Sicher im Internet? Sicher?!?» wird man auf der Website von
Silenccio als erstes gefragt. «Onlineshop-Betrug, Mobbing, Phishing und Hacking sind reale Bedrohungen», heisst es weiter. Die rhetorische Natur der einleitenden Frage ist unüberhörbar und bekannterweise auch nicht unberechtigt – im Prinzip ist jeder von uns ein potenzielles Opfer dieser digitalen Gefahren.
«Silenccio ist das erste Produkt auf dem Schweizer Markt, welches für Privatpersonen umfassende Präventions- und Interventions-Services anbietet. Wir bieten dauerhafte Sicherheit durch kontinuierliches Monitoring. Der User wird in Echtzeit durch Push-Benachrichtigungen auf Sicherheitslücken aufmerksam gemacht. Sollte es einmal zu Problemen kommen, intervenieren wir in seinem Namen, der Kunde muss sich damit um nichts selbst kümmern», fasst CEO Katrin Sprenger das Angebot des Zürcher Start-ups zusammen. Auch im europaweiten Vergleich gebe es zwar vereinzelte Anbieter, welche einen ähnlichen aber bei Weitem nicht so umfassenden Rundumschutz bieten.
Die Services, die Silenccio heute anbietet, umfassen im Kern zwei Elemente: Zum einen das Herzstück der Silenccio-Technologie – eine ausgeklügelte Monitoring-Lösung kombiniert mit Interventionen –, zum anderen die ergänzenden Versicherungen des Versicherers Axa.
Verrohung im Netz
Von diesen Elementen gehört historisch gesehen nur ersteres zum Kerngeschäft von
Silenccio. Gegründet wurde das Start-up 2017, damals kehrte einer der Gründer gerade aus den USA zurück. Im Rahmen seines Aufenthalts sammelte er eine recht grosse Menge an Parkbussen und wurde dafür kräftig zur Kasse gebeten. Gleichzeitig lief der US-Wahlkampf auf Hochtouren und die Kommentarspalten füllten sich bekannterweise mit absurden und aggressiven Kommentaren. Sein Fazit: «Es kann nicht sein, dass man fürs Falschparken gebüsst wird, sich im Netz aber so aufführen darf, wie man das im realen Leben niemals könnte.»
Zurück in der Schweiz startete er in der Folge gemeinsam mit einem Kollegen und einem IT-Experten mit der Entwicklung eines Monitoring-Tools für ebensolche Online-Beiträge, die die Grenze des gesunden Menschenverstands oder gar der Legalität überschreiten. «Das ist vergleichbar mit den marktüblichen Monitoring-Tools für Social Media, wie sie bei Unternehmen auch eingesetzt werden», erklärt Sprenger. Eine spezielle Herausforderung kristallisierte sich nach dem Launch der ersten Silenccio-Version 2018 rasch heraus: Nämlich die Frage, welche Taten dem Finden und einer eventuell nicht erfolgreichen Intervention eines kritischen Inhalts folgen sollen. CEO Sprenger: «Das braucht letztlich eine Rechtsschutzversicherung. Und da kam dann Axa-Arag ins Spiel.»
Axa-Arag übernahm für Silenccio den Versicherungsteil der Services, gemeinsam gewannen sie im Herbst den Innovationspreis der Schweizer Assekuranz und Axa kaufte sich im Sommer 2019 mit einer Beteiligung in ungenannter Höhe ins aufstrebende Start-up ein.
Die finanzielle Basis für die Weiterentwicklung der Services war mit einem Unternehmen wie Axa im Hintergrund gesichert. Gemeinsam mit dem Versicherer machte man sich an die Weiterentwicklung des Produkts, das im April 2020 unter dem Namen Cyberversicherung Plus live gegangen ist.
Etwas herausfordernd, so Katrin Sprenger rückblickend, war das Finden eines Gleichschritts zwischen dem Grossunternehmen und dem Start-up: «Der Prozess, das Produkt zu lancieren, musste unserem agilen Start-up-Anspruch genügen, aber eben auch den durchdachten Prozessen von Axa. Das haben wir nicht nur in den Griff bekommen, sondern konnten die Vorteile beider Strukturen miteinander verbinden und daraus entstehende Synergien nutzen.»
Das Team von Silenccio besteht heute aus sechs Personen, darunter sämtliche Gründer, die mit ihren unterschiedlichen Spezialisierungen an der Entwicklung des Angebots mitwirken. Die Umsetzung der Plattform wurde in Zusammenarbeit mit externen Entwicklern realisiert.
Modularer Aufbau
Die Silenccio-Services sind Bestandteil der Pakete Shopping, Mobbing sowie Phishing & Hacking. Diese können auf Wunsch auch modular zusammengestellt werden, angepasst auf die Kundenbedürfnisse.
Mit dem Modul Shopping will
Silenccio seinen Nutzern ein Werkzeug an die Hand geben, welches vor Fehlkäufen und Betrug beim Online-Shopping schützt. Dazu wurde eine Browser Extension entwickelt, die den aktuell besuchten Shop nach verschiedenen Kriterien bewertet und gegebenenfalls eine Warnung herausgibt. «Wir bieten dem User Unterstützung, damit er beim Online-Shopping im Idealfall gar nicht erst Probleme bekommt», so Sprenger. Die Silenccio Extension prüft basierend auf echten Kundenbewertungen und warnt den Kunden, bevor er einen Kauf abschliesst. Sprenger: «Das hat aber nichts mit Bevormundung zu tun, wir sprechen nur Empfehlungen aus.» Und falls der Kunde im zweifelhaften Shop trotz allem eine Bestellung macht und damit beispielsweise versehentlich eine Fälschung kauft, ziehen die weiteren Schutzmechanismen sowohl der Interventionen als auch der Versicherungsseite.
