Projektmanager heute - Allrounder oder Spezialist?

Zum modernen Projektmanagement gehört weit mehr als blosse Projektkoordination. Vielmehr sind erfolgreiche Projektmanager heute aufgrund ihrer Erfahrung, Qualifizierung sowie dank fachlicher und sozialer Kompetenz echte Spezialisten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/02

     

Das Projektmanagement durchlief jüngst eine rasante Entwicklung, zeitgleich entstanden verschiedene Varianten eines Projektmanagers. Die Anforderungen an denjenigen, der bei einem Projekt die Hauptverantwortung trägt, werden immer komplexer. Doch welche Anforderungen sind das? Und was ist ein erfolgreicher Projektmanager – eher ein Allroundtalent oder ein Spezialist?
Ob interne Projekte oder externes Consulting – kaum eine Firma ist heute ohne funktionierende Projektorganisation denkbar. Denn die Fähigkeit einer Organisation und somit des Managements, schnell auf sich wandelnde Anforderungen zu reagieren, trägt entscheidend zur Wettbewerbs-
fähigkeit und dadurch zum Über-
leben einer Firma bei. Innovative Produktentwicklung, Erschliessung neuer Geschäftsfelder oder interne Restrukturierungen lassen sich am besten mittels Projektarbeit vorantreiben.
Doch was ist eigentlich ein Projekt? Laut betriebswirtschaftlicher Definition ist ein Projekt ein zeitlich durch einen definierten Anfangs- und Endtermin begrenztes, komplexes Vorhaben, welches durch die Einmaligkeit seiner Bedingungen, wie zum Beispiel Projektziele, Projektabgrenzung und an der Umsetzung mitwirkender Ressourcen, gekennzeichnet ist.
Und was versteht man unter Projektmanagement? Gemäss DIN 69901 handelt es sich dabei um die Gesamtheit von Führungsauf-
gaben, Führungsorganisation sowie Führungstechniken und
-mitteln für die Projektabwicklung.


Wandel zur Projektorganisation

In nahezu allen Branchen werden die Marktgegebenheiten und der Wettbewerb immer aggressiver. Die Anforderung, komplexe Fragestellungen innerhalb kürzester Zeit mit einem Höchstmass an Flexibilität, Effizienz und Effektivität zu beantworten, bekommt eine immer stärker gewichtete strategische Bedeutung. Deshalb befindet sich auch das Projektmanagement im Wandel. Die Anforderungen sind dabei sowohl technischer als auch organisatorischer Art:



Technische Anforderungen



- Einsatz heterogener Technologien

- Steigende Komplexität



Organisatorische Anforderungen

- Flachere Hierarchien (Matrixorganisation), Mitspracherechte unterschiedlicher (Fach-)Bereiche

- Höherer Kostendruck

- Stärkere Vernetzung mit Kunden und/oder Partnern

- Zusammenspiel verschiedener interner und externer, zum Teil internationaler Parteien




Um eine Projektkultur zu fördern, muss das Top-Management daher auf Werte setzen, die eine solche Kultur auch zulassen. Dazu gehören neben dem Willen zur Veränderung und Risikobereitschaft auch Fehlertoleranz und Flexibilität, Ergebnisorientierung (auch bei der Entlohnung der Mitarbeiter), Teamleistung und Arbeitsteilung (mit entsprechenden Personalentwicklungsprozessen) sowie selbstverständlich eine offene Kommunikation.


Projektmanager-Typen in IT-Projekten

Je nach Komplexität der Projektanforderungen, der Kapazitäten, des Projektvolumens und nicht zuletzt der Unternehmenskultur stellt sich die Frage, ob das Abstellen einer Person rein für Projektmanagementaufgaben sinnvoll ist oder ob stattdessen besser ein erfahrener Technologe mit einer Doppelrolle zu versehen wäre. Generell lassen sich vier Projektmanager-Typen unterscheiden: Teilprojektleiter, Architekt, klassischer Projektmanager und Program Manager.



- Der Teilprojektleiter trägt nur für einen bestimmten Teil des Projekts die Verantwortung – er ist für die technische Entwicklung und Implementierung verantwortlich. Eine Hierarchiestufe darüber muss es demnach einen Gesamtprojektleiter geben, der die Fäden in der Hand hält.




- Der Architekt zeichnet in erster Linie für das Design und die Architektur der Lösung verantwortlich. Oft findet man ihn aber auch in der Doppelrolle des technischen Projektleiters, der entweder an einen Hauptprojektverantwortlichen berichtet oder sogar selbst die Hauptverantwortung für den Projekterfolg trägt.


