Huawei Mate Xs: Die Zukunft ist hier

Huaweis Mate Xs ist der Nachfolger des Mate X, das es hierzulande nie offiziell in die Verkaufsläden geschafft hat. Das Xs-Modell aber, vollgepackt mit aktuellster Hardware, wird auch in der Schweiz verkauft und kostet stolze 2499 Franken. Ein stolzer Preis, sicher, doch das Gefühl, wenn man das Gerät das erste Mal in den Händen hält, es auffaltet und das 6,6-Zoll-Phone in ein 8-Zoll-Tablet verwandelt, ist schlicht unbeschreiblich. Futuristisch ist wohl das einzige Wort dafür. Das Mate Xs besteht aussen quasi nur aus Display, denn im gefalteten Modus ruht auf der Rückseite ein 6,38 Zoll Screen, der so etwa für Selfies zum Einsatz kommt.

Die Angst vor Unfällen

Man muss dazu aber auch sagen, dass dieser Wow-Effekt relativ schnell verfliegt und dass das Gerät sehr delikat ist. Die Angst, das Handy auf den Boden fallen zu lassen, ist gross. Der mitgelieferte Bumper, der das Mate Xs an den Kanten umhüllt, sollte zwar das Gröbste abfedern können. Die Sache ist aber, dass die Montage etwas Feinarbeit benötigt. Falls etwas schief geht, etwa die Hülle nicht ganz am Gehäuse klebt, kann der Bumper nicht mehr entfernt werden, ohne ihn zu zerstören. Und ohne sieht das Mate Xs einfach viel besser aus.

Was beim Erhalt des Geräts sofort auffällt: Die Verpackung ist deutlich grösser als normalerweise. Für die knapp 2500 Franken (das Gerät gibt es übrigens nur in einer Farbe: Interstellar Blue) erhält man nebst Herstellergarantie und Bedienungsanleitung USB-C-Kopfhörer, das bereits erwähnte Bumper-Case sowie ein 55-Watt-Ladegerät. Damit lässt sich das Gerät innerhalb von rund 30 Minuten auf 85 Prozent aufladen. Der Akku (4500 mAh) hält übrigens trotz des riesigen Displays gut einen Tag durch, auch wenn man das Gerät oft benutzt, sei es zum Spielen, Fotografieren oder Surfen.


Die erwähnte Haltbarkeit ist sicher ein wichtiges Thema, das potenzielle Käufer beschäftigt. Wie robust ist das Mate Xs? Wer das Telefon zum ersten Mal in den Händen hält, merkt sofort: Hier ist Vorsicht geboten. Bei längerem Gebrauch fängt man aber an, auf das Design zu vertrauen, und nach einer Weile fühlt es sich normal an, das Gerät auf- und zuzuklappen. An der rechten Seite des Geräts befinden sich drei Buttons: ein Einschaltknopf inklusive Fingerabdruck-Scanner, der extrem schnell reagiert und das Mate Xs entsperrt, sowie die Lautstärketasten. An der Unterseite befinden sich der Lautsprecher sowie ein USB-C-Port. Mit 300 Gramm ist das Mate Xs derweil nicht gerade ein Leichtgewicht und zugeklappt misst es ganze 11 Millimeter. Aufgeklappt sind es aber nur 5,4 Millimeter, was sehr dünn ist – abgesehen von der etwas dicken Ausbuchtung an der rechten Seite, wo die Kamera untergebracht ist. Diese dient aber auch dem Tragekomfort und bietet vor allem im ausgeklappten Zustand guten Halt. Und ein sicherer Halt ist genau das, was man sich von einem Telefon wünscht, das Tausende von Franken kostet und etwas zerbrechlich scheint.

Display: Plastik oder Glas?

