Bei höherer Berufsbildung hinkt Informatik noch hinterher

Vor den Sommerferien konnte man den Medien entnehmen, dass jeder vierte Schweizer zusätzlich zum Lehrabschluss auch einen Abschluss der höheren Berufsbildung hat, sei es den eidg. Fachausweis oder das Diplom oder einen eidg. Abschluss einer höheren Fachschule. Nicht so in der Informatik!
2. November 2009

     

In diesem komplexen Berufsfeld, wie es in den eigenen Reihen immer wieder betont wird, haben nur gerade einmal 8‘960 Personen seit 1976 einen Abschluss der Berufsprüfung mit eidg. Fachausweis bestanden und 4‘429 davon auch die nächste Stufe, die höhere Fachprüfung mit dem eidg. Diplom. Das sind ungefähr 3 Prozent der heute berufstätigen Informatiker/-innen! Da besteht in hohem Masse Handlungsbedarf – Nachholbedarf!


Das Thema kam auch mit der Präsentation des Weissbuchs der Akademien „Zukunft Bildung Schweiz“ zusätzlichen Auftrieb, indem darin eine Verdoppelung des Anteils der Berufsleute mit höherer Berufsbil-dung vorgeschlagen wurde. Demnach müssten deutlich mehr als die Hälfte der Informatiker/-innen einen Abschluss der höheren Berufsbildung erreichen.



Werden Sie Informatikmeister!

Es ist wichtig, dass die Informatikerinnen und Informatiker sich nach der Grundbildung deutlich weiterbilden, um den Anforderungen der Zukunft zu genügen. Sie sind bei der Entwicklung neuer Produkte in jeder Branche, in Prozessen, Dienstleistungen und Systemen zentrale Figuren, die wesentlich mit beitragen, ob die Firma im internationalen Konkurrenzkampf erfolgreich ist oder nicht. Die Weiterbildung umfasst nicht nur Produktekurse (die machen auch der Buchhalter und der Mechaniker), sondern die höhere Berufsbildung. Gerade die auf die duale Berufsbildung abstützenden Vorbereitungskurse zur Berufsprüfung und zum Diplom sind dazu genial geeignet und erhöhen die Kompetenzen deutlich. Die Ausbildung erfolgt berufsbegleitend, macht also keine Reduktion des Arbeitspensums nötig.


So funktioniert das Bildungssystem in der Informatik insgesamt:


1. In der Lehre durchläuft man die berufliche Grundbildung, das abschliessende eidg. Fähigkeitszeugnis belegt die Kompetenzen als Fachperson.


2. Mit der Vorbereitung auf die Berufsprüfung erwirbt sie die Kompetenzen zum Führen einer Gruppe dieser Fachleute. Der eidg. Fachausweis belegt dies. Programmieren lernt man hier nicht mehr, auch die Server sind kein Thema mehr. Hier geht es um Architekturen, Securitykonzepte, erhöhte Anforderungen im Projektmanagement etc.


3. Mit der zweiten Stufe bereitet sich diese Fachperson auf die Führung der Gruppenleiter vor. Das eidg. Diplom belegt die Kompetenz als Leiter von Teamleitern oder als Fachkraft für komplexe Problemstellungen.


Welche Gründe zur höheren Berufsbildung motivierten und was für Erfahrungen dabei gemacht wurden, zeigen die vier folgenden Interviews.


“Im Beruf erfahre ich durch die Ausbildung deutliche Vorteile"

Ivo Hunkeler, Informatiker mit eidg. Fachausweis, Fachrichtung Services, Abschluss Mai 2009


Sie haben unlängst die Berufsprüfung Informatiker/-in gemacht, wieso haben Sie gerade diesen Weg gewählt?


