Top-Manager: Isolation an der Führungsspitze
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/37
Ein rechtes Schaffen macht einsam" sagte einst Hermann Hesse. Ob er damals schon wusste, dass Führungskräfte in der heutigen Zeit oft einsam sind? Wohl kaum.
Auf dem Weg an die Spitze eines Unternehmens sind Misstrauen, Rivalität, Durchsetzungsvermögen, Kompetenzgerangel und taktisches Know-how die steten Begleiter. Aufgrund dieser Erfahrungen und damit verbundener Erlebnisse sehen Führungskräfte in Top-Positionen für sich kaum noch Möglichkeiten, persönliche und vertrauende Kontakte zu Mitarbeitern und Kollegen aufzubauen und zu pflegen. Viele Führungskräfte haben das Gefühl, sie müssten Alleskönner sein. Viele sind von Jasagern umgeben oder werden von Freunden "beraten". Viele sind einsam, weil sie mit niemandem offen sprechen können, ohne dass dies als Schwäche ausgelegt oder gegen sie verwendet würde.
Während Mitarbeiter sich mit anderen Kollegen über Probleme am Arbeitsplatz austauschen können, steht die Führungskraft oft allein.
Ein Austausch über Führungsprobleme mit anderen Führungskräften innerhalb der Organisation ist oft schwierig oder wird vermieden, um nicht als "Versager" dazustehen. Andererseits sind Führungskräfte aller Ebenen heute extrem hohen Anforderungen ausgesetzt und somit immer wieder auf Beratung und Unterstützung angewiesen.
Gerade deshalb brauchen auch Manager ehrliches Feedback darüber, wie sie und ihr Verhalten wahrgenommen werden. Die Selbsteinschätzung kann erst zusammen mit der Fremdeinschätzung eine realistisches Gesamtbild erbringen. Doch wie viel ungeschminkte Rückmeldung erhalten sie im beruflichen Alltag?
Manager reden viel, doch selten über sich und ihre Gefühle. Wie gut sie sich präsentieren, sagt jedoch wenig darüber aus, wie erfüllend sie leben. Wer darauf aus ist, von andern aufgrund seiner Leistungen respektiert zu werden, kann leicht den Kontakt zu sich selbst verlieren.
Unter Beziehungsebene im Unternehmen verstehen zahlreiche Manager primär die Beziehungen, die als Netzwerk der eigenen Karriere dienen können. Insbesondere Männer - die immer noch den Hauptanteil auf den Chefetagen ausmachen - haben anscheinend eine panische Angst vor emotionalen Zwischentönen jeglicher Art. Sie leugnen nach wie vor vehement die bei jeder Sachauseinandersetzung ebenfalls - wenn nicht sogar vorrangig - beteiligten persönlichen Aspekte. Oft sind sie gar nicht daran interessiert, allzuviel Persönliches über Kollegen zu wissen. Das würde einen möglicherweise zu anderen Entscheidungen bringen. Und sie tun sich von daher auch sehr schwer, selbst über Persönliches zu sprechen. Da sie andererseits nicht von Gefühlen frei sind, aber nicht sein kann, was nicht sein darf, werden immer wieder rationale Argumente vorgeschoben. Die Gefühle werden überlagert, verdrängt oder ganz einfach nicht zur Kenntnis genommen. Ohne Ursachenbeseitigung hören natürlich auch die "Bauchschmerzen" bis hin zu den höchst realen Magengeschwüren nicht auf. Eine problematische Bewältigungsstrategie bei Stress und Einsamkeit ist der Konsum von Suchtmitteln. Nicht selten wird gerade in den oberen Etagen übermässig viel Alkohol konsumiert. Dabei gilt in Führungskreisen oft eine ganz eigene Trinkkultur: An vielen Anlässen ist Alkohol quasi ein Muss. Problematisches Trinkverhalten wird auf Grund der hierarchischen Position oft lange unentdeckt.
Doch welche Lösung gibt es für die Unternehmenschefs? Für den neuen Managing Director von Sun Schweiz, Andreas Knöpfli, ist es unabdingbar, dass sie sich firmenintern um den Aufbau einer Vertrauenskultur bemühen. "Ich denke, nur autoritäre Bosse sind einsam. Wichtig ist die Kommunikation im Team. Natürlich gibt es Entscheide, die der Chef alleine fällen muss. Kommuniziert man allerdings nicht nur das Resultat, sondern auch die Gründe und Wege, wie es dazu gekommen ist, stösst man in den meisten Fällen auf Verständnis bei den Kollegen". Er hätte sich bis jetzt noch nie einsam gefühlt. Das hätte aber sicher damit zu tun, dass er immer ein offenes Ohr für all sein Mitarbeiter habe - vom Kollegen im Management bis zum Lehrling, erklärt Knöpfli, und weiter: "Den Freitagnachmittag halte ich mir meistens frei. Dann bin ich im Büro, habe Zeit für interne und persönlich Anliegen oder gehe durch die Firma, um mit den Kollegen zu plaudern. Das schafft Vertrauen."
Um Unternehmen und Organisationen gut steuern zu können und selbst gesund zu bleiben, brauchen Manager eine von Offenheit und Ehrlichkeit geprägte Kommunikation mit ihrem Umfeld. Dazu gehören aber mit Sicherheit auch ein gutfunktionierendes privates Umfeld und ein Freundeskreis abseits vom Businessalltag.