Unauffällig ist Green IT längst zur Realität geworden

Wenn einem ein Möbelstück nicht mehr gefällt, dann kann man es neu anstreichen. Dann sieht es oft schon viel besser aus. In der IT-Industrie ist Grün zurzeit eine beliebte Farbe. Dass dahinter aber mehr steckt als nur ein plumpes «green-washing», kann man in der Schweiz an zukunftsweisenden Projekten zeigen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/10

     

Einige dieser «Green IT»-Projekte befassen sich beispielsweise mit neuen energiesparenden Bauweisen von Rechenzentren. Andere versuchen die Wärmeleistung der Chips in den Servern zu verringern. Dritte fokusieren sich auf die Virtualisierung ganzer Server. So gibt es viele weitere Ansätze, die sich mit weiteren Teilbereichen für eine energie-effizientere Informationstechnologie befassen. Und genau hier liegt der Ansatzpunkt: Die Herausforderung ist, diese Bereiche miteinander zu verbinden. Es gilt, alte technische Vorgaben in Frage zu stellen und neu zu definieren – vom Design der Software, über die Hardware bis hin zum Rechenzentrum. Über den Erfolg der Projekte wird entscheiden, wie gut sie die Balance zwischen Verfügbarkeit, Kosten und Energieeffizienz der Infrastruktur herstellen.


«Grün» auch für Ökonomen interessant

Energieeffizienz ist schon längst nicht mehr nur Thema für Ökologen und Umwelt-Fachleute. Stetig steigende Preise und eine drohende Versorgungslücke auf dem Schweizer Strommarkt haben das Thema nach ganz oben auf die Agenda der Ökonomen befördert. Ein nachhaltiger Umgang mit Energie wird immer wichtiger für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen.



Rechenzentren gehören zu den grossen Stromverbrauchern in Unternehmen. So benötigt ein mittelgrosses Rechenzentrum eine elektrische Leistung von ungefähr 125 Kilowatt. In der Schweiz gibt es insgesamt ungefähr 4000 Rechenzentren, die zusammen beeindruckende 500 Megawatt Leistung aufnehmen. Das ist genug, um den Strombedarf von bis zu 62›500 Haushalten zu decken. Für Strom und Kühlung der Rechenzentren geben Unternehmen 25 bis 40 Prozent ihres jährlichen IT-Budgets aus.




Dazu kommt, dass sich nahezu alle Experten über die Tendenz der Strompreise einig sind: Sie werden in den nächsten Jahren eher steigen als gleichbleiben. Einen wesentlichen Anteil an diesem Trend hat auch die Politik. CO2-Zertifikate für Grossverbraucher werden zusätzliche Kosten verursachen. Den Strombedarf von Rechenzentren zu senken und Energie effizient zu nutzen, liegt deswegen im Kerninteresse von Unternehmen.


Konzepte der Green IT sind eine Möglichkeit, diesen Verbrauch und damit unmittelbar Kosten zu senken. Laut Experten haben sich Investitionen in energieeffiziente Rechenzentren schon nach zwei bis drei Jahren amortisiert. Kalkuliert man mit einer durchschnittlichen Betriebsdauer eines Rechenzentrums von zehn Jahren, sind Renditen bis zu 50 Prozent möglich. Eine Bilanz, die jeden Controller hellhörig werden lässt.


So ist Green IT mittlerweile ein fester Bestandteil der IT-Industrie. Ashrea, Chilled Water, CRACs – alles neue Pflichtwörter für die Verantwortlichen unserer Rechenzentren? Vielleicht nicht neu, aber immer stärker im allgemeinen Sprachgebrauch eines RZ-Leiters. Unternehmen wie IBM, AMD, HP und Sun Microsystems befassen sich intensiv mit dem Thema und haben die Organisation «The Green Grid» gegründet. Gemeinsam wollen sie den Stromverbrauch in Rechenzentren senken und die benötigte Energie nachhaltig nutzen.


Die Ideen dazu setzen an verschiedenen Bereichen eines Rechenzentrums an. In der Schweiz haben sich die ETH Zürich, die Züricher Kantonalbank (ZKB) und IBM zu einer Green-IT-Arbeitsgruppe zusammengeschlossen. Sie soll eine offene Plattform für das Thema sein und will Informationstechnologie durch Optimierung, Nachhaltigkeit und eine gesamtheitliche Betrachtung aller massgeblichen Faktoren energieeffizienter machen.


Green Data Center: Vom Chip bis zum Gebäude

So befassen sich Programmierer zurzeit mit Software als Quelle des Energieverbrauchs. Rechenintensive Anwendungen fordern von den Prozessoren Höchstleistungen und treiben dadurch den Strombedarf in die Höhe. Unter dem Schlagwort «Power Aware Computing» versuchen sie, die benötigte Rechenleistung möglichst gering zu halten. Auf der Server-Ebene ist es anhand von Virtualisierung möglich, die Rechenleistung eines Serverparks effizienter zu nutzen. So können Maschinen eingespart werden, die bislang nur für Spitzenlastzeiten vorgehalten wurden. Weniger Server bedeuten gleichzeitig weniger Stromverbrauch für Betrieb und Kühlung.


Neue Ansätze im Chipdesign versprechen den Energieverbrauch für IT zu senken. So erlebt die Flüssigkeitskühlung in diesem Bereich derzeit eine Renaissance. Sie schafft es, Chips sechsmal effizienter zu kühlen als herkömmliche Luftkühlung und verbraucht dazu sogar noch weniger Energie. Forscher des IBM Forschungslabors in Rüschlikon konnten mit dem Verfahren eine Wärmeleistung von über 350 Watt pro Quadratzentimeter abführen. Herkömmliche Luftkühlung bringt es auf lediglich 75 Watt pro Quadratzentimeter.



