets wenn zwei oder mehr Personen darüber sprechen, wie sie ihre (teils) gegensätzlichen Interessen unter einen Hut bringen können, wird verhandelt. Dabei ist es sekundär, ob die Beteiligten in einer Chef-Mitarbeiter-, Kunden-Lieferanten- oder Liebesbeziehung zueinander stehen. Dies hat auf den Ablauf der Verhandlung keinen Einfluss. Und immer lässt sich eine zielorientiert geführte Verhandlung in die vier Abschnitte Vorbereitungsphase, Diskussionsphase, Vorschlagsphase und Abmachungsphase unterteilen.

Interessen des Partners erkunden

Vorbereitungsphase: Hier wird der Grundstein für ein erfolgreiches Verhandeln gelegt. Trotzdem nehmen sich viele Verhandler für die Vorbereitung wenig Zeit. Sie verfahren nach der Devise: «Ich höre mir erst mal an, was die andere Seite sagt.» Entsprechend leicht werden sie vom Gegenüber über den Tisch gezogen, da sie nicht wissen, was ihnen wichtig ist. Deshalb sollten man vor jeder Verhandlung fixieren:
-Um welche Inhalte/Gegenstände geht es in dem Gespräch?
-Welche Interessen/Wünsche habe ich bezogen auf die einzelnen Verhandlungsgegenstände?
-Was ist meine Ausgangsposition?
-Welche Ziele sind für mich unabdingbar? Und: Wann breche ich (sofern möglich) die Verhandlung ab?


Diskussionsphase: Hier beschnuppern sich die Partner. Sie versuchen, durch ein wechselseitiges Frage- und Antwortspiel auszuloten, welche Interessen die jeweils andere Seite hat. Ausserdem: Wie gross sind die Verhandlungsspielräume und was ist besonders wichtig? Bereits diese Phase ist von einem Geben und Nehmen geprägt. Verhält sich ein Partner extrem zugeknöpft, öffnet sich auch der andere nicht. Deshalb gerät die Verhandlung schnell in eine Sackgasse. Entsprechend wichtig ist es, eine harmonische Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Zum Beispiel, indem man den Verhandlungspartner lobt, Zustimmung signalisiert oder indem man durch Rückfragen klärt, warum dem Partner bestimmte Dinge wichtig sind.

Haben die Partner die jeweiligen Positionen geklärt, beginnt die zweite Stufe der Diskussionsphase. Nun gilt es, Signale für die eigene Verhandlungsbereitschaft auszusenden und die eigenen Antennen auszufahren für die Signale des Partners. Signale sind zum Beispiel Sätze wie «Eigentlich gehört dies nicht zu meinen Aufgaben» (aber unter gewissen Umständen wäre ich bereit...). Oder: «Ich kann Ihren Vorschlag so nicht akzeptieren» (...aber vielleicht, wenn Sie ihn leicht abwandeln).
Oft begehen Verhandler in dieser Phase den Fehler, Signale des Partners bewusst zu ignorieren und ihn zappeln zu lassen, in der Hoffnung, dass er dadurch weich wird. Meist ist diese Taktik falsch, denn hierdurch zerstört man die Gesprächsbasis. Schliesslich wagt sich der Partner, wenn er ein solches Signal aussendet, aus seinem Schneckenhaus. Wird er hierfür nicht gelobt und mit Gegensignalen belohnt, zieht er sich wieder zurück. Die Folge: Die Verhandlung zieht sich entweder in die Länge oder gerät in eine Sackgasse.

Angebote an Bedingungen knüpfen

Vorschlagsphase: Wenn die Partner sich wechselseitig Signale ihrer Verhandlungsbereitschaft gesandt haben, beginnt die Vorschlagsphase, in der sich die Partner Vorschläge unterbreiten. Ein Vorschlag besteht stets aus zwei Elementen, nämlich aus einer Bedingung und einem Angebot. Zum Beispiel:
-«Wenn Sie die passenden Headsets besorgen, kann ich das neue Videokonferenzsystem bis zum Wochenende implementieren.»
-«Wenn Sie uns das Pflichtenheft bis morgen senden, können wir den Job vielleicht noch in unsere Wochenplanung aufnehmen.»
-«Wenn Sie mir einen entsprechenden Freizeitausgleich gewähren, dann führe ich die Serverwartung ausserhalb unserer Geschäftszeiten durch.»


Beim Formulieren der Vorschläge gilt es, niemals sogleich das Maximalangebot zu unterbreiten. Denn dann hat man kein Ass zum Pokern mehr im Ärmel. Ausserdem sollte man den Vorschlag nicht lang und breit erklären. Denn nun ist erst mal das Gegenüber an der Reihe. Er muss darauf reagieren – zum Beispiel, indem er sich nach den genauen Bedingungen erkundigt, seine Bedenken erläutert oder einen Gegenvorschlag unterbreitet.
Über Vorschläge kann und sollte man debattieren. Dann wird meist schnell deutlich, was den Beteiligten besonders wichtig ist – zum Beispiel geringere Wartungskosten, mehr Sicherheit, weniger Arbeit oder mehr Anerkennung. Wenn dies klar ist, können die ersten Alternativvorschläge unterbreitet werden. Zum Beispiel: «Wir entwickeln und implementieren Ihnen die Software bis Ende des Monats, wenn Sie bis nächste Woche die Spezifikationen definieren und Sie uns bis Monatsende einen Ihrer Mitarbeiter zur Unterstützung überlassen.» Nun werden also die ersten Angebotspakete geschnürt. Diese haben stets Vorschlagscharakter. Das heisst, sie sind an Bedingungen geknüpft. Ist so allmählich eine weitgehende Einigung erzielt und zeichnet sich die Lösung ab, beginnt die Phase der Abmachung.

Abmachungsphase: Hier gilt es, eine konkrete Vereinbarung zu erzielen. Hierfür müssen zunächst für die einzelnen Verhandlungsgegenstände Teilübereinkünfte erzielt werden. Dabei sollte man keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung machen. Ausserdem muss stets deutlich bleiben, dass alle Verhandlungsgegenstände miteinander verknüpft sind. Und: Nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.
Das ist wichtig, denn (unfaire) Verhandlungspartner versuchen oft, Teilübereinkünfte, die ihnen entgegenkommen, bereits als bindend zu erklären, wenn andere Verhandlungsgegenstände noch offen sind. Eine typische Formulierung, an der man einen unfairen Verhandlungspartner erkennt, ist: «Aber wir waren uns doch einig, dass...». Oft bluffen unfaire Verhandler auch mit einem letzten Angebot oder drohen gar mit dem Abbruch der Verhandlung. Deshalb ist es wichtig festzuhalten: keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung. Ist die letzte Hürde überwunden, gilt es, das Vereinbarte festzuhalten – und zwar in allen Einzelheiten. Ein Punkt, der oft vernachlässigt wird. Die Folge: Eine Teilvereinbarung gerät schnell in Vergessenheit, und der Streit über die getroffene Vereinbarung beziehungsweise deren Auslegung beginnt.


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