Der Job als IT-Redaktor wird zunehmend attraktiver. Nicht nur darf man das neue iPhone 12 Pro auf Herz und Nieren testen (siehe Test in der Ausgabe 11/2020), sondern bekommt auch ein Sixpack Bier als Rezensionsexemplar zugeschickt – der Künstlichen Intelligenz sei Dank. Diese wurde nämlich als Braumeisterin engagiert, und zwar im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts der Hochschule Luzern, dem
Digitalisierungsspezialisten Jaywalker Digital als Umsetzungspartner für die technische Lösung beim Kunden und der Microbrauerei MN Brew. Herausgekommen ist dabei Deeper, das erste Bier der Schweiz, das auf KI basiert.
Entwickelt wurde die digitale Braumeisterin, die auf den Namen Brauer AI getauft wurde, vom Algorithmic Business Research Lab, einer auf KI-Anwendungen spezialisierten Forschungsgruppe am Departement Informatik der Hochschule Luzern. Die Vorschläge, die Brauer AI für das Rezept von Deeper gemacht hat, basieren auf einer Datenbank mit nicht weniger als 157'000 internationalen Bierrezepten. Mit Hilfe von neuronalen Netzen wurden diese Rezepturen nach Mustern abgesucht, um daraus eigene Kreationen abzuleiten.
«Für Brauereien ist es angesichts hunderttausender Rezepte enorm schwierig, den Überblick zu behalten», erklärt Marc Bravin, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Algorithmic Business Research Lab. «Brauer AI kann sich diesen Überblick nicht nur viel schneller verschaffen als ein Mensch, sondern auch Vorschläge liefern für ein wirklich noch nie dagewesenes Bier.» Mit Brauer AI wird zuerst ein Bierstil festgelegt – Indian Pale Ale wie im Falle von Deeper zum Beispiel oder auch Weizen oder Amber. Aufgrund des Stils schlägt Brauer AI dann eine Liste von Malzsorten und deren Anteil am Sud vor. Als nächstes folgen Vorschläge für passende Hopfensorten und deren Kochzeiten. Das Rezept wird vor dem Braugang dann von einem menschlichen Braumeister geprüft und wo nötig angepasst, falls Brauer AI etwas zu kreativ war. Die KI wird denn primär auch als Inspirationsquelle gesehen für Kombinationen, auf die der Mensch nicht gekommen wäre.
Von Deeper, dem ersten KI-Bier, wurden in einer ersten Charge zu Testzwecken 550 Liter gebraut. Eine 1000-Liter-Charge, die aktuell reift, sollen ab Mitte November via
www.mnbrew.ch verkauft werden. Brauer AI als Produkt soll vorerst nicht kommerziell für Brauereien angeboten werden, aber: An der KI soll weiter geforscht werden und auch andere Brauereien sollen Zugriff darauf erhalten, um zu testen, Erfahrungen zu sammeln und Erkenntnisse zu teilen.
Wie eingangs erwähnt, haben wir ein Sixpack von Deeper zum Probieren erhalten, was wir selbstverständlich noch so gerne gemacht haben. Und die Craftbier-Liebhaber unter uns sind begeistert. Deeper mit seiner sehr schönen, goldenen, leicht trüben Farbe und einem ausgewogenen Kohlensäuregehalt kommt mit einer intensiven, aber sehr angenehmen Zitrus-Note. Das Bier schmeckt dadurch frisch und hinterlässt einen langanhaltenden, angenehmen und nicht zu starken Geschmack im Gaumen. Alles in allem ein mehr als gelungenes, sehr charakteristisches IPA, mit dem wir jederzeit gerne anstossen werden.
(mw)