Auch schon mit der Ortswahl für Rechenzentren lässt sich Energie einsparen. So eignet sich zum Beispiel die Schweiz besonders als Standort, da die Winter kalt und die Sommer kurz sind. Die Rechenzentren brauchen deutlich weniger Energie für die Kühlung. Zusätzlich stehen dafür auch günstige Nachtstromtarife zur Verfügung. Wer die Kälte speichert, profitiert dann doppelt – tagsüber ist es in der Schweiz durchschnittlich um mehrere Grad kälter als zum Beispiel in Deutschland.
Auch in der Architektur der Rechenzentren selbst steckt Energiespar-Potential. Aktuelle Konzepte stellen die Server in einen luftdichten Raum, in dem Überdruck herrscht. Kühle Luft wird so aus einem Gitter am Unterboden gleichmässig in den Raum gedrückt. So entstehen in Servernähe keine Verluste durch Luftverwirbelungen. Das oft zitierte Problem der «hot spots» existiert bei dieser Lösung faktisch nicht. Zusätzlich erreichen diese Rechenzentren mit wärmerer Luft die gleiche Kühlleistung, wie solche mit herkömmlichem Aufbau.


Ein grosser Anteil der genutzten elektrischen Energie verlässt das Rechenzentrum in Form von Abwärme. Ein interessanter Ansatz nutzt genau diese Energie und verwandelt das Rechenzentrum in ein kleines Wärmekraftwerk. So wird zum Beispiel eine Gemeinde bei Zürich die Abwärme eines grossen Rechenzentrums in der Nähe kaufen und zum Heizen des örtlichen Hallenbades nutzen. Die Innovation in diesem Ansatz liegt in der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Partnern. Ihre Kompetenzen ergänzen sich und alle beteiligten Parteien profitieren. Die Gemeinde kann günstig Energie beziehen, der Betreiber des Rechenzentrums senkt durch den Verkauf der Abwärme seine Energiekosten. Eine ähnliche Idee konnte IBM mit dem grössten Minergie-Gebäude der Schweiz an ihrem Hauptsitz in Zürich verwirklichen. Die Mitarbeiter, ihre Laptops und das Rechenzentrum im Keller heizen das Gebäude unter der Woche durch Ihre Abwärme selbst. Ein Lüftungssystem verteilt die so erzeugte Wärme im Haus. Eine zusätzliche Heizung ist nur noch an 52 Tagen im Jahr notwendig.


An diesen Beispielen wird deutlich, dass Green IT längst über den Konzept-Status hinaus ist. Konkrete Projekte und Entwicklungen belegen den Stellenwert, den ein nachhaltiger Umgang mit Energie auch in der IT einnimmt. Die Zeit ist vorbei, wo Raumtemperaturen von 20°C oder gar 18°C verlangt wurden. Schon heute lassen sich in Rechenzentren 10 bis 20 Prozent der Ausgaben für Energie sparen, wenn man auf grüne Konzepte setzt. Und es steckt noch viel Potenzial darin. So arbeiten Forscher der ETH Zürich zurzeit zusammen mit der Industrie daran, ein energietechnisch optimiertes Rechenzentrum zu entwickeln.


Diese Projekte zeigen: Hinter Green IT steckt mehr als ein Lippenbekenntnis. Es geht auch nicht nur darum, den Stromverbrauch zu reduzieren. Green IT bedeutet vielmehr, die Fähigkeit der Branche zu Innovationen für ein klares Ziel einzusetzen: Einen verantwortungsvollen, effizienten und sparsamen Umgang mit dem wertvollen Gut Energie.


Zu IBM

Über 80 Jahre Innovation machen IBM zu einem der weltgrössten Unternehmen
in der Informationstechnologie. IBM will bei der Erfindung, Entwicklung und Herstellung von Produkten der Informationstechnologie eine führende Rolle einnehmen. Dies umfasst das gesamte Spektrum von Computersystemen,
Software, Netzwerken, Speichertechnologie bis hin zu Mikroelektronik. Weltweit agierende Teams erarbeiten zusammen mit den Kunden individuelle Lösungen für die Optimierung von Geschäftsprozessen und stehen mit Serviceleistungen rund um die Informationstechnik zur Verfügung. IBM bietet industriespezifische und -übergreifende Lösungen an, welche die Bedürfnisse von Kunden jeder Grösse abdecken.


Begriffe der Green IT

Auf die Leiter von Rechenzentren kommt eine Vielzahl ungewohnter Begriffe zu. Die Wichtigsten sind hier kurz erklärt:


- Absolute Humidity - Wasserdampfdichte oder kurz Dampfdichte ist die Masse des Wasserdampfs in einem bestimmten Luftvolumen.

- Ashrea – American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers, zurzeit die führende Diskussionplattform für Klimatisierungsstandards

- Bulb Temperature – Feuchtkugeltemperatur (die von dem mit einem befeuchteten Stoffüberzug versehenen Thermometer (Aspirations-Psychrometer) angezeigte Temperatur)

- Bypass and Recirculation Factor – Berechnungswerte für das Luftströmungsverhalten in einem Rechenzentrum.

- Chilled Water – Kaltwasser, nun auch wieder ein Bestandteil der Kühlsysteme moderner Rechenzentren.

- Cooling Load – erwarteter Kühlleistungsbedarf

- CRAC – Computer Room Air Conditioner

- Pumping – Wasserpumpe (oft als kritisches System im RZ betrachtet)


Der Autor

Jörg Schanze, Site Services Specialist, IBM Global Technology Services




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER