Monitoring und Controlling von CRM-Projekten

Das Nutzeninkasso von CRM-Systemen ist in vielen Fällen fraglich, dabei kann mit relativ einfachen Mitteln ein Controlling aufgebaut werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/08

     

Viele Firmen haben in den vergangenen Jahren beträchtliche Anstrengungen und finanzielle Mittel verwendet, um CRM-Systeme (Customer Relationship Management) aufzubauen und zu betreiben. Marketing- und IT-Verantwortliche in vielen weiteren Unternehmen überlegen sich zudem derzeit, ob sie ebenfalls in CRM investieren sollen. Die Projekterfahrungen der vergangenen Jahre haben nun einerseits eine Reihe von «Best-Practices» hervorgebracht, welche das Risiko im Aufbau dieser Systeme laufend senken, andererseits werden mit dem Betrieb plötzlich andere Problemstellungen aktuell. Dazu gehört das CRM-Controlling. Das Management interessiert sich nach Projektabschluss für die Frage des Nutzeninkassos: «Was hat uns dieses Projekt jetzt gebracht?» Im Marketing steht man darum vermehrt vor dem Problem, wie man CRM-Massnahmen vernünftig plant, budgetiert und vor allem den Nutzen nachweist. Oftmals macht sich in diesem Zusammenhang eine gewisse Ernüchterung breit, indem man bei der Erfolgsmessung von einzelnen Marketingkampagnen, welche mit den neuen Systemen durchgeführt wurden, feststellt, dass diese ja gar nicht profitabel sind. Woran liegt das? Ist CRM ein Fehlkonzept?


Von der Verkaufs-Ära

Um aus Controlling-Sicht dieser Frage auf die Spur zu kommen, lohnt sich ein kurzer Blick in die Vergangenheit. Bis etwa 1960 war der Flaschenhals in den meisten Unternehmen die Produktion. Es galt die Devise: «Das verkaufen, was produziert wurde!» In ständig wachsenden Märkten war die Nachfrage nur dahingehend ein Problem, als dass man nicht schnell genug produzieren konnte. In dieser Zeit wurde das Instrument der Kostenrechnung entwickelt, um mit Kostenträgern und Kostenstellen die Produktionsseite der Wertschöpfungskette in den Griff zu bekommen.


Zum Marketing

Mit der Öl-Krise kam die erste grosse Wachstumskrise und aus der Verkaufs- wurde die Marketing-Ära. In zunehmend gesättigten Märkten lautet das Credo nun: "Nur das produzieren, was verkaufbar ist!" Im Controlling hat sich mit diesem Wandel im Marktumfeld die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine finanzorientierte Sicht alleine nicht mehr genügt. Seit den 70er Jahren wurde deshalb eine Reihe von Kennzahlensystemen entwickelt, welche den zusätzlichen Aspekten Rechnung tragen. Das bekannteste Konzept ist dabei sicherlich die "Balanced Scorecard", welche neben den Finanzen weitere Dimensionen wie die Kunden, Mitarbeiter oder Prozesse betrachtet und Ursachen-Wirkungsketten darzustellen versucht.




Stufenplan der CRM-Kompetenz


Zur Interfusion

Mit der Digitalisierung immer weiterer Wertschöpfungsketten und der Vernetzung durch das Internet zeichnet sich nun aus Marketingsicht ein weiterer Paradigmenwechsel ab. Man könnte die Zukunft als Ära der Interfusion bezeichnen, mit dem Leitsatz: «Erst dann produzieren, wenn das Produkt verkauft worden ist.» Interfusion bedeutet damit auch, dass die Produkte und Dienstleistungen noch stärker mit den Kunden zusammen entwickelt werden müssen. Die Umsetzung dieses Paradigmas im Marketing wird nur gelingen, wenn die traditionell verschiedenen Gebiete wie Werbung und Kommunikation, Strategie und Prozesse, Analyse und Controlling sowie Technologie unter einem konzeptionellen Dach vereinigt werden können. Aus CRM – einem Kundenbeziehungsmanagement – muss in der Folge eine kontinuierliche Eroberung des Kunden werden. Denn dieser kann sein objektives Bedürfnis in einem gesättigten Commodity-Markt grundsätzlich jederzeit zu gleichen oder besseren Konditionen bei der Konkurrenz befriedigen. Aus CRM wird deshalb CCM – Customer Conquest Management. Für das Controlling bedeutet dies, dass ein ganzer Satz von neuen Methoden hinzukommt, welche vor allem viel genauere prognostische Elemente zur Planung und Durchführung von CRM-Massnahmen enthalten.


