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New Kids on the Blog

Weblogs sind derzeit der letzte Schrei im Internet. Blogging kann aber auch in der IT grossen Nutzen bringen, sei es als Werkzeug für die Informationsbeschaffung oder als firmeninternes Kommunikationsinstrument.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/11

     

Weblogs haben während den letzten zwei Jahren vor allem im englischen Sprachraum einen phänomenalen Boom erlebt. Die Zahl der aktiven Web-Tagebücher - kurz auch Blogs genannt - wird derzeit auf über 1 Million geschätzt. Im Vergleich dazu sind deutschsprachige Weblogs mit einer ungefähren Anzahl von 1000 noch rar; die Blogging-Welle scheint jedoch allmählich auch auf unseren Sprachraum überzuschwappen.




Dass Quantität selten mit Qualität einhergeht, ist auch bei den Blogs nicht anders. So ist in den meisten Tagebüchern jede Menge irrelevantes und banales Zeugs zu lesen: Die Autoren berichten etwa über ihre aktuelle Befindlichkeit, den sonntäglichen Familienausflug oder den jüngsten Zuwachs in der eigenen Koi-Fischzucht. Dank der IT-Affinität vieler Blogger gibt es aber eine zunehmende Zahl an Tagebüchern, die sich auf IT-Themen spezialisieren. Sie entpuppen sich nicht selten als wertvolle Informationsquellen, die den täglichen Einheitsbrei der kommerziellen IT-Publikationen wohltuend ergänzen. Kommt hinzu, dass einige Firmen die Weblog-Technologie als Community- und Collaboration-Instrument entdeckt haben und erfolgreich für Knowledge Management oder die Projektabwicklung einsetzen.


Was ist ein Blog?

Bevor wir den Nutzen der Weblogs in der IT-Industrie genauer unter die Lupe nehmen, beantworten wir doch zuerst einmal die Frage, was denn ein Weblog überhaupt ist. Im Grunde genommen handelt es sich um eine tagebuchartig organisierte Website mit chronologisch geordneten Inhalten. Man könnte sie auch als die Logbücher des Web bezeichnen, in denen Autoren auf Neuigkeiten verweisen und diese kommentieren. Solche Einträge, die auch Microcontent genannt werden, stehen oft nicht alleine, sondern beziehen sich nicht selten in Form von Hinweisen und Kommentaren auf andere Inhalte. Jeder Eintrag erhält eine eindeutige ID, über die er gezielt verlinkt werden kann. Den Link, also die genaue URL des Eintrags, nennt man in der Blogger-Sprache Permalink.



Bei der Software, mit der ein Blog betrieben wird, handelt es sich im wesentlichen um einfache Content-Management-Systeme, die dem Benutzer via Web-Inter-face oder Client-Anwendung (Blogging Clients) das Einfügen und Aktualisieren von Inhalten (Tagebucheinträgen) erlauben, ohne dass sich dieser mit technischen Details wie HTML-Coding oder FTP-Uploads herumschlagen muss. Ähnlich wie bei ihren Enterprise-Pendants werden auch bei den Blogging-Systemen Inhalt und Layout strikte voneinander getrennt und Formatvorlagen für das Design geboten.




Blogging-Lösungen dieser Art gibt es viele. Man unterscheidet zwischen Blog-Hostern, bei denen man sich online ein eigenes Tagebuch einrichten kann, und Blogging-Software, die auf einem eigenen Server sowohl für den Betrieb übers Internet als auch privat im Intranet eingesetzt werden kann. Zur erstgenannten Kategorie gehört Blogger.com, der spätestens seit der Übernahme durch Google im Februar dieses Jahres zu den bekanntesten Weblog-Services gehört. Blog-Pionier Userland von RSS-Erfinder Dave Winer deckt mit seinen Produkten Manila und Radio gleich beide Bereiche ab. Reine Weblog-Serverlösungen gibt es unzählige und für die verschiedensten Plattformen. Sie werden nicht selten auf Open-Source-Basis angeboten und entwickelt (Überblick siehe "Blogging-Tools und -Services").



Bei den Blog-Hostern können Weblogs in den meisten Fällen kostenlos betrieben werden, dabei muss man sich allerdings oft auch Werbeeinblendungen im eigenen Tagebuch gefallen lassen. Bei Blogger.com kann man ebenfalls einen Gratis-Blog eröffnen. Will man allerdings in den Genuss eines erweiterten Funktionsumfangs mit Bildintegration, RSS-Feeds und Kommentaren kommen, muss man auf den kostenpflichtigen Service BloggerPro (50 Dollar im Jahr) upgraden.




