E-Government: Verwaltung im Wandel
Thomas Reitze, Microsoft Schweiz und Co-Leiter der SwissICT Fachgruppe eGovernment
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/16
Unternehmen bewegen sich in der Wissensökonomie von heute weit agiler als noch vor wenigen Jahren, sie etablieren flexible und vernetzte Formen der Zusammenarbeit und passen Organisation und Prozesse kontinuierlich an die Anforderungen dynamischer Märkte an. In den kommenden Jahren geraten traditionelle Formen der Unternehmensführung, gemeinhin auch old economy genannt, mehr und mehr unter Druck. Der clevere Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien – es ist bereits eine Binsenwahrheit – ist eine Grundvoraussetzung zukunftsgewandter Unternehmensführung. Und was für Unternehmen gilt, gilt ebenso für die öffentliche Hand, für Verwaltungen und Behörden – auch wenn die Vorzeichen nicht gänzlich identisch sind.
Neben wirtschaftlichen Aspekten müssen Verwaltungen aber auch gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigen, damit ihre Dienstleistungen den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen. Gerade in den westlichen Industrienationen bieten das Internet und seine «Begleiterscheinungen» wie E-Shopping, Telearbeit oder E-
Learning neue Möglichkeiten der Lebens- und Arbeitsgestaltung; losgelöst von fixen Strukturen, gefördert bisweilen auch durch virtuelle Ersatzwelten und Community-Erfahrungen wie «Second Life». Damit wächst eine neue Generation von Bürgern heran, die eine hohe Affinität zur Technologie haben und für die die Verwaltungen und Behörden heute noch schlecht gerüstet sind. Zu dieser Gruppe zählen auch die sogenannten «Millennials»: Jugendliche und junge Erwachsene, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurden und die den selbstverständlichen Umgang mit digitalen Technologien und multimedialen Inhalten bereits mit der Muttermilch eingesogen haben.
Während die Verwaltungen in den Industrienationen mit weniger Ressourcen mehr leisten müssen, stehen Entwicklungs- und Schwellenländer vor zusätzlichen Herausforderungen. Dramatisch ist die Lage in Ländern mit einer hohen Verbreitung von HIV/AIDS-Infektionen. Zur menschlichen Tragödie hinzu kommen verheerende wirtschaftliche Auswirkungen. Wie überleben kleine Unternehmen, wenn ein hoher Prozentsatz von gut ausgebildeten Arbeitern fehlt? Wie wird der Wissenstransfer unter diesen Bedingungen sichergestellt? Welche Dienstleistungen muss der Staat diesen Unternehmen zur Verfügung stellen, damit sie fortbestehen können? E-Government kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Behörden auch unter schwierigsten Verhältnissen ihre Aufgaben erfüllen können.
Die Schweiz investiert intensiv in Informations- und Kommunikationstechnologien, verfügt über ein dichtes Netz an Breitbandanschlüssen und gilt als innovationsfreudig. Dennoch schneidet das Land in internationalen E-Government-Vergleichen schlecht ab. Gehört die Schweiz also zu den notorischen Nachzüglern in Sachen E-Government? Darauf weist einmal mehr der E-Government-Barometerbericht der Universität St. Gallen hin. Die Umfrage kommt zum Schluss, dass das Online-Angebot für Transaktionen immer noch auf tiefem Niveau steht, es allerdings kontinuierlich wächst. E-Government ist hierzulande kein Selbstzweck, sondern wird bei Bedarf unaufgeregt in Angriff genommen.
Überraschend am diesjährigen Barometerbericht – der auf einer Umfrage im Herbst 2006 beruht – ist, dass die Bedeutung von E-Government für die Verwaltungsführung in den vergangenen zwei Jahren tendenziell eher abgenommen hat. Hapern tut es vor allem bei den Gemeinden. Zwei Drittel der Befragten haben keine explizite E-Governmentstrategie und nur für 23 Prozent ist die elektronische Verwaltungsführung ein zentrales Thema – bei Bund und Kantonen sind es immerhin 60 respektive 70 Prozent.
Auch wenn die Schweiz nicht zu den Spitzenreitern gehört, zeigt das aktuelle Barometer doch auch Ermutigendes: Die überwiegende Mehrheit der Befragten auf allen Ebenen fühlt sich gut vorbereitet für E-Government. Die Behörden und Verwaltungen verfügen über gut ausgebildete Mitarbeitende, über die technische Ausrüstung und sogar über genügend finanzielle Ressourcen, wenn es darauf ankommt. Was oftmals fehlt, ist ein pragmatischer Grund für den Beginn von E-Governmentprojekten. Erst wenn konkrete Bedürfnisse aufkommen wie etwa der altersbedingte Ersatz von Systemen, wird das Thema elektronische Verwaltungsführung aktiv angegangen.
Diese Bedächtigkeit könnte nun aber bald der Vergangenheit angehören. Nach dem Vorliegen der E-Government-Strategie des Bundes geht es nun auch mit der Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz rasch voran. Diese Vereinbarung wurde von der Plenarversammlung der Konferenz der Kantonsregierungen wie auch vom Bundesrat bereits verabschiedet. Sie regelt das gemeinsame Vorgehen von Bund, Kantonen und Gemeinden bei der Umsetzung der E-Government-Strategie Schweiz für die Jahre 2007 bis 2011.
Kern ist ein Steuerungsausschuss mit hochrangigen Vertretern aus Bund –aktuell die Bundesrat Hans-Rudolf Merz (Vorsitz) und Bundesrätin Doris Leuthard sowie Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz –, Kantonen und Gemeinden. Eine Geschäftsstelle E-Government Schweiz wird beim Informatikstrategieorgan Bund (ISB) angesiedelt und koordiniert als Stabsstelle des Steuerungsausschusses die Umsetzung der Strategie. Zur Organisation gehören zudem ein Expertenrat der Schweizerischen Informatikkonferenz mit Vertretern aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft sowie der Standardisierungsverein eCH.