Karriere in der Informatik - aussichtsreicher denn je

Die Informatik spielt in Produkten und Prozessen eine immer wesentlichere Rolle. Für Entwicklung, Betrieb und Wartung der Systeme braucht es Informatikerinnen und Informatiker. Das eröffnet ungeahnte Perspektiven für gut ausgebildete, qualitativ hochstehende Fachleute.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/08

     

Noch nie arbeiteten in der Schweiz so viele Leute im Bereich Informatik, der mit 230’000 Personen rund zehn Prozent des Bruttosozialproduktes erarbeitet. Der Bedarf ist hoch, werden doch in den nächsten 20 Jahren 60 Prozent der heutigen Informatiker/-innen pensioniert! Es lohnt sich also, die Informatik-Karriere in Angriff zu nehmen, sich bildungsmässig gut für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten.



Das Informatik-Bildungskonzept stützt auf dem schweizerischen Berufsbildungskonzept, welches sich in der Praxis in vielen Berufen seit Jahrzehnten bewährt. Auch die schweizerische Informatik-Grundbildung hat bereits internationale Beachtung gefunden. Die Schweizer Teilnehmer an den Berufsweltmeisterschaften haben gegen harte Konkurrenz anderer Länder hervorragende Leistungen erbracht und auch Hochschulstudenten der Altersgruppe bis 22-jährig hinter sich gelassen. Ihre Leistungen an den Meisterschaften haben bewiesen, dass ein Lehrabsolvent mit wenig Ergänzungstraining vorne mit dabei sein kann. Im November 2007 in Japan wurden unsere Teilnehmer beste Europäer im Webdesign und in der Entwicklung von Büroapplikationen! Die jungen Berufsleute klassierten sich jeweils ganz knapp hinter den Medaillenrängen.


Trotz Fachleutemangel - Schnellbleichen lösen Problem nicht

Die Schweizer Informatik neigt zu enger produkteorientierter Crash-Ausbildung. Völlig entgegen den Gepflogenheiten in anderen Berufen. Es wäre ja undenkbar, sich von einer Coiffeuse bedienen zu lassen, die soeben über einen L’Oreal-Dauerwellenkurs zum Beruf gelangt ist. Oder die Revision einer Buchhaltung durch einen Umsteiger nach seinem Sesam-Buchhaltungskurs vornehmen zu lassen. Fachleutemangel ist unbequem. Not macht erfinderisch. Der Griff zur Schnellbleiche mit ein bis zwei Zertifikaten nach US-Muster mag verlockend sein. Aber ist «Anlehre» die Schweizer Antwort auf die qualitativ hohe Konkurrenz aus dem Ausland und auf die immer höher steigenden Anforderungen an Informatik-Ingenieure?



Zum Glück gibt es viele Jugendliche und Umsteigewillige, die in eine Informatiker-Karriere einsteigen wollen. Sie gilt es jetzt einzubinden. Mit einer soliden Grundausbildung und der raschen Einbindung in die Arbeitsprozesse. Lernende sind Mitarbeiter, die ebenso täglich zum Erfolg der Firma beitragen. 200 andere Berufe mit teilweise mindestens gleich hoher Komplexität machen es uns vor. Zum Beispiel die Elektroniker mit einem durchschnittlichen Erlös von 40’000 CHF je Lehre. Eine Win-Win-Lösung für alle Beteiligten. Das ist der Benchmark – die Informatik kann das auch.


Korea und Brasilien interessieren sich für Schweizer Berufsbildungssystem!

Letztes Jahr besuchte uns Korea, in den vergangenen Wochen war ein Bildungsexperten-Team aus Brasilien in der Schweiz. Beide haben das schweizerische System der Berufsbildung intensiv studiert. Darunter auch die Modelle der Informatik-Grund- und Weiterbildung, ZLI-Basislehrjahr und SwissICT/I-CH waren involviert und wurden von den Delegationen besucht. An der Berufsweltmeisterschaft 2007 in Japan haben Korea und Brasilien das Schweizer Team in 40 Berufen nach zweimaligem Gesamtsieg auf den 3. Platz verwiesen. Beide Länder investieren offensichtlich sehr in diese Wettbewerbe. Es war ihr offensichtliches Ziel, mit möglichst vielen Berufen teilzunehmen und die Schweizer zu überholen.
Das Schweizer Berufsbildungssystem geniesst international sehr hohe Anerkennung und hat einen sehr guten Ruf.