Dynamische Communities

Blogging-Lösungen sind aber weit mehr als gewöhnliche CMS-Programme. Schliesslich besteht die Faszination von Weblogs nicht einfach nur darin, Tagebucheinträge ins Web zu stellen, sondern insbesondere auch darin, durch bidirektionale Vernetzung eine Community unter Gleichgesinnten zu bilden. Dabei entstehen die Communities durch gegenseitiges Kommentieren weitgehend automatisch. Und da von jedem Weblog die Vernetzung wieder etwas anders ist, verfügen Online-Cliquen auch über keine klaren Abgrenzungen, wie dies etwa bei den Newsgroups oder Online-Foren der Fall ist. Neben der bereits erwähnten Kommentarfunktion sorgen folgende Techniken und Werkzeuge für das Community-Building:




Blogroll: Hierbei handelt es sich um eine Liste von Links auf andere Logbücher, die sich der Autor des gerade angewählten Blogs täglich zu Gemüte führt. Hat man einen spannenden Weblog gefunden, kann man über die Blogroll meist weitere interessante Blogs mit ähnlicher Ausrichtung finden.





Referrer: Referrer werden eingesetzt, um automatisch Links zurück auf jene Blogs zu setzen, von denen der Besucher hergekommen ist. Referrer fördern bei den Bloggern vor allem die Neigung, auf populäre Weblogs zu verweisen, weil von dort durch Rückverweise mit mehr Traffic gerechnet werden kann.




Trackback/Pingback: Die beiden Technologien Trackback und Pingback werden dazu eingesetzt, einen Weblog aktiv darüber zu benachrichtigen, dass ein anderer Blog einen Link auf einen seiner Einträge gesetzt hat. Konkret funktioniert das folgendermassen: Person A stellt ein Posting in ihren Weblog, der Bezug auf eine Meldung im Logbuch von Person B nimmt. Beim Eintrag von Person A wird deshalb auch die Adresse der kommentierten Meldung eingefügt, worauf ein sogenannter Ping an den Blog des Verfassers abgesetzt wird. Dank dieses Ping-Aufrufs kann die Blogging-Software von Person B automatisch einen Link zurück auf den bezugnehmenden Beitrag setzen. Dieses Verfahren benötigt im Unterschied zum Referrer keinen Benutzer, der dem Verweis erst folgen muss, sondern stellt die Verbindung zwischen zusammengehörigen Beiträgen automatisch her. Trackback und Pingback bilden die eigentliche Grundlage dafür, dass sich Diskussionen über mehrere Weblogs hinweg fortpflanzen können. Darüber hinaus werden die beiden Technologien auch dazu verwendet, Blog-Aggregatoren - Online-Services, die Log-Beiträge zu bestimmten Themen sammeln und auflisten - über neue Einträge zu informieren. Einer der bekanntesten Aggregatoren, der auf dem Ping-Prinzip basiert, ist Weblogs.com, der laufend über kürzlich aktualisierte Weblogs informiert.




Blogging-APIs: Damit das gegenseitige Übermitteln von Pings überhaupt funktioniert, müssen Blogging-Lösungen mit standardisierten Schnittstellen ausgerüstet werden, die die entsprechenden Aufrufe verarbeiten können. Die beiden wichtigsten Programmierschnittstellen Blogger API und dessen Erweiterung MetaBlog API basieren auf der Web-Service-Technologie XML-RPC, einem Vorläufer von SOAP. Die beiden APIs sind aber nicht nur dazu da, Pings zu verarbeiten, sondern regeln generell die Kommunikation zwischen Blog-Server und Client-Werkzeug. Dazu zählen insbesondere die benutzerfreundlichen Client-Tools wie W:Bloggar oder Blogbuddy, die über die standardisierten Web-Service-Schnittstellen direkt Postings und Kommentare an den Blog-Server übermitteln können.


RSS: Push kehrt zurück

Wer damit anfängt, Blogs zu konsumieren, wird schnell feststellen, dass gerade die Verflechtung der Tagebücher dazu führt, dass sich die Liste seiner favorisierten Blogs füllt und füllt. Bereits nach wenigen Tagen oder Wochen wird man mehrere Dutzend Blogs auf seiner Liste haben, die man regelmässig lesen möchte. Diese aber täglich per Browser nach neuen Einträgen zu checken, ist für die meisten Anwender, die nicht an Unterbeschäftigung oder Langweile leiden, ein Ding der Unmöglichkeit.



Genau hier setzt die neue Tool-Gattung der RSS-Clients den Hebel an. Grundlage für diese praktischen Werkzeuge bildet das RSS-Format, das in den letzten zwei Jahren sozusagen die in den 90er Jahren gefloppte Idee der Push-Kommunikation wieder neu ins Rollen gebracht und sinnvoll nutzbar gemacht hat. Bei RSS, das je nach Informationsquelle für Really Simple Syndication oder RDF Site Summary steht, handelt es sich um ein einfaches XML-basierendes Format, das zur Beschreibung von Inhalten verwendet wird.




Praktisch alle Weblogs bieten inzwischen ihre Inhalte als sogenannte RSS-Feeds an. Dabei werden die neuesten Einträge in Form von XML-Streams für RSS-Reader zum Abonnieren bereitgestellt. Die einzelnen Einträge aller abonnierten Feeds werden dann vom RSS-Reader, ähnlich wie in einem Mail-Client, chronologisch aufgelistet (siehe auch Bild "Sharpreader"). Damit wird das Durchscannen einer grösseren Zahl an Weblogs innert einer akzeptablen Zeitspanne machbar. Einige RSS-Clients wie etwa NewzCrawler verfügen inzwischen auch über Posting- und Editier-Werkzeuge, die das Füttern des eigenen Weblogs und das Kommentieren der Feed-Einträge noch komfortabler machen.



Auch die Zahl der Verlagshäuser, die RSS unterstützen und ihre Nachrichten als Feed publizieren, steigt stetig. Darüber hinaus bieten unabhängige Dienstleister wie Meerkat von O'Reilly oder NewsIsFree RSS-Nachrichten von News-Sites an, die über keinen eigenen RSS-Stream verfügen. Damit können als positiver Nebeneffekt nicht nur Weblogs, sondern auch Nachrichten direkt in den RSS-Reader gespeist und im Überblick gehalten werden.



Alternativ zu den Client-Tools gibt es Online-Aggregatoren, die Blog-Postings sammeln und auf einer Seite chronologisch geordnet zum Abruf bereitstellen. Obwohl hier teilweise die bereits erwähnten Ping-Aufrufe zum Einsatz kommen, basieren Online-Aggregatoren vor allem auf dem Auswerten von RSS-Feeds angemeldeter Weblogs. Typische Beispiele für Aggregatoren sind etwa Fullasagoog.com (Macromedia-Produkte), die deutsche Weblog-Community Bloghaus oder der auf Buch-Rezensionen spezialisierte Dienst AllConsuming. Auch gibt es immer mehr auf Blogs spezialisierte Search-Engines, die die RSS-Feeds indizieren und die gegenseitige Verlinkung auswerten. Diese liefern bessere Trefferraten, als dies etwa mit Google der Fall ist, und sind in der Lage, Ranglisten mit den populärsten Blogs zu erstellen. Zu den wichtigsten RSS-Suchmaschinen zählen Feedster, DayPop oder rssSearch.




Blogging in der IT-Industrie

Wie eingangs erwähnt, wird Blogging auch in der IT-Industrie zunehmend beliebter. Immer mehr Mitarbeiter von IT-Firmen, Kolumnisten von Informatik-Postillen oder auch unabhängige Consultants führen mittlerweile eigene, auf IT-Themen fokussierte Blogs.



Dabei beschränken sich die Blog-Einträge nicht bloss auf das Kommentieren von Nachrichten anderer Blogs, sondern reichen vom Posten von selbst ausgetüftelten Tips und Tricks über Rezensionen von Büchern bis hin zu Eindrücken über und Erfahrungen mit neuen Produkten und Technologien. Mitunter wird auch immer häufiger live von IT-Veranstaltungen wie Messen und Konferenzen berichtet.




