Business-Applikationen im Kommunikationsrausch

Enterprise Application Integration ist eine der grossen Herausforderungen in der IT-Welt. InfoWeek stellt Strategien und Lösungen des Anbieters TIBCO vor.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/15

     

Die Integration verschiedener Systeme ist heute zu einer Kernherausforderung insbesondere für grosse Unternehmen geworden. Legacy-Systeme, die auch den Jahrtausendwechsel überlebt haben, verschiedene ERP-Systeme in Konzernbereichen oder für unterschiedliche Aufgaben wie den Finanz- und den Personalbereich, Datenbanken mit Geschäftsdaten, CRM-Lösungen und viele weitere Systeme müssen miteinander verbunden werden. Dabei geht es einerseits um den Zugriff von Anwendern auf Informationen, die aus mehreren solcher Systeme stammen. Andererseits geht es aber auch darum, dass Änderungen in einem System Prozesse in einem anderen System auslösen müssen.




Diese Integration, als Enterprise Application Integration (EAI) bezeichnet, ist komplex. Sie setzt nicht nur den Zugang zu den Systemen voraus, sondern insbesondere auch das Wissen um Datenformate und die Fähigkeit, Informationen in die Zielformate umzusetzen und nach definierten Regeln zu verarbeiten.


Von zentralen Plattformen zum Netz

Im Laufe der letzten Jahre haben sich eine Reihe von Ansätzen für die Integration von Systemen entwickelt. In der Praxis stehen dabei heute Web Application Server im Mittelpunkt. Gerade die führenden Hersteller wie IBM und BEA bieten eine Vielzahl von Schnittstellen zu ERP-Systemen und Datenbanken, aber auch zu Integrationsplattformen wie Transaktionsmonitoren und Message-Queuing-Systemen an. Transaktionsmonitore sind dabei der klassische Weg für Integrationslösungen, während Message-Queuing-Lösungen wie IBMs MQ Series wiederum mit Nachrichten arbeiten, die zwischen verschiedenen Systemen ausgetauscht werden.



Das Stichwort Queue weist aber schon darauf hin, dass hier auf eine asynchrone Kommunikation fokussiert wird.




Bei TIBCO steht dagegen eine zuverlässige Realtime-Kommunikation zwischen Systemen über Nachrichten im Mittelpunkt. Generell können Messaging-Lösungen als eine Art E-Mail für Anwendungen verstanden werden. Diese Technologien gewinnen zur Zeit durch Entwicklungen wie JMS (Java Message Service) als eine Standard-API bei J2EE und SOAP (Simple Object Access API) zunehmend an Bedeutung.



Diese Ansätze können in mehreren Dimensionen klassifiziert werden. Neben zentralen und verteilten Lösungen finden sich etwa auch synchrone und asynchrone Verfahren sowie aktive und passive Prozesse. Zentrale Lösungen setzen auf einem Server auf, über den dann von Anwendungen aus die Zugriffe auf verschiedene Back-End-Systeme erfolgen. Verteilte Lösungen arbeiten dagegen mit Informationen, die über das Netz zwischen verschiedenen Systemen ausgetauscht werden.



TIBCO spricht dabei in Analogie zur Computer-Hardware von einem Bus, der Komponenten verbindet. Agents in den einzelnen vernetzten Systemen überwachen diesen Bus und reagieren auf Nachrichten, die darüber transportiert werden. Synchrone Verfahren setzen voraus, dass die Anwendungen, von denen Informationen erfragt oder bei denen Änderungen vorgenommen werden, verfügbar sind.



Asynchrone Verfahren arbeiten dagegen mit Warteschlangen, in denen die auszutauschenden Nachrichten gespeichert werden. Sie garantieren, dass die Nachrichten zuverlässig und genau einmal an den Empfänger geliefert werden - aber nicht unbedingt sofort. Der Reiz von asynchronen Verfahren besteht darin, dass weniger Aufwand für die Fehlerbehandlung entsteht.



Aktive Verfahren schliesslich initiieren den Informationsaustausch dadurch, dass Änderungen in einer Anwendung sofort verteilt werden. Passive Ansätze erfragen dagegen regelmässig oder bei bestimmten Aktionen von Benutzern Änderungen und verarbeiten diese erst dann. Aktive Verfahren sind insbesondere dann interessant, wenn Änderungen sofort verteilt werden müssen. Eine Änderung eines Börsenkurses, die von Handelssystemen verarbeitet werden muss, ist ebenso ein Beispiel wie Informationen in Produktionsumgebungen, die von anderen Fertigungssystemen sofort verarbeitet werden müssen.



Passive Verfahren können solche aktiven Ansätze niemals ersetzen, da selbst bei einer sehr häufigen Abfrage kein Realtime-Verhalten entstehen kann. Dafür wird dann aber die Netzlast immer weiter in die Höhe getrieben.