Ich habe die Berufsprüfung gewählt, weil ich eine berufsorientierte Weiterbildung machen wollte, welche mir später ermöglicht, ohne Maturitätsabschluss ein MAS (Master of Advanced Studies) abschliessen zu können. Nebst dem baut dieser Lehrgang auch auf der bereits modularisierten Informatiker-Grundausbildung auf, was mir sehr entgegenkam, da ich in einer der ersten Pilot-Klassen des Kantons Luzerns die Berufsbildung als Informatiker mit eidg. Fähigkeitszeugnis absolvieren durfte.


Wie kommt man zum Abschluss eidg. Fachausweis Informatiker/-in?


Für den Abschluss als Informatiker mit Fachausweis braucht man entweder eine gewisse Vorbildung oder aber genügend Praxiserfahrungen auf dem Gebiet der Informatik. Die Zulassungskriterien können bei der I-CH nachgeschlagen werden.


Was umfasst und strebt diese Ausbildung an?


Der Lehrgang ist als Generalisten-Ausbildung zu verstehen und hilft vor allem im organisatorischen und planerischen Alltag eines Informatikers. Vor allem bei der Leitung von Teilprojekten oder grösseren Projekten ist das erlernte Wissen hilfreich, um die gewünschten Vorhaben geplant und innert vereinbarter Zeit strukturiert durchführen zu können.


Sind Ausbildung und Prüfung streng?


Die Ausbildung resp. die Einarbeitung in die Theorie hält sich dank den vorhandenen Lehrmitteln in einem überschaubaren Zeitrahmen. Eine professionelle Unterstützung seitens des Bildungsinstitutes erleichtert zudem die Erarbeitung zusätzlich und reichert die Theorie mit Beispielen aus der Praxis der Kursleiter an.


Die Prüfungen sind streng und speziell aufgebaut, doch wenn man nach mehreren Beispiel-Prüfungen den Dreh raus hat, sind diese lösbar. Die Prüfungen sind handlungsorientiert aufgebaut, d.h. es werden keine Theorie-Fragen gestellt, sondern man muss anhand einer Aufgabenstellung eine Lösung erarbeiten, welche mit einer Begründung versehen werden muss. Aus der Begründung geht für die Experten hervor, ob die Antwort plausibel ist.


Spürt man als Absolvent/-in etwas im Berufsleben (Arbeit, Anerkennung, Karriere)?


In meinem Fall erfahre ich als Absolvent dieser Ausbildung gewisse Vorteile: Mir werden planerische Arbeiten übertragen, in welchen ich mein Erlerntes tagtäglich zum Einsatz bringen kann. So konnte ich die Qualität meiner Arbeiten steigern und bekomme dadurch mehr Anerkennung.


„Lieber früher als später anfangen“

Daniele Toto Brocchi, Informatiker mit eidg. Fachausweis, Fachrichtung Services, Abschluss Mai 2009


Sie haben unlängst die Berufsprüfung Informatiker/-in gemacht, wieso haben Sie gerade diesen Weg gewählt?


Dies ist ein eidg. anerkannter Titel und auf dem Schweizer Markt gefragt. Er bietet Chancen, sich für interessante Stellen zu bewerben. Zudem ist der Austausch mit Studenten und Referenten sehr hilfreich, um den Horizont zu erweitern und um die Erfahrungen anderer zu nutzen. Und schliesslich ist das Social Networking nicht zu unterschätzen: Der IT-Markt Schweiz ist „a small world“!


Wie kommt man zum Abschluss eidg. Fachausweis Informatiker/-in?


Durch viel lernen oder aktives mitmachen während der Lektionen. Der Lehrgang dauert in der Regel eineinhalb Jahre, wobei bei der professionellen Betreuung ein individuell angepasstes Training arrangiert werden kann, wenn möglich.


Was umfasst und strebt diese Ausbildung an?


In erster Linie ist es eine handlungsorientierte Ausbildung mit dem Ziel, die gelernte Theorie an realen Beispielen anzuwenden. Das Ziel ist es, im Betrieb den grösstmöglichen Nutzen zu erzielen.