- Der klassische Projektmanager kommt meist als Technologe aus der Praxis, hat sich allerdings Erfahrung im Projektmanagement erarbeitet und somit vom technischen Doing entfernt. Er leitet nunmehr hauptverantwortlich laufende Projekte und verfügt dazu über ein Team von Technologen, das die definierten Anforderungen umsetzt.


- In vielen Unternehmen gibt es mittlerweile den Program Manager. Dieser leitet ein ganzes Programm an Projekten, das heisst, er verantwortet mehrere Teilprojekte in einer sehr komplexen Anforderungsumgebung und trägt die Gesamtverantwortung für Qualitäts- und Risikomanagement und letztlich für das Erreichen des Projektergebnisses innerhalb von Zeit und Budget. Er stellt somit die Schnittstelle zwischen dem (internen) Kunden und den technischen Umsetzungsteams dar und leitet eventuell zusätzlich noch intern das Team der Projektleiter. Ein Program Manager bringt langjährige technische Praxiserfahrung mit und kennt sich aus in den gängigen Methoden und Tools des Projektmanagements.





Neben den bisher klassischen Karrierepfaden, nämlich der technisch-fachlichen und der Management-Laufbahn, zeichnet sich heute also eine weitere Karrierelaufbahn ab: die des Projektmanagements. Wer noch vor ein paar Jahren erfolgreich ein Migrations- oder Entwicklungsprojekt abwickelte oder ein weltweites Portal aufbaute, für den galt der Sprung in die Projektleitung als Sprungbrett zu einer Führungskarriere. Andere wählten die Fachlaufbahn und avancierten aufgrund ihrer technischen Expertise zum Technical Advisor. Doch nun etabliert sich neben der Fach- und Linienlaufbahn ein dritter Karriere-
pfad: Aufstieg über das Projekt-
management.


An- und Herausforderungen

Gute Projektmanager sind gesucht wie nie zuvor. Welche Fähigkeiten sollten sie mitbringen, welchen Herausforderungen müssen sie sich stellen?
Aus der steigenden Komplexität der Projektanforderungen und der Beachtung von zunehmend mehr Schnittstellen und Aspekten lassen sich die Anforderungen an einen Projektmanager einfach ableiten. Vereinfacht gesagt: Er muss diesen komplexen Anforderungen Herr werden. Dies. indem er:



- schon möglichst früh in die Projektdefinition eingebunden wird und den gesamten Projektzyklus begleitet.



- die verschiedenen Projektkulturen kennt und diese schon bei der Planung berücksichtigt,

- sein Handwerkszeug (in Form relevanter Vorgehensmodelle und Tools) beherrscht.

- über ausgeprägte Soft Skills wie beispielsweise kommunikative Fähigkeiten und Durchsetzungsvermögen verfügt.

- Controllingkenntnisse besitzt und ROIs und Business Cases berechnen kann.

- und nicht zuletzt bei Multi-Projekteinsätzen den Überblick behält und einer möglichen Doppelbelastung in der Rolle des Architekten und Projektmanagers gerecht wird.



Eine der grössten Herausforderungen bei der Leitung von IT-Projekten ist es heute, ergebnis-
orientiert zwischen den Auftraggebern und den Technikern zu vermitteln. Dabei geht es um die Entwicklung einer effizienten Lösung für den Auftraggeber, nicht um Selbstverwirklichung des Auftragnehmers. Doch oft sieht die Realität anders aus – Soll und Ist weichen weit voneinander ab. Meist liegen die Fehlerursachen (wie unrealistische Planung, ungenaue Zieldefinition oder mangelhafte Risikoanalysen) bereits in einer sehr frühen Projektphase – sogar in einer Phase, in der das eigentliche Projekt noch gar nicht gestartet ist. Um diese Fehler, die letztlich den Projekt-
erfolg gefährden, zu vermeiden, müssen Projektmanager also schon sehr früh in die Planung eingebunden werden.
Von entscheidender Bedeutung für den Projekterfolg sind demnach die Evaluierungs- und Planungsphase im Vorfeld des eigentlichen Projektes sowie das Thema Risikomanagement.


Die Evaluierungs- und Planungsphase

Nur das Erkennen des eigentlichen Problems und der Anforderungen des Kunden führen zu einem erfolgreichen Projektabschluss. Im Idealfall weiss der Kunde genau, was er will, und hat dieses bereits detailliert erarbeitet und dokumentiert. Also geht es «nur» noch um eine technische Ausarbeitung der gewünschten Lösung, was bei aller Komplexität mit klar definierten, messbaren Anforderungen in der Planungsphase recht überschaubar sein kann. Die Realität sieht allerdings meist so aus: Der Kunde hat keine konkrete Vorstellung über die notwendigen Schritte; die Lösungsvorstellung ist eher diffus; es liegt keine Analyse über die Struktur der Probleme, deren Ursache, Wirkung und Priorität vor. Aber: Der Kunde versteht sein Geschäft! Deshalb ist es unbedingt erforderlich, in einem gut abgestimmten Evaluierungsprozess mit allen Entscheidungsträgern des Kunden die Probleme zu strukturieren und gemeinsam eine Lösungsstrategie zu entwickeln. Wird im Vorfeld eines Projektes ausreichend Zeit für Zieldefinition und Lösungsstrategie eingeplant, ist bereits ein grosser Schritt in Richtung Projekterfolg getan. Und als positiver Nebeneffekt kann frühzeitig mit dem Risikomanagement begonnen werden.


