Photoshop 6

Die klassische Bildbearbeitung wird zum Zeichen- und Layout-Tool.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/32

     

Eine neue Version von Photoshop weckt regelmässig die Erwartungen der Pixelakrobaten in aller Welt. Die Fangemeinde reicht mittlerweile weit über den klassischen Printbereich hinaus. Immer öfter findet Photoshop auch in Wissenschaft, Forschung, Design und Architektur Verwendung - und natürlich bei der Gestaltung grafisch anspruchsvoller Webseiten. Diesem wachsenden Benutzerpektrum will Hersteller Adobe mit der neuen Version 6.0 entgegenkommen. Einerseits mit einem Funktionsspektrum, das über die klassischen Pixelbearbeitung hinaus reicht. Anderseits mit einer überarbeiteten Benutzeroberfläche, mit der die wachsende Zahl von Werkzeugen rascher in den Griff zu bekommen sein soll.




Was ausserdem die Spielzeuge von Grafik-Guru Kai Kruse schon lange konnten, ist jetzt auch mit dem Bildbearbeitungsprogramm von Adobe möglich: Mit Liquify-Funktion können Fotomodellen die Nase lang und die Ohren spitz gezogen werden. Allerdings lassen sich damit auch feinste Bildretouchen ausführen.


Umgewöhnung

Versierte Anwender müssen sich mit der neuen Benutzeroberfläche allerdings von liebgewordenen Gewohnheiten trennen. Der Befehl Kopie sichern etwa ist aus dem Menü verschwunden. Adobe meint, es sei zu schwierig, Anwendern, die von Office- oder CAD-Programmen her kommen, den Unterschied zu Sichern unter klar zu machen. In der betreffenden Sichern-unter-Dialogbox werden neu jetzt auch alle Optionen samt den mitzusichernden Farbprofilen eingegeben. Dafür weiss dann jeder ganz genau, was er da auf seine Festplatte gebannt hat.



Anderes dagegen leuchtet ein: Wer bisher darunter gelitten hat, dass die unzähligen Paletten den Bildschirm verstellen, kann diese jetzt fein säuberlich in der Menüleiste als Reiter deponieren. Als benutzerfreundlich erweist sich auch die kontextabhängige Werkzeugleiste, die alle Optionen für das angewählte Tool bereithält.




Eine Obergrenze für die Anzahl Ebenen gibt es nicht mehr. Um die Übersicht dennoch zu wahren, lassen sich Sets von Ebenen bilden, die farbig gekennzeichnet und nach Bedarf gemeinsam ein- und ausgeblendet werden können. Masken und Beschneidungspfade lassen sich auf ganze Ebenen-Sets anwenden.




Vektorgrafik

Die zweite grosse Neuerung heisst Vektorgrafik. Mit Version 6.0 geht Photoshop einen Schritt über die traditionelle Bildbearbeitung hinaus in Richtung Zeichen- und Layoutprogramm. Für Bild und Text steht jetzt editierbare Vektorgrafik zur Verfügung, die sich auflösungsunabhängig in die Bilder einbinden lässt. Ähnlich wie in Illustrator werden vordefinierte, geometrische Grundelemente mit Hilfe Boolscher Operationen (Hinzufügen, Abziehen oder Schnittmenge bilden etc.) zu komplexeren Formen verbunden. Die Pfade können mit den aus vielen Zeichenprogrammen bekannten Werkzeugen weiter bearbeitet werden. Einmal abgespeichert, lassen sie sich bei Bedarf für den Wiedergebrauch aus dem Preset-Manager wieder aufrufen.



Zu den interessanteren Möglichkeiten der neuen Vektorwerkzeuge gehört die Freistellung einzelner Bildbereiche mit Hilfe editierbarer Formen. Wie bei jedem anderen Vektorpfad können bei solchen Beschneidungspfaden Ankerpunkte hinzugefügt und entfernt werden. Weiche Maskenkanten entstehen durch die Kombination mit Rastermasken.




Text kann jetzt (endlich) ohne den Umweg über ein Dialogfeld eingefügt und direkt im Bild editiert werden. Aus InDesign wurden die Möglichkeiten für die Formatierung von Zeichen und Absätzen entlehnt. Farben lassen sich auf einzelne Zeichen angewenden und selbst gedrehte oder verzerrte Texte bleiben editierbar. Die vektorisierten Buchstaben laufen bei Vergrösserungen auch nicht mehr Gefahr, zu verpixeln.


Web-orientiert

Natürlich machen die Vektor-Werkzeuge für aufwendigere Zeichenarbeiten ein eigentliches Zeichenprogramm nicht überflüssig. Vor allem sollen sie den Web-Designern unter den Anwendern die Arbeit erleichtern. Adobe will mit einer Umfrage herausgefunden haben, dass Photoshop von Web-Designern als ihr wichtigstes Werkzeug eingestuft wird - wichtiger als die spezialisierten Anwendungen von Macromedia, denen Adobe mit der neuen Version seiner Bildbearbeitung gern das Wasser abgraben möchte. Nicht zuletzt in diesem Bereich soll Photoshop 6.0 die Arbeit vereinfachen und den Workflow verbessern. Etwa durch die bessere Abstimmung zwischen Photoshop 6.0 und ImageReady 3.0. Voll integriert wurde ImageReady allerdings (noch) nicht. Es gibt aber in Photoshop 6.0 bereits Werkzeuge zum Unterteilen von für das Web bestimmten Bildern. Da die Slicing-Werkzeuge in Photoshop integriert wurden, kann die Web-Optimierung von statischen Bildern - bei voller Unterstützung von HTML samt Tabellen - auch ohne die Hilfe von ImageReady vollzogen werden.



Für Fälle, wo das Web-Aufbereitungstool weiterhin eingesetzt wird, ist der Wechsel zwischen den beiden Programmen einfacher und schneller geworden, da im Hintergrund gesichert wird. ImageReady seinerseits wurde ebenfalls um einige Funktionen erweitert, beispielsweise mit neuen Rollover-Effekten oder durch die verbesserte Unterstützung von Image-Maps.





Workflow im Visier

Adobe bemüht sich, Photoshop möglichst eng mit seinen anderen Programmen (nicht zuletzt mit dem noch nicht überall heiss geliebten Acrobat) zu verknüpfen. So werden nun die Eigenschaften der Photoshop-Dokumente in das PDF-Format übernommen - samt den nun auch in Photoshop möglichen, geschriebenen oder gesprochenen Anmerkungen für Kunden und Kollegen.



Offensichtlich möchte Adobe unter dem Stichwort Workflow über die Popularität von Photoshop seine anderen Produkte und Technologien dem Web-Designer näher bringen. So wurde das Photoshop-Update enger auf GoLive abgestimmt, und das Web-Autoren-Tool wird als Trial-Version im Bundle mit Photoshop 6.0 abgegeben.



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