Mobbing im Job: Terror bis zum Suizid

Schlechtes Betriebsklima und Unzufriedenheit der Mitarbeiter fördert Mobbing.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/14

     

In Zeiten von Kostensenkung, Leistungsdruck, Fusionen und Massentlassungen regiert die Angst. "Sobald allgemeine Ängste auftauchen, benutzen immer mehr Menschen ihre Ellbögen, um ungeliebte Kollegen loszuwerden," sagt Mechthilde Hov von der Gesellschaft für psychosozialen Stress und Mobbing (GpSM ist erreichbar über Telefon 01 286 64 38). Die Präsidentin stellt eine deutliche Zunahme der Mobbing-Opfer fest. "Betroffen sind besonders Branchen, die derzeit ein Konjunktural, grosse Umstrukturierungsmassnahmen oder Fusionen durchlaufen wie beispielsweise die IT-Branche".




Der Begriff "Mobbing" kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie angepöbelt und angemacht werden. Mit Mobbing ist ein ganzes Bündel von Handlungen gemeint: Schikanen, Beleidigungen, Erpressungen, Beschimpfungen, Anmache oder sexuelle Belästigungen. Die Auswirkungen dieser Handlungen, reduziertes Arbeitsvermögen, schlechte Teamarbeit, erhöhte Beanspruchung von Vorgesetzten und Psychologen, verursachen hohe Kosten. Laut dem Eidgenössischen Volkwirtschaftsdepartement (Seco) werden in der Schweiz jährlich Kosten von 4,2 Milliarden Franken durch arbeitsbedingten Stress verursacht. Der Löwenanteil davon geht auf Kosten von Mobbing.


Die Gründe für Mobbing

Gemobbt wird aus den verschiedensten Gründen - Frustration, Langeweile, Druck, Missgunst, Intoleranz, Angst um den Arbeitsplatz und anderes mehr. In der Regel stimmt in Unternehmen, in denen gemobbt wird, etwas grundsätzlich mit dem Betriebsklima nicht. So herrscht in solchen Firmen möglicherweise ein harter Konkurrenzkampf, und kollegiales Verhalten geht in Anonymität oder Angst unter. Oder die Führungsverantwortlichen versäumen es, sich um die Belange und Probleme ihrer Angestellten zu kümmern und betreiben eine systematische Vogel-Strauss-Politik. In diesem Fall sind die Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen auch noch auf sich alleine gestellt.



Dabei verpflichtet das Arbeitsrecht die Arbeitgeber, die Persönlichkeit der Angestellten zu schützen und ihnen gegenüber die Fürsorgepflicht wahrzunehmen. Doch das bleibt oftmals graue Theorie. Die meisten Mobbing-Handlungen sind nur schwer zu beweisen. In vielen Firmen wird präventiv orientiert. Es werden konkret Vorgehensweisen und Ansprechpartner bekannt gegeben, um im Falle von Mobbing den Opfern Gelegenheit zu geben, sich zu wehren. Diese Orientierungspflicht scheint aber nicht überall vonnöten. Bei Hewlett-Packard beispielsweise hat man bis jetzt noch keine Notwendigkeit gesehen, über Mobbing-Prävention zu informieren. Walter Zahnd, Human Resources Manager: "Wir verfügen über eine sehr offene Firmenkommunikation, die Mitarbeiter wissen auch so, an wen sie sich im Fall von Mobbing wenden können."




Die Führungskräfte sind verantwortlich dafür, dass Konflikte konstruktiv und menschenwürdig gelöst werden. Auseinandersetzungen sind notwendig, sie geben neue Impulse für Veränderungen. Innerhalb eines Betriebes sollte eine eigentliche Streitkultur aufgebaut werden.




Mobbing macht krank

Eines ist sicher, Mobbing macht krank. Die Opfer verlieren durch den anhaltenden Stress ihre Sicherheit. Damit sinken die Arbeitsleistungen. Die Angst am Arbeitsplatz wirkt sich auch auf das Privatleben aus. Die Beziehung zu Freunden und Familie verschlechtert sich.



Psychische Folgen sind Konzentrationsschwierigkeiten, Selbstzweifel, Reizbarkeit, Gedächtnisstörungen und Angstzustände. Aber auch Depressionen sind eine häufige Reaktion. Typische körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Atemnot, Magengeschwüre, Herz- und Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen oder im schlimmsten Fall ein Herzinfarkt können daraus resultieren. Auch die Flucht in die Sucht, also zum Alkohol oder Drogenmissbrauch kann eine Folge sein.




Im Extremfall endet Mobbing mit einem Nervenzusammenbrunch, Arbeitsunfähigkeit, der Einweisung in eine Klinik oder gar einem Suizid.




Was man dagegen tun kann

In vielen Mobbing-Situationen fühlen sich alle Beteiligten hilflos und manchmal überfordert. Aus Angst und Unsicherheit bleiben die Betroffenen passiv. So erhält sich das System selbst, und es kommt nie zu einem Ende des Mobbings. Es ist wichtig, dass die betroffene Person das Gespräch mit einem Vorgesetzten oder der zuständigen Person im Betrieb sucht. Falls keine Lösung gefunden werden kann, sollte sich das Opfer schriftlich an den Arbeitgeber wenden, den genauen Ablauf beschreiben und ihn bitten, zu intervenieren, damit die Angriffe aufhören. In gewissen Fällen kann man die Bitte verstärken, indem man unter Berufung auf Artikel 324 des OR mit der Niederlegung der Arbeit droht, sofern der Arbeitgeber es unterlässt, gegen Mobbing einzuschreiten.



Ein weiterer Schritt ist die Klage. Aber Vorsicht: Der Gang zum Richter will gut überlegt sein. Eine Klage gegen Mobbing-Täter ist nur dann erfolgversprechend, wenn klare Beweise vorliegen und sich die Forderung auf einen Gesetzesartikel stützt. Ratsam ist, zu Beweiszwecken Protokolle und Korrespondenzen zu sammeln. Auch Tagebuchnotizen können hilfreich sein.




Juristische Schritte sollte man gut überdenken, denn bei einem allfälligen Freispruch der Täter werden die Opfer zum zweiten Mal traumatisiert. Das kann zu einem psychischen Zusammenbruch führen.



Besser ist, sich von einem Anwalt zuerst beraten zu lassen und dem Konflikt wenn möglich mit mehr Toleranz zu begegnen. Solange keine Kündigung ausgesprochen ist, hat eine rechtliche Intervention oft den Charakter einer Provokation. Verliert ein Mobbing-Opfer jedoch die Stelle, ist eine Klage erwägenswert.



Mobbing-Opfer machen zunehmend auf sich aufmerksam. Verbände und Vereine entstehen und nehmen sich dieser schwerwiegenden Problematik an. Berater und Trainer setzen sich mit dem Thema auseinander. Dennoch ist Mobbing - immer noch - Alltag in vielen Unternehmen. Neben den immensen psychischen und den daraus entstehenden physischen Belastungen kann das Mobbing zu einem echten Karrierekiller werden.



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