Mit systematischer Methodik

Aus der historischen Betrachtung wird deutlicher, dass ein grosser Teil der oft vorhanden Frustrationen über die CRM-Erfolgsmessung darin begründet ist, dass man zwar ein CRM-System aufgebaut und in Betrieb genommen hat, dass jedoch daneben die Marketing-, Kommunikations-, Finanzbuchhaltungs- und Controlling-Prozesse ihren gewohnten Gang nehmen. Neben dem proklamierten Wandel von einer Produkt- zu einer Kundenorientierung, darf man nicht vergessen, dass auch die Erfolgsmessung neu definiert werden muss. Unbestritten ist natürlich immer noch, dass am Ende des Tages eine Steigerung der Profitabilität und damit des Firmenwertes nachgewiesen werden muss.


Trägheit der Organisation

Viele gute Werkzeuge scheitern letztlich an der Trägheit unternehmerischer Organisationen und an der Komplexität von deren durchgängigen Einführung. Ein Beispiel dafür ist die bereits erwähnte Balanced Scorecard, welche in der Realität meist als eine Liste von Kennzahlen auf einer Excel-Tabelle endet und nicht als durchgängiges Management-Konzept. Andere Instrumente scheitern daran, dass sie in zu geringer Weise die Arbeitsweise von Menschen berücksichtigen. Ein wenig beachtetes Beispiel sind in dieser Beziehung die sogenannten OLAP-Tools (Online Analytical Processing). Diese Software-Kategorie verspricht, dass der Benutzer interaktiv in einem multidimensionalen Datenraum surfen kann, um sich beliebige Auswertungen selber zusammenzustellen. Leider mit dem Problem, dass dies im täglichen Betrieb eigentlich nicht benötigt wird, da die Menschen keine Zeit haben, mit den Daten herumzuspielen, sondern schlichtweg einen Report benötigen, den sie ihrem Chef abgeben können. Resultat: hohe Investitionen in Software, die nachher nicht oder nur von wenigen Personen benutzt wird.


Strategisch, operativ, analytisch

Wie bei vielen Dingen, ist auch im Aufbau und Betrieb eines CRM-Controlling das "Gewusst wie" entscheidender als der Einsatz von einzelnen Softwarewerkzeugen ("Killer-Applikationen") oder Controlling-Methoden. Es führt nur eine Kombination von Methoden sowie eine konsequente Projekt- und Prozessorientierung zum Ziel.
Zunächst ist es wichtig, dass man die Controlling-Aufgaben in drei Teilbereichen klassifiziert.



1. Strategisches CRM Controlling


2. Operatives CRM Controlling

3. Analytische Ebene


Das Strategische CRM-Controlling soll uns Aufschluss über die Unternehmensziele geben und die Frage beantworten, mit welchen Mitteln (Projekten) man diese erreichen kann. Das operative Controlling dient der taktischen Planung und Budgetierung sowie der Erfolgsmessung der einzelnen Massnahmen. Die Analytische Ebene dient dem Ad-hoc-Reporting, der komplexeren statistischen Analyse und Prognose und ist schliesslich die flexible Umgebung für den Analytiker als Beratungsgrundlage für das Management.



Portfolioanalyse: Kommunikation und Analyse integriert


Zentrale Kundendatenbank

Das zentrale und wichtigste Werkzeug für alle drei Bereiche ist die Kundendatenbank, welche die
Entitäten Kunden, Gruppen von Kunden, Beziehungen, Produktbesitz und Produktenutzung enthalten sollte. Oftmals wird bei CRM-Projekten vergessen, die Deckungsbeitragsrechnung um eine detaillierte Kundensicht zu erweitern. Dies sollte mit der Zeit auf jeden Fall nachgeholt werden und die Kundendatenbank mit detaillierten Profitabilitätszahlen auf Kundenebene ergänzt werden.