Huawei hat sowohl das Display als auch den Scharniermechanismus im Vergleich zum Mate X verbessert. So besitzt das Display nun eine doppelte Schicht Poly­amid. Diese Schichten bestehen aus ­einem flexiblen OLED und schliesslich einem After-Polymer, das als Polster zwischen der Anzeige und dem Telefongehäuse dient, während das Falcon-genannte Scharnier des Vorgängermodells ebenfalls verstärkt wurde. Konnte man beim Mate X noch ein fast uhrarmbandähnliches Scharnier sehen, wird dieses nun durch zwei ovale Teile auf beiden Seiten verdeckt. Auch hier wird ein anderes Material verwendet, nämlich eine Wolframlegierung. Diese Verbesserungen haben dem Mate Xs definitiv eine gewisse Robustheit im Bezug auf das Design verliehen. Die mitgelieferte Bumper-Hülle ist allerdings zu empfehlen, da so immerhin die Kanten gut geschützt sind. Zudem wird das Telefon dadurch griffiger, und die Hülle steht ein wenig hervor. So berührt das Display nicht die Unterlage, wird es etwa auf einen flachen Tisch gelegt.

Aufgefaltet wird das Display, indem man auf der Rückseite rechts einen rot markierten Knopf drückt, der den Screen loslöst und ein Stück weit aufklappen lässt. Danach faltet man das Gerät mit den Händen ganz auf. Hier ist zu erwähnen, dass nicht ganz klar ist, wie man dies am besten bewerkstelligt. Da es keine Glasabdeckung gibt, ist das Display etwas weicher als gewohnt und gibt bei jeder stärkeren Berührung ein wenig nach. Darum sollte man so viele Finger wie möglich benutzen, um es aufzuklappen.


Die Farben des Displays sind kräftig und hell, und der Kontrast und Dynamik­umfang sind toll. In den Einstellungen kann man zudem zwischen den Farbprofilen lebendig und normal wechseln, die Farbtemperatur des Bildschirms nach Bedarf anpassen oder zwischen Standard-, Warm- und Kühlvoreinstellungen wählen. Die Lesbarkeit im Freien ist ebenfalls kein Problem. Leider gibt es aber einen kleinen erkennbaren Schatten in der Mitte des (aufgeklappten) Bildschirms, wohinter sich der Faltmechanismus verbirgt, was aber nicht weiter stört. Man kann wirklich nicht sehen, dass es hier im Grunde zwei Screens gibt, sondern nimmt sie als einzigen Bildschirm wahr. Das 8-Zoll-Display im Tablet-Zustand besitzt eine Auflösung von 2200 x 2480 Pixel und ein fast quadratisches Seitenverhältnis von 8:7,1. Im zusammengeklappten Modus sind es 1148 x 2480 Pixel und ein Seitenverhältnis von 16,5:9.

Es ist klar, dass Plastik schneller Kratzer zeigt als Glas. Das Telefon ist aber bereits mit einer Schutzfolie ausgestattet, die auf keinen Fall entfernt werden sollte, so dass, falls etwas zerkratzt wird, es der Bildschirmschutz ist und nicht das Display selbst. Denn der Schutz kann relativ einfach in einem Service-Center ersetzt werden. Ansonsten gefällt das Design von Huawei, denn statt wie etwa bei Samsungs Falt-Smartphone wird das Handy beim Zusammenklappen quasi zu einem normalen Gerät und kann auch so benutzt werden. Der ausgeklappte Formfaktor ist derweil perfekt, um Bücher oder Artikel im Internet zu lesen.

Kamera – eher Nebensache

In Sachen Kamerasystem führt das Mate Xs die Tradition von Huaweis P-Serie fort. So gleicht es dem des P30 Pro und bestehet aus einem 40-MP-Hauptsensor, einem 3-fach optischen, 30-fach digitalen zoombaren 8-MP-Telefotosensor, einem 16-MP-Weitwinkel- und schliesslich einer 3D-Time-of-Flight-Kamera. Die Erfahrung ist also vergleichbar mit der des P30 respektive P30 Pro und damit absolut hochwertig. Fotos sind scharf, farbecht und dank einer integrierten AI-Funktion, die Szenen erkennen kann, werden auch schnelle Schnappschüsse oft zu grossartigen Bilder. Weil das Display nach aussen gefaltet wird, kann Huawei zudem auf eine Selfie-Kamera verzichten. Man schaltet also einfach in den Selfie-Modus und dreht das Telefon um. So können die Haupt-Linsen verwendet werden, was zu eindeutig besseren Selfies führt als bei herkömmlichen Geräten. Eine weitere coole Funktion nennt sich Spiegelschiessen, wobei die Person, die fotografiert wird, sehen kann, wie das Foto aussehen wird. Alles in allem hätte Huawei hier ein wenig mehr reinpacken können, etwa das System des Mate 30 Pro, dass man sich quasi für das Kamera-System des P30 (Pro) entschieden hat, kommt dafür wohl dem Preis zugute.