Sowohl Web Application Server, die faktisch oft eine Weiterentwicklung von Transaktionsmonitoren sind, als auch klassische Transaktionsmonitore folgen einem passiven, zentralen Ansatz und arbeiten nach synchronen Verfahren. Message-Queue-Systeme arbeiten dagegen asynchron und eher verteilt, wobei die Messaging-Server immer noch eine zentrale Rolle spielen. TIBCOs Technologie unterstützt dagegen sowohl die aktive als auch die passive Kommunikation und arbeitet nach einem vollständig verteilten Ansatz. Die Kommunikation kann sowohl synchron als auch asynchron erfolgen.




Das Konzept TIBCO

Die Strategie von TIBCO erklärt sich am einfachsten, wenn man die Historie des Unternehmens betrachtet. Vivek Ranadivé, Gründer und CEO von TIBCO, hat die Basis der TIBCO-Technologien vor etlichen Jahren in einem Vorläuferunternehmen entwickelt.



Dieses hat Lösungen für den Finanzbereich geschaffen und wurde vor rund fünf Jahren von Reuters übernommen. Ranadivé hat dann mit Unterstützung unter anderem von Reuters und Cisco das Unternehmen TIBCO gegründet, um die Technologien weiterzuentwickeln.




Der erste Einsatzbereich der Realtime-Messaging-Technologien von TIBCO war die Wall Street. Bei Änderungen von Börsenkursen müssen Handelssysteme unverzüglich informiert werden, um Aktionen ergreifen zu können. Diese Verbindung von Systemen und die aktuelle Information über Änderungen wird über die Messaging-Technologien durchgeführt.



Der TIB (Tibco Information Bus) vernetzt Systeme miteinander. Änderungen in Ausgangssystemen können an andere Systeme aktiv kommuniziert werden. Sie lassen sich aber auch passiv vom Zielsystem abfragen. Auf Basis dieser Technologien ist es möglich, Systeme intelligent zu vernetzen. Ein aktiv handelndes Unternehmen kann entstehen, bei dem Änderungen gezielt an Systeme und Personen kommuniziert werden, um darauf reagieren zu können. TIBCO hat dazu um seine Basistechnologie herum gezielt weitere Lösungen entwickelt.



Dazu gehören insbesondere Werkzeuge für die Prozess- und Workflow-Steuerung, aber auch für die Unterstützung von E-Commerce-Portalen.



Die Basis stellen zwei Funktionen dar. Auf der einen Seite gibt es mit TIB/Rendezvous eine Überwachungstechnologie für den Bus. Diese steuert und kontrolliert den Informationsaustausch und stellt auch das Protokoll dar. Die eigentliche Kommunikation erfolgt dabei über Agenten, sogenannte TIB/Adapter. Diese stehen für eine Vielzahl von Systemen wie Datenbanken, ERP-Systemen und andere Anwendungsserver zur Verfügung. Weitere Agenten können mit dem TIB/Adapter SDK entwickelt werden.



Die Sicherung der Kommunikation kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Der einfachste Ansatz arbeitet auf der Ebene von TCP und analysiert, ob alle Pakete angekommen sind. Die Kontrolle kann aber auch von TIB/Rendezvous übernommen werden oder alternativ auch auf Back-End-Systeme, die miteinander vernetzt werden, ausgedehnt werden, um gezielt die Ausführung von definierten Transaktionen überwachen zu können.



TIBCO hat eine Reihe von prominenten Kunden. Dazu zählen beispielsweise Cisco im Bereich der Router-Kommunikation, Ariba für die Integration der B2B-Marktplätze, mySAP.com für die Integration mit anderen Plattformen oder auch Yahoo. Für alle diese Unternehmen werden Lösungen geliefert, mit denen Informationen im heterogenen Umfeld ausgetauscht werden können.



Ein anderer interessanter Kunde ist die Bechtel Corp., eines der weltgrössten Bauunternehmen. Änderungen in Bauprojekten ziehen eine Vielzahl von weiteren Änderungen nach sich. Um dieses Problem zu adressieren, verwendet Bechtel TIBCOs Technologien, um die verschiedenen eingesetzten Systeme zu vernetzen und damit auf Änderungen aktiv zu reagieren. Die Konsequenz sind signifikante Kostenreduzierungen, da schneller auf Änderungen reagiert wird und Planungen angepasst werden können.



