IT ohne Frauen: Ein Verlustgeschäft
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/08
«Auf die Frage, was ich denn von Beruf sei, ernte ich mit der Antwort ‹Informatikerin› in der Regel eine von zwei typischen Reaktionen: Entweder ein von Fragezeichen begleitetes ‹Ah ja› oder die Aufforderung, mich um den havarierten Computer des Fragestellers zu kümmern.» Silke Kemnitz ist diplomierte Ingenieurin und Informatikerin und arbeitet als IT-Consultant bei der Firma MondayCoffee. Ausserdem ist sie Leitungsteam-Mitglied der Donna Informatica, einer Fachgruppe der Schweizer Informatik Gesellschaft SI, die sich an Informatikerinnen und Fachfrauen aus IT-nahen Berufen wendet. Ihre Erfahrung spiegeln erstaunlich genau die Probleme wider, mit welchen die IT zurzeit zu kämpfen hat:
Daran, dass die Arbeit rund um die Informationstechnologien ein eher negatives Image bei der breiten Bevölkerung geniesst, wird heute wohl niemand mehr zweifeln. Projekte wie das Jahr der Informatik, Informatica08, und ähnliche wollen diesem Problem mit unzähligen Informationsveranstaltungen und Aufklärungsversuchen zu Leibe rücken. Auch Frauen sollen vermehrt für Informatik begeistert werden. Allerdings sei dies nur ein Teilbereich des gesamten Problems, so Kemnitz: «Solange technische Ausbildungsgänge und Berufe hauptsächlich männerorientiert und -dominiert sind, sind diese auch nur bedingt attraktiv für Frauen. Die Schwelle, sich bereits in jungen Jahren beruflich in diese Richtung zu orientieren, ist damit wesentlich höher. Dies ist ein Teufelskreis, den es zunächst einmal zu durchbrechen gilt.»
Nicht alle Klischees sind zwingend falsch. Einige Frauen betreffende Klischees können sogar wissenschaftlich nachgewiesen werden. Es sind dies hauptsächlich auch Vorurteile, welche für die Frauen sprechen. So zum Beispiel die ihnen zugetraute höhere Sozialkompetenz. Der Mehrwert, den IT-Spezialistinnen generieren können, liegt nicht bloss in ihrer Arbeitskraft. Es ist vielmehr die weibliche Mentalität, welche dem IT-Sektor bisweilen ganz gut tun könnte. «Heute sind zunehmend umfassende, interdisziplinär erarbeitete IT-Lösungen gefordert, die in einer globalisierten Welt zum Einsatz kommen. Kommunikative Fähigkeiten, Einfühlungsvermögen, Sozialkompetenz, Kreativität, wie auch vernetztes Denken, werden daher in der Informatik immer wichtiger. Skills, die Frauen in der Regel von Haus aus mitbringen», so Kemnitz.
Aber was braucht es denn nun konkret, damit die IT etwas weiblicher werden kann? Ansätze wie das Jahr der Informatik sind sicherlich ein Anfang, allerdings dürften reine Informationskampagnen nicht den grossen Effekt haben, der dazu nötig ist. Vielmehr bedarf es tiefgehender Umwälzungen was die Praxis und die Ausbildung betrifft:
«Ausbildungsträger und Unternehmen sind nun gefordert, Angebote und Infrastrukturen zu schaffen, die für Frauen und Familien attraktiv sind. Viele Initiativen von Unternehmen und Organisationen gehen zum Glück bereits in diese Richtung; jetzt gilt es, diese auszubauen und zu Nachhaltigkeit zu verhelfen»,
so die IT-Spezialistin. Ausserdem sei es wichtig, dass Frauen erkennen, wie interessant und abwechslungsreich die IT-Branche tatsächlich sein kann. Dafür allerdings kann es keine Patentlösung geben. Denn Interessen sind nach wie vor etwas, was bereits in frühester Kindheitsphase geweckt wird und können nicht einfach plötzlich umgekrempelt werden.
Die Donna Informatica ist eine Fachgruppe der Schweizer Informatik Gesellschaft SI, die sich an Informatikerinnen und Fachfrauen IT-naher Berufe wendet. Sie besteht seit Ende 2000 und hat derzeit über 100 Mitglieder. Zu den Angeboten der Fachgruppe gehören ein Mentoring-Programm, welches von Bund und Organisationen finanziell unterstützt wird, sowie eine Online-Rechtsberatung. Monatlich werden Veranstaltungen in Form von Referaten oder moderierten Diskussionen durchgeführt, welche die Vernetzung von Frauen in der IT-Branche fördern sollen. Weitere Informationen finden sich unter www.donnainformatica.ch.