Das zweite Modul – Mobbing genannt – soll die Silenccio-Kunden im Netz vor Hasskommentaren und persönlichen Affronts schützen. «Auf Silenccio kann man seine Social Media Accounts mit unserer Plattform verknüpfen, weiter gibt man Keywords an, nach denen man suchen will», erklärt Sprenger. «Einmal pro Tag durchsucht Silenccio das öffentlich zugängliche Netz nach diesen Keyword-Kombinationen sowie die eigenen Social Media Accounts.» Im Falle eines Fundes – sprich entweder einer Keyword-Kombination oder einem Affront auf einer Plattform – erhält der User eine automatisch generierte Nachricht. Diese Suchfunktionen reichen recht weit, wie Katrin Sprenger am Beispiel eines Kommentars auf einem Nachrichtenportal erklärt: «Wenn unter Ihrem Kommentar mit Klarnamen eine Diskussion entbrennt, die plötzlich persönlich und negativ wird, bekommen Sie ebenfalls eine Meldung.» Der Kunde kann den Einzelfall im Anschluss entweder ignorieren oder weiterverfolgen. Silenccio geht im Falle einer Weiterverfolgung dann auf den Verfasser zu und fordert diesen auf, den Kommentar zu löschen. Sollte das nach zweimaliger Ermahnung nicht funktionieren, wird die Plattform kontaktiert und um Löschung gebeten. Und wenn das immer noch nicht fruchtet, geht der Fall auf Wunsch des Kunden zu Axa-Arag und wird damit zum Rechtsfall. Bei den Plattformen, die keine Schnittstelle bieten oder im privaten Kontext verwendet werden (wie Tiktok oder Whatsapp) kann man als Kunde manuell Screenshots einreichen, die dann eine Mahnung oder gar rechtliche Schritte nach sich ziehen können. «Wir versuchen natürlich, so viel wie möglich zu automatisieren. Aber da, wo das nicht geht, kann sich der Kunde proaktiv melden», fasst Sprenger zusammen.
Das dritte Modul – Phishing & Hacking – schützt die User schliesslich vor Cyber-Angriffen aller Art. Indem man seine E-Mail-Adresse hinterlegt, kann Silenccio automatisiert Warnungen herausgeben, wenn ein Account mit der hinterlegten E-Mail-Adresse von einem Security Breach betroffen ist. Auch können verdächtige E-Mails auf Phishing-Versuche geprüft werden. Dies geschieht per proaktiver Abfrage des Kunden, Silenccio bewertet die zweifelhafte E-Mail dann automatisiert. Eine völlig automatisierte Lösung steht bei Silenccio aber auf der Roadmap. Falls trotz den Schutzmechanismen doch etwas passieren sollte, stehen auch hier die Interventions-Services und Versicherungsdienste als zweite und dritte Schutzebene zur Verfügung.
Kosten und Datenschutz
Ein Einpersonenhaushalt zahlt bei
Silenccio mit allen verfügbaren Modulen derzeit weniger als 100 Franken pro Jahr, die Summe ändert sich mit der Anzahl der gewählten Module und Versicherten. «Kinder sind automatisch mit drin, ausserdem gibt es Rabatte, wenn der Service für einen Mehrpersonenhaushalt bezogen wird», ergänzt Sprenger.
Verwaltet werden die Silenccio-Services von User-Seite auf der eigenen Silenccio-Plattform, der Zugang erfolgt geschützt über das Axa-Portal. Hier kann man etwa die Ergebnisse der Scans im Mobbing-Modul einsehen oder neue Keywords hinzufügen. Bei Vorfällen wird der User per Mail (und zukünftig auch per SMS oder Whatsapp) informiert. Kritische Daten bleiben aber immer auf der Silenccio-Plattform. Einzig die Browser Extension aus dem Shopping-Modul muss sich der Kunde lokal installieren.
Datenschutztechnisch sind weder die Extension noch das restliche Monitoring bedenklich, versichert Sprenger: «Wir bauen kein Überwachungswerkzeug, das möchte ich betonen. Wir scannen nur, was auch Sie scannen könnten.»
Ausbau geplant
Vorläufig will sich
Silenccio auf die Stabilisierung und die Feinjustierung der kürzlich aufgeschalteten Plattform konzentrieren. Ebenfalls wichtig ist der Start in den Online-Vertrieb im Sommer 2020. «Wir werden beobachten, wie die einzelnen Services bei den Kunden ankommen und entsprechend reagieren», so Sprenger. «Dort werden wir anschliessend ausbauen, das kann etwa in die Richtung der schon angesprochenen automatisierten Phishing-Erkennung gehen.»
Während der erste Release von Silenccio sich noch an Private und Unternehmen richtete, fokussierte man sich mit dem zweiten Release nun ausschliesslich auf Privatkunden. «Es ist aber definitiv nicht ausgeschlossen, dass da auch ein Produkt für Unternehmen folgen könnte», kommentiert Katrin Sprenger abschliessend.
(win)