Typische Situation eines ICT Beschaffungsprojektes
Öffentliche Beschaffungsprojekte in der ICT-Welt (Information Communication Technologie) zeichnen sich vielmals durch folgende Herausforderungen aus:
· Kurzfristige und oft sehr späte Involvierung des Beschaffungsmanagements.
· Meistens zeitkritische Projekte, wodurch die Durchlaufzeit der Beschaffung stark limitiert ist.
· Hohe Komplexität und Volumen.
· Oft unzureichende und zu wenig griffige Anforderungsbeschreibungen.
· Die Bewertung von Angeboten erfordert durch die Komplexität in der Regel interdisziplinäre Teams und leistungsstarke Tools, die einen Teambewertungsansatz unterstützen.
· Kostenanalysen umfassen Investitionen und Betriebskosten bereits in einem sehr frühen Stadium des Projektes. Da in der Regel die Betriebskosten eines ICT Systems im Verlauf von 5-10 Jahren höher sind als die Investitionen, ist eine klare Beschreibung der Betriebsservices unumgänglich. Hier schlummern erhebliche Risiken für Fehlentscheide.
Ziele eines ICT Beschaffungsprojektes
Aus Sicht der Beschaffung sind folgende Ziele zu erreichen:
· Effizienter, effektiver Prozess ohne Einsprachen und Rekurse = Verfahrenssicherheit.
· Dokumentierte, belegbare Evaluationsergebnisse = Transparenz.
· Abgestimmte und überprüfbare Evaluationskriterien für die Anbieterselektion und Angebotsvergleiche
· Schneller und wirtschaftlicher Prozess
· Beschaffung des Gegenstandes nach Marktpreisen, -Services und –Servicelevels = industry standard performance
· Möglichst geringe Abhängigkeit vom Anbieter
Sourcingkonzept
Um diese Ziele zu erreichen ist ein methodisch strukturierter und toolunterstützter Prozess erforderlich. Die eigentliche Beschaffung ist dabei ein Teil eines umfassenden Frameworks, wie aus der Darstellung unten hervorgeht.
Basierend auf der IT Strategie der Organisation (z.B. Bund) werden die IT Strategien und Sourcingstrategien der Geschäftsbereiche (z.B. Departemente) erarbeitet.
Dabei steht der Begriff Sourcing für Insourcinggeschäfte (make) innerhalb einer Organisation sowie Outsourcinggeschäfte (buy) für Geschäfte mit Partnern ausserhalb der eigenen Organisation.
Anhand der Sourcingstrategien werden für die Leistungsobjekte die jeweils besten Sourcingmodelle ausgewählt. Folgende Sourcingmodelle – oder Kombinationen davon - sind heute weit verbreitet:
· Punktueller Support, professional Services
· Applikationswartung
· Beschaffung eines ICT Werkes («turn key» Lösung)
· Betrieb eines ICT Werkes (Selektives Outsourcing)
· Komplettes Outsourcing
· Busines-Process Outsourcing
· Offshore-, Nearshore Outsourcing
Im Sinne eines nachhaltigen und replizierbaren Prozesses ist es von Vorteil, die relevanten Aspekte des Sourcingmodells und der Sourcing Road Map in einem Leitfaden zu verankern.
Die Sourcing Road Map gliedert sich in die Phasen Planung, Evaluation, Umsetzung und Nutzung. Die Planungsphase spielt dabei die zentrale Rolle, denn der Erfolg des Beschaffungsprojektes kann nur so gut sein wie die Planung, in der Regel jedoch nicht besser.
In der Planungsphase werden folgende Lieferobjekte erarbeitet:
· Eignungskriterien (EK) und Zuschlagskriterien (ZK) inkl. den Bewertungsmassstäben
· Liste der potentiellen Anbieter
· Wahl und Auslegung des Verfahrens
· Ziele und Strategien zur Submission
· Ausschreibungsgegenstand inkl. vertragliche und kommerzielle Aspekte
· Instrumente für den Beschaffungsprozess wie
a. Bewertungssystem
b. Publikation
c. Ausschreibungsunterlagen
d. Projekthandbuch
Die Herausforderung dabei ist, dass die Objekte miteinander vernetzt sind und sich gegenseitig beeinflussen. Werden z.B. die Eignungskriterien mit den potentiellen Anbietern nicht genügend validiert, so können zwei Extremsituationen eintreten:
1) keine Anbieter, da kein Anbieter die EK erfüllt
2) zu viele Anbieter, da die EK zu tief angesetzt sind, was einen hohen Bearbeitungsaufwand, ein erhöhtes Rekursrisiko sowie eine Ressourcenverschwendung bei Anbieter und Ausschreiber zur Folge hat.
Eine einfache Toolunterstützung mit Simulation/Sensitivitätsanalyse spart Zeit und bringt eine grosse Prozess-Sicherheit.
Die Rahmenbedingungen für diese Lieferobjekte können anhand der nachfolgenden Elemente abgeleitet werden:
· Erkenntnisse aus früheren Submissionen
· Rechtssprechung
· Beschaffungsverordnung
· Vorgaben aus dem Beschaffungshandbuch
· Funktionale Anforderungen
· Anforderungen aus dem ICT Systemumfeld, Organisation und Prozesse
· ICT Markt
In der Planungsphase hat sich ein zweistufiges Vorgehen bewährt. In einem ersten Schritt werden alle relevanten Instrumente und Lieferobjekte grob aber umfassend skizziert um die verschiedenen Interpendenzen zu modellieren und so eine hohe Prozess-Sicherheit zu erzielen. In einem zweiten Schritt werden dann die Lieferobjekte detailliert ausgearbeitet. Durch die hohe Vernetzung der Objekte sind mehrere Iterationen erforderlich die auch ein entsprechendes Projekt-/Dokumenten-Management erfordern.
Die beschriebenen Lieferobjekte sind Vorraussetzung für den Beginn der Phase 2.
Hier erfolgt die Publikation in den festgelegten Medien mit den entsprechenden Vorlaufzeiten und Rahmenbedingungen. Die Publikation ist der eigentliche «point of no return» für den nun auch der Öffentlichkeit zugänglichen Evaluationsprozess.
Abbildung 1: Sourcing Konzept
Besonderheiten von ICT Services
Aufgrund der Analyse von über 100 ICT Projekten konnte der eigentliche Kern einer ICT Servicebeschreibung herausdiffundiert und im Metamodell unten dargestellt werden.
Aufbauend auf den Sourcingzielen und den Geschäftsprozessen, die durch ICT-Services unterstützt werden sollen, können die erforderlichen Key Performance Indikatoren KPI abgeleitet werden. Diese KPI werden zur Beschreibung der Services als Instrument verwendet. Eine hinreichende Beschreibung der ICT-Services liegt dann vor, wenn für jeden Service (oder Servicebündel) folgende Aspekte beschrieben sind:
TabelleFalls einer dieser Aspekte unzureichend beschrieben ist, so kann dies die Ursache für Schwierigkeiten beim Angebotsvergleich oder für einen Rekurs sein.
Der Schlüssel zu schlanken Servicebeschreibungen führt über die Analyse der Kostentreiber der Services. Vielfach sind die Servicebeschreibungen (Anforderungen) sehr umfangreich und detailliert, aber die eigentlichen Kostentreiber nicht adäquat erfasst. Eine Fokussierung auf die wesentlichen Kostentreiber hilft hier die Spreu vom Weizen zu trennen.
Abbildung 2: Besonderheiten von ICT Services
Konsequenzen für den ICT Beschaffungsprozess
Erfolgreiche Beschaffungsprojekte zeichnen sich durch eine solide Planung, methodisches Vorgehen, ein professionelles Projektmanagement und natürlich durch ein gutes Teamwork aus.
Das Sourcingmodell, der Sourcingleitfaden und die Sourcing Road Map bilden das Beschaffungshandbuch – das eigentliche Kompetenzinstrument der Beschaffungsorganisation. Mit diesem Instrument werden die Abteilungen unterstützt und klare Vorgaben und Tools zur Verfügung gestellt.
Das Teamwork und die Methodik kann durch ein Softwaretool unterstützt werden.
Dabei gibt es heute bereits sehr einfache und benutzerfreundliche Tools – wie z.B. EVAL+ - die insbesondere bei Simulationen und Teamauswertungen sowie der transparenten, nachvollziehbaren, automatisierten Dokumentation wertvolle Hilfe leisten.
Nur durch einen kontinuierlichen Verbesserungs Prozess KVP, in welchem die «Learnings» der abgewickelten Beschaffungsprojekte wieder in die Beschaffungsorganisation und in das Beschaffungshandbuch einfliessen, wird eine laufende Professionalisierung mit hoher Wertschöpfung möglich.
Fazit
Erfolg macht Spass und beflügelt. Überlassen Sie Ihren Erfolg nicht dem Zufall.
Geben Sie sich die Zeit für eine gute Grundsteinlegung und bauen Sie Ihre ICT Beschaffungskompetenz systematisch auf.