Sind Ausbildung und Prüfung streng?


Dank der sehr guten Referenten war für mich persönlich die Ausbildung nicht sehr streng. Während der Lektionen muss man aktiv dabei sein, fragen, forschen und den gebotenen Service nutzen. Viele machen den Fehler und profitieren nicht vom Know-how der Referenten. Es muss nicht nur der vorgeschriebenen Lehrplan eingehalten werden, sondern man kann den Experten Details fragen, um den Zusammenhang über die geforderten zwölf Module zu verstehen.


Spürt man als Absolvent/-in etwas im Berufsleben (Arbeit, Anerkennung, Karriere)?


Das kommt völlig auf die Firma an. Zum Teil ist die höhere Berufsbildung eine Voraussetzung, um die bestehende Stelle zu erhalten. In der Schweiz konkurrenzieren uns Fachleuten aus dem Ausland, die eine sehr gute Ausbildung haben und oft günstiger zu haben sind. Wünschbar wäre die Unterstützung des Verbandes I-CH für die internationale Anerkennung, beispielsweise mit der Übersetzung der Zertifikate auf Englisch.


Was ich unbedingt noch sagen möchte: Jedem, der sich für diese Ausbildung interessiert, möchte ich den Tipp geben, lieber früher als später anzufangen und an den Fachausweis auch gleich noch das Diplom anhängen.


“Unterricht und Prüfungen sind handlungsorientiert"

Sandra Kaufmann, Informatikerin mit eidg. Fachausweis, Fachrichtung Services. Abschluss Mai 2009


Sie haben unlängst die Berufsprüfung Informatiker/-in gemacht, wieso haben Sie gerade diesen Weg gewählt?


Weil mir diese Ausbildung ermöglicht hat, mein gewohntes Leben (100% Arbeitspensum, Freizeit etc.) mehrheitlich so weiter leben zu können. Zudem ist die Dauer der Ausbildung angenehm. Ich habe die Möglichkeit, in Etappen zum Diplom zu gelangen und muss nicht alles an einem langen Stück durchziehen. Man könnte das Diplom auch später erlangen. So ist man relativ flexibel.


Wie kommt man zum Abschluss eidg. Fachausweis Informatiker/-in?


Am besten bereitet man sich über einen Lehrgang, der ca. ein bis eineinhalb Jahre dauert, auf die Prüfung vor. In diesem Lehrgang wird das Wissen und auch der Prüfungsstil für den Fachausweis aufgearbeitet. Während dieser Zeit werden die zwei geforderten Modulabschlüsse geschrieben. Sind diese zwei Prüfungen mit Erfolg absolviert und werden die weiteren geforderten Bedingungen (Arbeitsdauer im Beruf etc.) anerkannt, wird man zur Abschlussprüfung zugelassen. Diese dauert dann eineinhalb Tage. Hat man auch diese mit Erfolg bestanden, ist man im Besitz des Fachausweises für Informatiker / -in.


Was umfasst und strebt diese Ausbildung an?


Die Ausbildung bringt einem unterschiedliche Gebiete praxisorientiert nahe. Der Unterricht und auch die Prüfungen sind handlungsorientiert, sprich man kann sein Wissen (Theorie) an einem konkreten Fall anwenden. Dabei werden verschiedene Situationen aufgezeigt, wo ich mein Wissen anbringen kann. Ich muss dabei die Situation, aber auch den Auftrag verstehen. Dies sind Fähigkeiten, die auch im Berufsalltag verlangt werden.


Sind Ausbildung und Prüfung streng?


Die Prüfungen sind handlungsorientiert, was eine gewisse Angewöhnung verlangt. Hat man sich gut an den Prüfungsstil gewöhnt, dann sind die Prüfungen gut machbar.


Spürt man als Absolvent/-in etwas im Berufsleben (Arbeit, Anerkennung, Karriere)?