In allen Fällen spielt aber der verteilte Ansatz und die aktive Kommunikation eine zentrale Rolle. Bei B2B-Marktplätzen lassen sich beispielsweise erfolgte Transaktionen an ERP-Systeme bei den Partnern des Marktplatzes weiterleiten. Das ist weitaus sinnvoller, als von Zeit zu Zeit beim Marktplatz abzufragen, ob irgendwelche Transaktionen durchgeführt worden sind. Cisco entwickelt auf Basis von TIBCO-Technologien neue Mechanismen für die Router-Kommunikation, mit denen Änderungen der Netzwerkstruktur in Echtzeit an die verbundenen Systeme kommuniziert werden können.



Der Business Value von EAI-Lösungen wird bei TIBCO besonders gut deutlich. Es geht nicht einfach darum, Systeme zu integrieren, sondern vielmehr darum, durch eine enge Integration und eine aktive Kommunikation von Systemen das Unternehmen zu schnellerem Handeln und kürzeren Reaktionen in einem dynamischen Markt zu bringen.




Das TIBCO-Produktportfolio

Die Produktpalette von TIBCO ist in drei Bereiche segmentiert: Die Basis bildet TIBCO ActiveEnterprise. Dort sind die grundlegenden Lösungen für die Realisierung von Messaging-Infrastrukturen eingeordnet. Anwendungen lassen sich mit Hilfe dieser Produkte integrieren und Geschäftsprozesse automatisieren.




• Als TIBCO ActivePortal bezeichnet das Unternehmen Lösungen für die Aggregation von Informationen und die Personalisierung für Webanwendungen und neue Arten von Endgeräten.





• TIBCO ActiveExchange schliesslich umfasst Lösungen für die B2B-Integration mit anderen Unternehmen und Marktplätzen. In allen Bereichen liefert TIBCO Infrastrukturlösungen. Das Unternehmen ist also beispielsweise nicht als Portalanbieter oder Lieferant von Auktionslösungen für Marktplätze aktiv, sondern in der Integration von Systemen.




• TIB/InConcert ist ferner eine Workflow-Lösung, mit der sich Prozesse mit manueller Interaktion abbilden und automatisieren lassen. Der Status der Workflows kann jederzeit überwacht werden.




• Der TIB/IntegrationManager fokussiert sich hingegen auf Prozesse, also automatisierte Abläufe zwischen Anwendungen ohne manuelle Interaktion. Mit dem Werkzeug lassen sich Prozesse und Schnittstellen zu Anwendungen einfach konfigurieren.




• TIB/MessageBroker ist eine Anwendung für die automatische Transformation von Nachrichten und die Abbildung von Geschäftsobjekten in unterschiedlichen Anwendungen. Import- und Exportformate werden damit validiert und transformiert.




• Die TIB/Adapter, die mit dem TIB/Adapter SDK entwickelt werden können, sind Schnittstellen zu unterschiedlichsten Produkten. TIBCO stellt eine sehr breite Palette an Adaptern bereit.




• Last but not least ist TIB/Rendezvous die Basisinfrastruktur für das Messaging und die Grundlage aller anderen Anwendungen von TIBCO. Die Überwachung von TIB/Rendezvous kann dabei über TIB/Hawk erfolgen.


Die Konkurrenz schläft nicht

Mittlerweile steht TIBCO mit seiner Technologie nicht mehr allein. Gerade im Umfeld von JMS gibt es mittlerweile eine Reihe von Lösungen für das Messaging. TIBCOs Stärke liegt aber in der langjährigen und umfassenden Erfahrung und in der beachtlichen Zahl von Adaptern, die das Unternehmen entwickelt hat. Ausserdem hat TIBCO ein breites Portfolio an ergänzenden Lösungen aufzuweisen.



Interessant ist insbesondere der JMS-Bereich. JMS definiert zunächst eine API zu Messaging-Systemen, für die auch TIBCO seine Unterstützung angekündigt hat. Gleichzeitig treten in diesem Markt aber auch immer mehr Anbieter von Messaging-Systemen auf. Sun hat selbst eine solche Serverlösung implementiert. Andere Anbieter sind unter anderem Fiorano und WebSemantix. Und mit dem absehbaren Trend hin zu Messaging-basierenden Lösungen für die Kommunikation zwischen verschiedenen Systemen im Unternehmen wird die Zahl von Anbietern noch deutlich steigen.




Deutlich wird bei der Analyse der Technologien von TIBCO aber insbesondere eines: Die Lösung für die Integration von Enterprise-Anwendungen liegt nicht in zentralisierten, sondern in verteilten Systemen. Diese bieten eine ungleich höhere Flexibilität.



Ohne Messaging-basierende Technologien lassen sich heterogene Strukturen nicht integrieren. Application Server werden dabei aber durchaus auch in Zukunft benötigt - zur Sicherung von Transaktionen und für Anwendungen. Sie sind aber nicht das zentrale Bindeglied aller Anwendungen - das ist das Netz, über das Nachrichten ausgetauscht werden.



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