Es hat wesentlich dazu beigetragen, dass Schweizer Qualität zu einem Gütesiegel wurde und dass Präzisionsinstrumente und -Systeme aus der Schweiz kommen. Die Informatik setzte bisher auf produkteorientierte und autodidaktisch erworbene Kompetenzen. Seit einigen Jahren besteht nun ein analoges Bildungskonzept, wie das aller anderen Berufe. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es sich bewährt und die Firmen engagiert mitmachen. Die Qualität der Bildung stimmt – jetzt gilt es noch, auch die nötige Quantität herzubringen mit den notwendigen Sozialkompetenzen. Informatik ist nämlich eine Dienstleistung geworden, die Dienstleistungsmentalität verlangt. Und Erfindergeist für neue Produkte und Lösungen der Wirtschaft.


Resultate einer Umfrage bei CIOs: Leute mit Grundlagen-Know-how gesucht

Für Beobachter nicht überraschend hat die Berufsbildung in der Informatik immer höhere Bedeutung. Die Informatik ist längst kein Experimentierfeld mehr. Kunden und Produktion hängen völlig von ihr ab. Durch weltweite Firmendomizile und einem Informatikstandort für alle ergibt sich immer häufiger ein 7x24-Stunden-Betriebsbdürfnis ohne Abbrüchen. Qualität ist was zählt. Die Budgets der (teuren) Informatik stehen unter Druck. Was ist wirkungsvoller, als möglichst jedes Projekt zum Volltreffer zu machen? Wenn 50 Prozent der Projekte zu spät, zu teuer oder gar nicht eingeführt werden, ergeben sich gewaltige Abschreiber. Entsprechend muss der Fokus auf der Befähigung der Leute liegen, um bessere Qualität zu liefern.


Es überrascht entsprechend nicht, wenn die für die Zukunft notwendigen Kompetenzen der Priorität nach Sozialkompetenz, Projektmanagement, Business-Analyse, Service-Management, Application Engineering, Security, Qualitätsmanagement, Risk-Management und Systemtechnik genannt werden. Die grösste Nachfrage wird in den nächsten Jahren im Projektmanagement, der Business-Analyse und im Application Engineering erwartet. Die Grundbildung der Informatik und die höhere Berufsbildung werden klar unterstützt.



Zur Besetzung offener Stellen von IT-Fachspezialisten werden anerkannte Abschlüsse der höheren Berufsbildung inzwischen höher gewichtet als praktische Erfahrung. Zertifikate internationaler Anbieter und Normen gelten als gute Zusätze. Heisst im Klartext: die Informatik von morgen braucht Leute mit einer guten bis sehr guten Grundlage an langlebigem Konzeptwissen, auf die das kurzlebige Produktewissen einfach aufgebaut werden kann.


Entsprechend sind die in der Vergangenheit typischen Quereinsteiger und Autodidakten deutlich weniger gesucht. Wer heute in die Informatik umsteigen will, muss das mit einer anerkannten Grundbildung tun. Das ist ja möglich, die Lehrgänge mit dem Abschluss mit eidg. Fähigkeitszeugnis bestehen, auch für Erwachsene. Die Firmen sind heute absolut wieder bereit, in die Ausbildung ihrer Leute zu investieren. Am liebsten mit einem Mix von Zeit und Geld.
Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen das Bildungskonzept. Die Angebote bestehen. Ob Firma oder Individuum: es gilt jetzt, das Beste daraus zu machen. Dem wichtigen Informatik-Standort Schweiz zuliebe.


Hochschule oder Fachhochschule: die wesentlichen Unterschiede

Universität/ETH: Theoretische Ausrichtung und Grundlagenforschung, in der Regel keine spezifische Berufsausbildung, sondern Erwerb einer allgemeinen Berufsbefähigung, Studium in grossen Gruppen, Ausbildung in Vollzeitstudium. Voraussetzung: Gymnasiale Matura.
Fachhochschule: Angewandte Forschung und hoher Praxisbezug, enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, Berufserfahrung im Verlauf der Berufslehre bereits aufgebaut, Studium im Klassenverband, Ausbildung sowohl in Vollzeitstudium wie auch berufsbegleitend (zwei Tage Schule, drei Tage Betrieb)
Gemeinsamkeiten: Zweistufige Studiengänge gemäss Bologna-Modell (Bachelor- und Masterabschlüsse), drei Jahre Studium bis zum Bachelor, eineinhalb bis zwei Jahre bis zum Master, Bewertung der Studienleistungen nach europäischem Kreditpunktesystem ECTS (1 Punkt = Studienleistung von ca. 30 Stunden), internationale
Kontakte, hohe Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen (Englisch). Semestergebühren durchschnittlich ca. 750 CHF


Der Autor

Afred Breu, Präsident der ZLI – Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik




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