Longhorn virtualisiert flexibler

Auch bei Microsoft gehört die Virtualisierung zu einem wichtigen Bestandteil der Serverstrategie. Wir zeigen, was Redmond mittelfristig in diesem Bereich plant.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/05

     

Virtualisierung ist eines der wichtigsten und spannendsten Themen der IT. Statt für jedes Betriebssystem mit seinen Anwendungen einen isolierten Server zu verwenden, werden auf einer physischen Maschine mehrere «virtuelle» Systeme bereitgestellt, auf denen gleiche oder unterschiedliche Betriebssysteme mit ihren Anwendungen ausgeführt werden können. Man spricht dabei von einem Host-Betriebssystem und den Guest-Betriebssystemen. Das Host-Betriebssystem bildet die Basis, über die beispielsweise auch die verschiedenen Guests gesteuert werden. Die Guest-Betriebssysteme wiederum sind die eigentlichen, produktiv genutzten Systeme.
Die Virtualisierung macht Sinn, weil man eine Hardware optimal ausnutzen kann und gleichzeitig ein hohes Mass an Isolierung zwischen den verschiedenen Guest-Betriebssystemen erreicht. Wenn man sich die Probleme vor Augen führt, die bei der Ausführung vieler verschiedener Serveranwendungen innerhalb eines Betriebssystems entstehen können, spricht vieles für diesen Ansatz. Zudem hat sich die Virtualisierung auch in Entwicklungs- und Testumgebungen etabliert, wo man sehr viele verschiedene Systemumgebungen für die Nutzung auf einem Hardwaresystem konfigurieren kann.


Microsoft Virtual Server

Microsoft hat bisher mit VirtualPC als Einsteigerprodukt für den Betrieb auf Arbeitsstationen und mit dem Virtual Server für die Virtualisierung von Serveranwendungen zwei Produkte im Bereich der Virtualisierung. Aktuell gibt es den Virtual Server 2005 als Release 2 mit einer Reihe von Erweiterungen. Für diesen ist im laufenden Jahr ein Service Pack geplant.
Um diese Infrastrukturen besser verwalten zu können, steht für das zweite Halbjahr dieses Jahres zudem der Virtual Machine Manager (VMM) auf dem Programm, mit dem man virtuelle Maschinen besser verwalten können soll. Dabei geht es beispielsweise darum, ohne grossen Aufwand Kopien von virtuellen Maschinen erstellen oder die Zuordnung virtueller Maschinen zu unterschiedlichen Hosts einfacher steuern zu können.






Die Architektur von Virtual Server 2005


Windows Virtualization - der Hypervisor

Der zweite Ansatz, den Microsoft verfolgt, soll etwa sechs Monate nach dem Release des WindowsServer «Longhorn» auf den Markt kommen. Die Windows Virtualization wird ein Hypervisor-Konzept verfolgen und ist – im Gegensatz zur Host-basierten Virtualisierung beim Virtual Server – in die Kategorie der Paravirtualization-Produkte einzuordnen. Das liegt daran, dass die Guest-Betriebs­systeme eine spezielle API für das Zusammenspiel mit den zentralen Managementfunktionen nutzen müssen.
Die Hypervisor-Technologie bedeutet, dass unterhalb des Windows Server «Longhorn» eine Schicht arbeitet, auf die die Guest-Betriebssysteme direkt aufsetzen. Die erste virtuelle Maschine mit dem Longhorn-Server wird als «Parent» bezeichnet, alle anderen virtuellen Maschinen sind «Childs». Diese werden vom Parent aus verwaltet. Sie nutzen virtuelle Festplatten und greifen auch sonst auf die über den Hypervisor virtualisierte Hardware zu.





Im Gegensatz zum Ansatz des Virtual Server scheint das zunächst relativ kompliziert zu sein. Immerhin können die Guests beim Virtual Server unmodifiziert ausgeführt werden. Allerdings wird hier für die Guests eine spezielle virtuelle Hardware mit bestimmten Prozessoren, BIOS-Einstellungen, Grafik- und Netzwerkkarten bereitgestellt. Bei einem Hypervisor-Ansatz werden dagegen die eigentlichen Zugriffe virtualisiert. Sowohl der Parent als auch die Children (Guests) sehen aber genau die Hardware, die auch tatsächlich vorhanden ist.
Damit müssen in den Gast-Betriebssystemen auch keine speziellen Treiber mehr installiert werden, wie es beispielsweise bei der Vmware Workstation der Fall ist – und wie es auch beim Virtual Server erforderlich wäre, wo aber für manche denkbaren Guest-Betriebssysteme die eigentlich erforderlichen Treiber fehlen.
Wichtig ist auch, dass die Hypervisor-Technologie die Erweiterungen Intel VT und AMD-V unterstützt, mit denen Virtualisierungsfunktionen teilweise direkt von der Hardware unterstützt werden. Damit werden die potentiellen Performance-Nachteile durch die Virtualisierung minimiert. Allerdings soll es diese Unterstützung auch beim geplanten Service Pack 1 für Virtual Server 2005 geben.






Die Architektur von Windows Virtualization


Windows und Xen

Eine der wichtigsten Ankündigungen von Microsoft in den letzten Jahren hängt eng mit der Virtualisierungsstrategie zusammen. Bei der Vorstellung der Zusammenarbeit von Microsoft und Novell nahm das Zusammenspiel von Xen, einem Open-Source-Ansatz für die Hypervisor-basierende (Para-)Virtualisierung, und Microsofts Hypervisor-Technologie grossen Raum ein. Letztlich geht es darum, dass virtuelle Maschinen, die auf der einen oder anderen Plattform definiert wurden, auf der jeweils anderen Umgebung ebenfalls nutzbar sind. Ein Nebeneffekt davon ist, dass auch Linux-Systeme als Guests der Microsoft Windows Virtualization genutzt werden können. Das kommt den Anwendern entgegen, denn in sehr vielen Unternehmen muss und will man heute Windows- und Linux-Systeme parallel nutzen.


Der «richtige» Ansatz

Nachdem Microsoft nun zwei verschiedene Modelle für die Virtualisierung unterstützt, stellt sich die Frage, welcher der beiden der richtige Weg ist. Mittelfristig ist die Tendenz klar vorgegeben: Die Hypervisor-Technologie der Microsoft Windows Virtualization wird der dominierende Ansatz sein. Das ist grundsätzlich auch sinnvoll, weil der Overhead des eigentlichen Host-Betriebssystems entfällt.
Im Gegensatz zur Architektur von Virtual Server läuft der Parent aber parallel zu den Children und nicht unterhalb der virtuellen Maschinen mit entsprechend mehr Verwaltungsaufgaben. Dadurch kann der Parent selber ebenfalls als produktives System und nicht nur als Host-Betriebssystem genutzt werden (siehe auch das Diagramm «Die Architektur von Windows Virtualization»).
Durch die Zusammenarbeit mit Novell und die schon vorher beschlossene Partnerschaft mit Xensource als einem der wichtigsten Anbieter von Xen-Implementierungen ist das Hypervisor-Konzept zudem das, das auch das Zusammenspiel mit Linux am besten gewährleistet. Linux wird zwar seit dem Release 2 des Virtual Server ebenfalls unterstützt. Aber die Zukunft liegt klar beim Hypervisor-Konzept.
Interessant sind auch die Erweiterungen bei der Lizenzierung für virtuelle Systeme. Der Windows Server 2003 R2 erlaubt in der Enterprise Edition die Nutzung von bis zu vier virtuellen Instanzen auf einem System. Die Datacenter Edition des Windows Server «Longhorn» wird sogar unlimitierte virtuelle Maschinen zulassen. Ausserdem wird es für verschiedene Server-Anwendungen zukünftig eine Lizenzierung pro virtuellem Prozessor geben.
Eines macht die Virtualisierungsstrategie von Microsoft aber deutlich: Die Zukunft liegt bei virtuellen Systemen und damit bei einem Ansatz, den es schon seit mehr als 40 Jahren gibt. Denn die Virtualisierung ist ein Konzept, mit dem sich Hardware-Ressourcen sehr gut nutzen lassen, ohne dabei potentielle Konflikte zwischen unterschiedlichen Anwendungen in Kauf nehmen zu müssen.


Die verschiedenen Virtualisierungsmethoden

Wie bei fast allen Technologien gibt es auch bei der Virtualisierung eine ganze Reihe unterschiedlicher Methoden. Grundsätzlich geht es dabei darum, dass man die physischen Spezifika von Hardware abstrahiert, so dass man beispielsweise auf einem Server mehrere parallele Betriebssysteme einsetzen kann, die jeweils meinen, sie wären das einzige System. Die Grundidee ist dabei keineswegs neu. IBM hat beispielsweise schon in den 60er Jahren intensiv mit diesen Technologien gearbeitet.
Im Laufe der Zeit haben sich viele neue Ansätze entwickelt. Dazu zählen die Emulation, also die Simulation einer anderen Hardware, die vollständige Virtualisierung für die Ausführung unveränderter Betriebssysteme, die teilweise Virtualisierung insbesondere von Adressräumen für Anwendungen, wie sie auch von Windows und Linux genutzt wird, die Paravirtualisierung mit speziellen Anpassungen für die Gast-Betriebssysteme und die Virtualisierung auf Betriebssystem-Niveau, bei der mehrere virtuelle Maschinen das gleiche Betriebssystem nutzen.
Am wichtigsten dabei sind die vollständige Virtualisierung (auch Host-basierte Virtualisierung genannt) und die Para-Virtualisierung. Erstere wird beispielsweise von der Vmware Workstation und dem VMware Server unterstützt, aber auch von Microsofts VirtualPC und Virtual Server. Bei der Paravirtualisierung wird dagegen zumindest in Ergänzung eine spezielle API verwendet, die explizit in den Gast-Betriebssystemen implementiert werden muss. In diese Gruppe sind Lösungen wie Xen und der Microsoft Hypervisor einzuordnen.




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