Der Elefant im Raum

Ein Punkt, den man bei einem Huawei-­Gerät leider nicht unter den Tisch kehren kann, ist die Google-Huawei-Situation und die Sache mit den Apps. Wie allgemein bekannt ist, sind die Google-­Play-Dienste bei allen neu lizenzierten Huawei-­Geräten nicht verfügbar, was die berechtigte Frage aufwirft, was ein grossartiges Telefon bringt, wenn man keine Google-­Anwendungen darauf nutzen kann? Die Antwort ist nicht ganz einfach und hängt vom individuellen Gebrauch ab.


Huawei bietet mit der App Gallery und den Huawei Mobile Services zwar eine Alternative zu Googles Ökosystem und investiert Millionen von Dollar, um App-Entwicklern zu helfen, ihre Apps darüber zum Download zur Verfügung zu stellen. Doch wirklich ersetzen kann der chinesische Hersteller die Apps, die vielfach Googles APIs verwenden, leider nicht. Wer also von einem von Google zertifizierten Smartphone auf ein aktuelles Huawei-Gerät wechselt, wird viele Apps vermissen. Zwar gibt es Wege, diese zu installieren, etwa über App Stores von Drittanbietern, doch nicht alle davon funktionieren.

EMUI und Multi-Tasking

Als OS kommt die Open-Source-Version von Android in Version 10 zum Einsatz Das Mate Xs verwendet Huaweis EMUI-Oberfläche, ebenfalls in Version 10 und mit einigen neuen Verbesserungen, etwa um den zusätzlichen Platz auf dem Bildschirm und die Möglichkeiten des Aufklappens zu nutzen. Ein Beispiel ist hier die Funktion App Expansion, mit der mehrere Ansichten bestimmter kompatibler Anwendungen auf einmal sichtbar gemacht werden können. Ausserdem wurde die Multi-Tasking-Fähigkeit beim Mate Xs auf bis zu drei Apps erweitert – zwei nebeneinander angedockt und eine dritte darüber schwebend, was die Koordination zwischen Apps erstaunlich einfach macht. Ein langes Halten der Zurück-­Wisch-Geste öffnet zudem eine Leiste, aus der Apps schnell geöffnet oder entweder in das obere, untere, linke oder rechte Segment des Bildschirms gezogen werden können, um so ein neues Multi-­Tasking-Fenster zu öffnen.


Vieles ist Software-seitig also gut gelöst, die Thematik rund um Google aber ist schade, handelt es sich beim Mate Xs, und im Übrigen auch bei anderen aktuellen Huawei-Geräten, doch um technologisch innovative Hardware. Beim Mate Xs gibt es explizit 8 Gigabyte RAM und 512 Gigabyte Speicherplatz, gepaart mit dem neues Chip aus dem Hause Huawei, dem Octa-Core-Kirin 990, samt integriertem 5G-Modem. Also definitiv mehr Leistung, als jeder normale Verbraucher je brauchen wird. Das zeigt sich im Alltag: Alles startet und läuft extrem flüssig, alle Animationen sind schnell und auch rechenintensive Apps wie Spiele bringen das Mate Xs nicht ins Schwitzen.

Quicktest

So fühlt sich das Smartphone der Zukunft an. Dass das nicht billig ist und sich nicht für jeden eignet, ist aber klar. Die Software des Mate Xs nutzt die Faltfähigkeiten des Telefons allerdings hervorragend und die Kameras sowie die 5G-fähige CPU sorgen für Top-Leistung. Einziger Wermutstropfen: Man muss wohl noch länger ohne Google-Apps auskommen. Doch ja, auch ohne die Google Play-Dienste ist das Huawei Mate Xs durchaus sinnvoll nutzbar. Wer also ein Stück Zukunft in der Tasche haben möchte, kann getrost zugreifen.

Info: Huawei


Wertung: 5 von 6 Sternen (swe)