Projektrisiken frühzeitig erkennen und beheben

In vielen Unternehmen werden Projektrisiken bewusst oder unbewusst ausser Acht gelassen. Oftmals werden Probleme verschwiegen, um nicht den Eindruck zu erwecken, man habe als Projektmanager das Projekt nicht im Griff. Ursachen liegen meist in schlechten Erfahrungen aus einer offenen Ansprache von Projektrisiken oder in der Angst, in politische Diskussionen zu geraten – schlichtweg wird nur ungern über Probleme geredet. Doch genau das wäre im Vorfeld essentiell. Denn wenn es in der Unternehmens- und Projektkultur an dieser offenen Kommunikation und der Fehlertoleranz mangelt, dann können Risiken nicht proaktiv bewertet und in Angriff genommen werden.
Was also ist Risikomanagement? Risikomanagement ist ein kontinuierlicher, das Projekt über seinen ganzen Lebenszyklus begleitender Prozess – und quasi dessen Lebensversicherung!
Was bedeutet Risikomanagement für den Projektmanager? Welche Anforderungen ergeben sich aus häufig begangenen Fehlern? Wohin führt der Weg, und wie lässt sich erfolgreich Karriere machen?


USPs für Projektmanager: Verknüpfung von Kompetenz

Die Karriereperspektiven für Projektmanager sind ausgezeich-
net – erfahrene Profis sind gefragt wie nie zuvor! Voraussetzung ist jedoch, dass alle Instrumente des Projektmanagements sicher beherrscht werden – von den Analysefähigkeiten bis hin zur Sozialkompetenz. Auftraggeber und Kunden wünschen sich heute mehr als einen blossen Projektkoordinator, der die Fäden zusammenhält. Sie suchen vielmehr einen Trusted Advisor, der sie über den gesamten Projektverlauf hin begleitet. Dabei belegen Zertifizierungen sicher die entsprechend erworbenen theoretischen Kenntnisse – sie können jedoch praktische Projekterfahrung niemals ersetzen.
Personalentscheider achten daher bei der Auswahl von Projektmanagern auch besonders auf das Vorhandensein von Soft Skills wie:





- Analysefähigkeiten

- Strukturierte Arbeitsweise

- Kommunikationsfähigkeit & sensitive Hartnäckigkeit

- Flexibilität

- Qualitätsbewusstsein

- Teambuilding-Fähigkeiten

- Fähigkeit zum Deligieren




Ein Blick in die Zukunft zeigt differenzierte Karriere- und Kompetenzmodelle für Projektmanager. Aufgrund der Marktgegebenheiten und der Dynamik, mit der sich Firmen heute verändern, wird die Multi-Projektorganisation in die Unternehmensstrategie eingebunden werden und ein immer stärkeres Projektbenchmarking stattfinden; stark technologiefokussierte Unternehmen werden neben dem Management-Karrierepfad auch attraktive Perspektiven für Architekten auf der technischen Ebene anbieten. Beide Pfade sind im Unternehmen gleichwertig anzusehen und sorgen dafür, dass jeder sein Talent und seine Erfahrungen an der richtigen Stelle einbringen kann. In vielen Unternehmen führt der Weg zu mehr Verantwortung bereits heute über das Projektmanagement.
Das Fazit: Projektmanager sind aufgrund der Erfahrung, Qualifizierung sowie fachlicher und sozialer Kompetenz echte Spezialisten.


Häufige Fehler im Projektmanagement:



· Ungenaue Zieldefinition

· Mangelhafte Analysetools

· Keine Berücksichtigung der politischen Interessen


· Unrealistische Planung

· Fehlende Erfahrung

· Fehlendes Wissensmanagement


· Fehlende Sozialkompetenz

· Fehlende Kommunikation

· Fehlende Flexibilität


· Kein strukturiertes Projektcontrolling & Reporting


· Mangelhaftes Risikomanagement


Die Autorin

Yasmine Limberger ist bei Avanade verantwortlich für Marketing und Alliance Management. Sie erreichen sie unter yasminel@avanade.com.




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