Es ist wie mit dem Pawlowschen Hund: Bei Hard- und Software denkt man reflexartig an Silicon Valley und amerikanische Grossmächte wie Google, Facebook, Microsoft oder Apple. Der Blick aufs Smartphone relativiert jedoch die Perspektive. Apps von SBB, Meteoswiss, Local.ch oder Zattoo und Doodle stechen ins Auge.
So entwickelt sich der Softwaremarkt wie andere auch: Neben den dominierenden globalen Brands (Coca-Cola) gibt es Platz für lokale Champions (Ramseier, Rivella). Letztere trotzen nicht nur seit Jahren der Globalisierung, sondern erhalten im Zuge jüngster Skandale rund um (angebliche) Manipulationen auf einschlägigen Social-Media-Plattformen neue Bedeutung: Swiss Made Software könnte in Zukunft jenes Vertrauen schaffen, das die grossen Player derzeit gerade verspielen.
500-mal Swiss Made Software
Was vor zehn Jahren gewissermassen als Selbsthilfe-Marketingaktion gegen die US-Vormachtstellung begann, repräsentiert heute eine wachsende Wirtschaftskraft von zunehmend auch politisch strategischer Bedeutung. 500 Softwareunternehmen haben sich inzwischen dem Label angeschlossen. Zusammen beschäftigen sie mehr als 10’000 Mitarbeitende. Allein 2017 stiessen über 100 neue Labelträger dazu. Mit anderen Worten: die Schweizer Softwarebranche lebt – und wie!
Als Swiss Made Software 2007 seinen Ursprung nahm, war die Wahrnehmung aber noch eine ganz andere. In erster Linie ging es darum, ein (Selbst-)Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der einheimische Softwarewerkplatz durchaus in der Lage ist, Produkte von Weltformat hervorzubringen. Dass es sich hier nicht nur um blanke Theorie handelt, demonstriert unter anderem Noser Engineering, das sämtliche Core-Libraries des Android-Smartphone-Betriebssystems für Google entwickelte. Somit steckt in weltweit neun von zehn Smartphones eine gute Portion Swiss Made Software. Ausserhalb der lokalen ICT-Branche interessierte dies aber leider weder Medien noch Politik.
Bern ignoriert die Entwicklung
Diese Haltung änderte sich in den Nuller-Jahren markant. Im Nachklang der Finanz- und Bankenkrise wurde aus der "Selbsthilfegruppe" ein wirtschaftsstatistisch anerkannter (wenn auch kaum erfasster) Wirtschaftsfaktor. Fakt ist, dass sich die Labelträger trotz zu erwartendem rückgängigem Auftragsvolumen aus ihrer Kernzielbranche, der Finanzindustrie, mehr als nur wacker behaupteten: Praktisch sämtliche Swiss-Made-Software-Unternehmen legten in punkto Mitarbeitende und Umsatz kontinuierlich zu. Dies zeigt sich auch in den branchenweiten offiziellen Beschäftigungszahlen: Arbeiteten 2001 noch 140’000 Personen in der ICT-Branche, waren es 2015 über 210’000.
Das ist mittlerweile auch in Bern angekommen. Gibt es doch zahlreiche Strategien zum Thema Digitalisierung. Doch kaum ist das Thema in der Schweiz gesetzt, verliert der vorbehaltlose Technologieglaube andernorts mehr und mehr seine Anhänger. Cambridge Analytica dürfte hier nur der vorläufige Höhepunkt sein. Dass die Stimmung umschlägt, zeigt auch die EU. Im Rahmen der neuen DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) kündigt sie bei fahrlässigem Umgang mit Daten drakonische Strafen an.
Für die Schweiz und das Label Swiss Made eigentlich eine Chance. Die hiesige Datenschutzgesetzgebung war der Welt eigentlich einen Schritt voraus. Doch die letzten Entscheide auf Bundesebene stimmen nicht gerade zuversichtlich. Sei es deren Aufweichung oder die Absage zur Datenportabilität, welche die EU ab Mai fordert.
Somit droht sich die Geschichte zu wiederholen. Während die Branche voranschreitet, ignoriert Bern die Entwicklung oder steuert sogar gegen.
Es stellt sich also die Frage: Wie wichtig ist Swiss Made Software der Schweizer Politik?