Auch immer mehr bekannte IT-Persönlichkeiten führen einen eigenen Blog: So berichtet beispielsweise Microsofts Web-Service-Guru und SOAP-Miterfinder Don Box über seine neuesten Erkenntnisse in Sachen Web Services und XML. Jeremy Allaire, der Vater von ColdFusion und ehemaliger Macromedia CTO, berichtet über Webarchitektur und WiFi. Und Software-Urgesteine wie Mitch Kapor (Ex-Lotus), Ray Ozzie (Groove), Dan Bricklin (Visicalc-Erfinder) oder Esther Dyson (Internetvisionärin) teilen ihre neuesten Erkenntnisse via Logbuch mit (siehe "Bloggende IT-Prominenz").



Dem Angebotsspektrum von IT-Blogs sind kaum Grenzen gesetzt. Es reicht von allgemein gehaltenen Informatik-Blogs über Plattformen-spezifische Blogs (Java, .Net oder Linux etc.) bis hin zu Informations-Channels über Open-Source-Projekte. Zu finden sind auch spezialisierte Blogs zu Technologien wie Security, Wireless-LAN, Flash, Webdesign oder Software-Architektur (siehe auch "Interessante IT-Blogs"). Immer häufiger entstehen Hosting-Plattformen, die sich auf bestimmte Themen konzentrieren und so eine eigene Community bilden. Beispiele hierfür sind etwa JavaBlogs oder DotnetWeblogs.



Viele dieser Logbücher könnte man auch als Channels betrachten, die aus der riesigen Informationsflut den relevanten Content herausfiltern und sozusagen vorverdaut und kommentiert abliefern. Wer die richtigen Weblog- und Newsfeeds abonniert hat, verpasst aus seinen Interessensgebieten kaum etwas Wichtiges. Allerdings bleibt dabei immer die Frage offen, wie stark man einer bestimmten Quelle vertrauen kann. Das Beachten der Kommentare kann helfen, die Qualität eines Blogs besser einzuschätzen. Immerhin kann man dadurch die eigene Sammlung an Blog-Feeds laufend optimieren und sich so ein zuverlässiges Informations-Aggregat aufbauen.




Blogging im Unternehmen

Gerade die gegenüber den Anfängen stark verbesserten Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Weblogs machen den Einsatz von Blogging-Lösungen für den Einsatz im Unternehmen interessant. So können Weblogs die Kommunikation im Unternehmen verbessern, indem sie als Ergänzung zur E-Mail eingesetzt werden. Per Blog kann über interne Firmen-News oder über den Fortschritt eines Projektes informiert werden. Gerade für die Begleitung eines Projektes, bei dem verschiedene Teammitglieder, externe Mitarbeiter und Kunden in die Kommunikation miteinbezogen werden sollen, kann ein Blog dank seiner chronologischen Struktur und den Kommentarfunktionen eine enorme Hilfe sein. Durch die Kollaborationswerkzeuge können Weblogs auch als Ideengeneratoren und für Knowledge-Management-Aufgaben eingesetzt werden.



Firmen können Weblogs ebenfalls zur Kommunikation mit der Aussenwelt nutzen. So lässt sich beispielsweise ein Blog als Marketing- oder Service-Instrument einsetzen. Denkbar sind Weblogs oder RSS-Feeds, die Firmen-News und PR-Meldungen verbreiten oder die als produktspezifische Informationskanäle den Benutzer mit Tips und Neuerungen versorgen. Macromedia beispielsweise unterhält verschiedene Blogs zu Produkten wie Flash, ColdFusion oder Dreamweaver.




Inzwischen haben auch einige Anbieter von Blogging-Software die Unternehmen als neue Zielgruppe entdeckt. So bietet etwa Userland die Server-Komponente ihrer Log-Lösung Manila neu auch für den firmeninternen Gebrauch an. Trellix hat ihre Webdesign-Tools um Weblog-Technologie erweitert und bietet diese nun Firmen als Hosting-Lösung zum Mieten an. Das Softwarehaus Traction bietet Knowledge-Management-Lösungen an, die ebenfalls auf Weblog-Funktionen aufbauen.



Wer Blogging im eigenen Unternehmen einsetzen will, muss nicht zwingend auf ein kommerzielles Produkt setzen. Die bereits oben erwähnten Open-Source-Lösungen taugen in den meisten Fällen genauso gut für den Firmeneinsatz. Zudem ist zu erwarten, dass die etablierten Intranet-Portal-, Groupware- und Content-Management-Lösungen zunehmend mit Weblog-Funktionen und entsprechenden Zusatzmodulen ausgestattet werden. Insofern wird nicht zwingend eine separate Lösung benötigt, wenn man im Unternehmen von der Weblog-Technologie profitieren möchte.




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