Es zeigt dem beruflichen Umfeld, dass man Interesse hat, etwas zu lernen und weiter zu kommen. Es werden anspruchsvollere Aufgaben zugeteilt, welche eine neue Herausforderung darstellen.


Insgesamt hat mir der Lehrgang Kontakte zu vielen interessanten Menschen ermöglicht. Von diesen Personen konnte ich eine Menge lernen, was mir in vielen Situationen zugute kommt.


“Das Gelernte kann rasch in das Unternehmen eingebracht werden"

Eduard Ott, Informatiker mit eidg. Diplom, Fachrichtung Business Solutions, Abschluss Mai 2009


Sie haben unlängst die höhere Fachprüfung Informatiker/-in gemacht, wieso haben Sie gerade diesen Weg gewählt?


Für meinen Werdegang mit Lehre in der Maschinenindustrie, diversen Fach-Weiterbildungen und einem eidgenössischem Fachausweis ist eine Weiterbildung mit eidgenössischem Diplom eine sehr gute Wahl, sich beruflich in der Informatik auf hohem Niveau zu platzieren und auch international anerkannt zu werden.


Wie kommt man zu einem eidg. Diplom Informatiker/-in Abschluss ?


Aus der Sicht der Informatik bin ich ein Quereinsteiger. Meinen eidg. Fachausweis erwarb ich vor zehn Jahren als Technischer Kaufmann. Mein beruflicher Wechsel in verschiedene verantwortungsvolle Rollen der Informatik-Organisation bewog mich dazu, einen hochwertigen Informatikabschluss in Angriff zu nehmen.


Die Grundvoraussetzungen sind ein eidgenössischer Fachausweis, welcher branchenunabhängig sein kann. Langjährige Tätigkeiten im Informatikumfeld, Fleiss, Freude am Lernen, unterstützender Arbeitgeber und eine gute ausgewogene Organisation zwischen Arbeit, Familie/Freundeskreis, Freizeit und Ausbildung - dies alles sind entscheidende Faktoren, die dazu führen, dass dieser intensive Lehrgang erfolgreich abgeschlossen werden kann.


Was umfasst und strebt diese Ausbildung an?


Der Absolvent ist im Stande, eine IT-Organisation ganzheitlich (fachlich wie auch organisatorisch) zu managen. Die Ausbildung ist sehr handlungsorientiert. Das Gelernte kann rasch in das Unternehmen eingebracht werden.


Sind Ausbildung und Prüfung streng?


Die Ausbildung nach I-CH-Richtlinien umfasst sehr viel Lernstoff, welcher in einzelnen Modulen (siehe I-CH-Webseite) zu einer ganzen Einheit vermittelt wird. Es erfordert ein hohes Mass an Disziplin, den Lernstoff in Heimarbeit zu repetieren und zu vertiefen. Das Gelernte in die Facharbeit, Modultests und Abschlussprüfung nach I-CH umzusetzen, welche auf Fallstudien basieren, verlangt vor allem in den Prüfungsvorbereitungsphasen einiges an zeitlichem Engagement. Ein kritischer Erfolgsfaktor an der Prüfung ist auf diesem Niveau immer die Zeit, welche sehr knapp bemessen ist. Aber auch die Wahl des Ausbildungsinstitutes ist entscheidend. In Luzern erhielt ich eine sehr gute, persönliche Betreuung, die Dozenten waren top, es gab eine gute Infrastruktur und das Schulmodell war für mich optimal.


Spürt man als Absolvent/-in etwas im Berufsleben (Arbeit, Anerkennung, Karriere)?


Ich arbeite in einem globalen Technologie-Konzern. Hier ist die Anerkennung für eidgenössische Diplome sehr gross und für die persönliche Karriere von Vorteil. Grossfirmen setzen nach wie vor auf wertvolle Weiterbildungen mit hohem nationalem wie internationalem Wert.




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER