Machine Learning findet sich in etwa 77 Prozent der Geräte und Apps, die wir benutzen. So nutzen beispielsweise Mitfahr-Apps wie Uber und Lyft Daten, um Wartezeiten zu verringern, die Nachfrage vorherzusagen und die Preisgestaltung zu optimieren. Online-Shopping-Seiten nutzen ML, um Suchergebnisse anzupassen und Produktempfehlungen zu verbessern. Unternehmen, die Kredit- oder Debitkartentransaktionen durchführen, nutzen ML, um auf Betrug zu prüfen. Industrieunternehmen nutzen künstliche Intelligenz (KI) und ML-Dienste für die Anlagenverwaltung. Dazu gehört der Einsatz von Computer Vision für die Überwachung von Anlagen und die Erkennung von Defekten oder die Analyse von Daten zum Betriebsverhalten von Maschinen, um eine vorausschauende Wartung zu ermöglichen. Kundendienstorganisationen nutzen ML, um Telefonanrufe ihrer Kunden zu transkribieren und zu analysieren, um so die Stimmung ihrer Kunden zu bewerten und ihren Mitarbeitern Hilfestellungen in Echtzeit zu geben. Die Anwendungsmöglichkeiten von ML sind vielfältig, doch …
Was ist eigentlich Machine Learning?
Machine Learning ist der Prozess, bei dem Computer mithilfe mathematischer und statistischer Verfahren trainiert werden, um Muster in Daten zu finden und zu erkennen. So werden Trainingsmodelle erstellt, um auf der Grundlage historischer Daten immer genauere Vorhersagen und Rückschlüsse auf zukünftige Ergebnisse zu treffen. So kann ML beispielsweise dabei helfen, auf der Grundlage früherer Käufe und aktueller Verkaufszahlen die Wahrscheinlichkeit zu ermitteln, dass ein Kunde ein bestimmtes Produkt kauft, und ihm dieses vorschlagen.
Durch Machine Learning können Ergebnisse kontinuierlich verbessert werden, was bedeutet, dass Trainingsmodelle in fast jeden Entscheidungsprozess einfliessen können. Machine Learning kann unbegrenzte Datenmengen aufnehmen, zeitnahe Analysen und Bewertungen erstellen, Trends und Muster erkennen und Prognosen erstellen. Die Entwicklung von ML-Modellen ist ein iterativer Prozess. Das initiale Vorgehen gestaltet sich wie nachfolgend dargestellt. Wichtig dabei ist, dass mit dem Problem und nicht mit den technischen Möglichkeiten gestartet wird.
Häufig wird im gleichen Zusammenhang mit Machine Learning der Begriff künstliche Intelligenz verwendet. Als KI wird ein System bezeichnet, das in der Lage ist, menschliches Verhalten auf irgendeine Weise nachzuahmen. Es gibt zwei Kategorien von KI: die «enge oder schwache KI», bei der eine KI die menschliche Intelligenz in einem einzigen Kontext (ein Spezialgebiet wie z.B. Bilderkennung) imitiert und dabei dem Menschen oft überlegen ist. Und die «allgemeine oder starke KI», die ihre Intelligenz auf unterschiedliche Aufgaben anwenden kann und somit menschenähnlich funktioniert. Bisher ist es noch nicht gelungen, eine starke künstliche Intelligenz zu entwickeln. Auch die Diskussion, ob es überhaupt möglich ist, einem Computer menschliche intellektuelle Fähigkeiten wie logisches Denkvermögen und Entscheidungsvermögen beizubringen, hält weiter an.
Was ist der Unterschied zwischen ML und KI?
In der Praxis werden die beiden Begriffe oft synonym verwendet. In der Wissenschaft ist ML ein Teilbereich von KI. Künstliche Intelligenz nimmt Daten auf, zum Beispiel Wissen auf menschlicher Ebene, und ahmt die natürliche Intelligenz nach. Machine Learning hingegen beschäftigt sich mit dem selbstständigen Erschliessen von Zusammenhängen auf Basis von Daten. Deep Learning ist eine Unterkategorie von Machine Learning. Dabei handelt es sich um einen Ansatz für Machine Learning, mit mehrschichtigen neuronalen Netzen, die mit immer höherer Genauigkeit Muster in Daten erkennen und so menschliches Verhalten lernen, Gegenstände zu erkennen oder Sprache zu verstehen.
ML vs. klassische, regelbasierte Ansätze
Beim Machine Learning wird einem Computer beigebracht, Muster anhand von Beispielen zu erkennen, anstatt ihn mit spezifischen Regeln zu programmieren. Diese Muster können in den Daten gefunden werden. Mit anderen Worten: Bei Machine Learning geht es darum, einen Algorithmus automatisch aus Daten zu generieren und darauf basierend Vorhersagen zu machen (eine Form der «engen KI»). ML lernt aus Daten und kann für ungesehene, zukünftige oder neue Daten wiederverwendet werden, ohne dass der Code neu geschrieben werden muss. Bei der klassischen Programmierung muss im Gegensatz jede Entscheidung ausprogrammiert werden – man muss den Algorithmus «manuell» entwickeln.
Wie funktioniert Machine Learning?
Es gibt drei Hauptkategorien des maschinellen Lernens. Je nach Anwendungsfall kommt eine der nachfolgenden Kategorien zur Anwendung:
- Supervised Learning ist eine Methode, bei der Input- und Output-Daten absichtlich bekannt sind und das System lernt, wie diese zusammenhängen. Ziel ist es, eine Funktion zu erzeugen, die es ermöglicht, den Output vorherzusagen, wenn ein neuer Input erfolgt. Darunter fallen die Klassifizierung von Dokumenten oder die Regression – beispielsweise die Vorhersage der Nachfrage nach einem Produkt.
- Unsupervised Learning ist eine Methode, bei der nur Input-Daten ohne entsprechende Output-Daten benutzt werden. Das Ziel ist die Erkennung von Mustern und Strukturen. Beim Clustering kann beispielsweise eine Kundensegmentierung vorgenommen werden, bei der Assoziation erkennt ML beispielsweise Regelmässigkeiten zwischen Produkten.
- Reinforcement Learning ist eine Methode, bei der das Trainingsmodell von seiner Umgebung lernt, indem es für richtige Züge belohnt und für falsche Züge bestraft wird (Trial-and-Error). Ein Beispiel hierfür ist autonomes Fahren.
Anwendungsbeispiele von Machine Learning
Machine Learning kann durch ausgefeilte Bedarfsplanungs- und Prognosemodelle für mehr Effizienz sorgen. Mithilfe einer Cloud-basierten Bestelllösung optimiert Dominos Pizza den Bestellprozess so, dass eine Pizza innerhalb von drei Minuten nach der Bestellung zur Abholung bereitsteht oder innerhalb von zehn Minuten garantiert geliefert wird. Intelligentere Entscheidungsfindung auf der Grundlage von historischen Daten, die durch Machine Learning nutzbar werden, können Unternehmen und ihren Mitarbeitern zu schnelleren Entscheidungen verhelfen, um Chancen früher zu nutzen und bessere Ergebnisse zu erzielen. So nutzen Kundendienstmitarbeiter von T-Mobile KI, um schnell auf Informationen zuzugreifen, die für die aktuellen Kundenbedürfnisse relevant sind. Indem T-Mobile den Kundenbetreuern kontextbezogene Informationen in Echtzeit zur Verfügung stellt, kann das Unternehmen sicherstellen, dass die Probleme der Kunden schnell und präzise gelöst werden.
Machine Learning kann bestehende Produkte bereichern, die Kundenbindung verbessern und neue Nutzer durch bessere Kundenerfahrungen anziehen. Livongo etwa ist eine Plattform und Mobile App, die mit intelligenten Geräten wie einem vernetzten Blutzuckermessgerät zusammenarbeitet, um Menschen bei der Bewältigung medizinischer Probleme zu unterstützen. Die Plattform nutzt dabei Machine Learning, um Daten aus Blutzuckermessungen, körperlicher Aktivität und Nahrungsaufnahme sowie Smartphone-Bewegungsdaten in zeitnahe und umsetzbare Gesundheitsempfehlungen zu übersetzen. Diese personalisierten Empfehlungen zu Ernährung, Bewegung und Medikamenten, die den Kunden in Echtzeit auf ihren verbundenen Geräten zugestellt werden, helfen Komplikationen zu vermeiden und sparen so dem Gesundheitssystem (und ihnen selbst) Geld.
Mit Machine Learning können Unternehmen Daten nutzen, um revolutionäre Ideen zu entwickeln und neue Produkte auf den Markt zu bringen. Convoy hat die LKW-Branche durch die Einführung eines auf Machine Learning basierenden Modells zur Automatisierung der Logistik auf den Kopf gestellt. Die Lösung von Convoy sorgt für eine bessere Abstimmung zwischen Versendern und Spediteuren, sodass die Fracht effizienter transportiert werden kann und die Kosten für beide Parteien sinken.
Wenn Machine Learning mit den richtigen Strategien eingesetzt wird, können die Flexibilität erhöht, Prozesse rationalisiert, Entscheidungen schneller getroffen, Produkte verbessert und entsprechend der Umsatz gesteigert werden. Obwohl es Machine Learning schon seit Jahrzehnten gibt, ist es relativ neu, dass es als Werkzeug zur Umgestaltung von Unternehmen eingesetzt wird. Zwei Dinge ermöglichen überhaupt den breiten Einsatz von ML: Unternehmen erheben Daten in grossen Mengen und die erforderliche Rechenleistung steht kostengünstig zur Verfügung.
Der Autor
Christoph Schnidrig ist Solutions Architect Manager bei
Amazon Web Services. Nach der Ausbildung zum Informatiker TS und einem Nachdiplomstudium in Wirtschaft arbeitete Schnidrig in verschiedenen Positionen als Systems Engineer und als Ethical Hacker. Danach war er für 14 Jahre beim amerikanischen Speicherhersteller Netapp tätig, wo er das Systems Engineering leitete und als Field CTO amtete. Seit bald 2,5 Jahren arbeitet er als Senior Manager Solutions Architecture bei AWS in Zürich.
Christoph Schnidrig ist Solutions Architect Manager bei Amazon Web Services. (Quelle: AWS)