Zielmanagement

Laut verschiedensten Studien scheitern etwa 70 Prozent aller CRM-Projekte. Bei näherer Betrachtung findet man aber, dass die Ursache dieses Ergebnisses im Scope-Drift und in der mangelnden Definition und Quantifizierung von Zielen liegt. Die Bedeutung des Zielmanagements kann also für ein erfolgreiches CRM-Controlling nicht genug betont werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass es vielen Anwendern nicht leicht fällt, quantitative Ziele zu formulieren. Es existieren aber einige bewährte Methoden, die hier weiterhelfen können. Mit einem einfachen, hierarchischen Kennzahlensystem, welches auf den drei Dimensionen Kundenakquisition, Kundenretention und Potentialausschöpfung basiert, können quantitative Ziele abgeleitet und dokumentiert werden. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, entsprechende Unterstützung beizuziehen, wenn die Erfahrung in der Anwendung dieser Instrumente fehlt.


Portfoliomanagment

Eine hervorragende Methode für das strategische wie auch das operative Controlling ist das Portfoliomanagement. Es ist ein integrierter Satz von Geschäftsprozessen, welcher – konsequent angewendet – erlaubt, Investitionen, Vorhaben, Programme und Projekte hinsichtlich von Zielen zu priorisieren, auszuwählen und umzusetzen, um messbare Werte zu erhalten. Es ist damit ein erheblich pragmatischeres Werkzeug für das strategische Controlling und einfacher in der Implementierung als die Balanced Scorecard als Managementwerkzeug.


Up-Front- und Back-end-Analyse

Im operativen Controlling sind es vor allem zwei Werkzeuge, welche zur Grundausrüstung gehören: Die Up-Front- und die Back-end-Analyse. Dies sind eigentlich ganz klassische Instrumente aus dem Marketing-Controlling, welche schon lange bekannt sind, aber bei sehr vielen Firmen nicht konsequent oder gar nicht angewendet werden. Auch hier empfiehlt sich eine sehr pragmatische und prozessnahe Implementierung in Form von einfachen, vorberechneten Reports, welche mit aktuellen Daten auf Knopfdruck zum Beispiel über ein Intranetportal abgerufen werden können. Neben Ad-hoc-Reports und vertieften Datenauswertungen versorgt die analytische Ebene das CRM-Controlling vor allem auch mit statistischen Modellen zur Prognose des Kundenverhaltens und der Nachfrageentwicklung. In der Regel werden diese Modelle vor allem zur Kundensegmentierung und zur Zielgruppenselektion von Marketingaktivitäten verwendet. Sie haben aber auch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für eine verbesserte Planung und Budgetierung, welche heute meistens nach einer simpleren Fortschreibungsmethodik erfolgt.




Aufbau eines CRM-Monitoring-Systems


Controlling zahlt sich aus

Beim richtigen Einsatz dieser Methoden und Werkzeuge sind die Voraussetzungen für ein effizientes und effektives CRM-Monitoring geschaffen und die erreichte CRM-Kompetenz wurde mit dem Controlling abgerundet. Um vom CRM zum CCM zu gelangen, das heisst die optimale Integration von gesteuerten Kommunikationsmassnahmen mit Zielgruppen-spezifischen Value-Propositions zu erhalten, werden derzeit Knowledge-Management-Methoden und -Werkzeuge entwickelt, welche pro dynamisch ermitteltem Kundensegment einen optimalen Marketing-Mix vorschlagen und dessen Umsetzung messen können. In der Zukunft wird deshalb das Controlling massgeblich an Bedeutung gewinnen, möchte man sich einen kompetitiven Vorteil in einem gesättigten Markt erarbeiten.


Der Autor

Dr. Patrick Schünemann ist Dozent an der Zürcher Hochschule Winterthur und Partner des Zürcher Beratungsunternehmens Ixentis.




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