In der Antike wurde der Überbringer einer schlechten Botschaft geköpft. Dieses Horrorszenario haben wohl auch manche Führungskräfte vor Augen, wenn sie vor der Aufgabe stehen, einen Mitarbeiter zu entlassen – insbesondere in KMU. In kleinen und mittelgrossen Unternehmen müssen die Vorgesetzten häufig solche folgenschweren Entscheidungen treffen und diese den betroffenen Angestellten überbringen.
Solche Entscheidungen dürften vielen Geschäftsführern von KMU oftmals schlaflose Nächte bescheren, bevor sie definitiv beschliessen, welcher Mitarbeiter entlassen werden soll. Und scheinbar endlos überlegen sie sich, ob sie den Schritt machen sollen, und schieben diese Entscheidung nicht selten so lange vor sich her, bis ein akuter Vorfall sie zur Überzeugung bringt. In solchen Fällen wird sozusagen über Nacht ein Schlussstrich gezogen, und aus der sachlich notwendigen wird plötzlich eine von Emotionen geprägte Entscheidung – mit der Konsequenz, dass der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer letztlich im Zorn auseinandergehen.
Persönliche Beziehung zu Mitarbeitern als Problem
Dabei fällt auf: Sogar Führungskräften, die ansonsten sehr entscheidungsfreudig sind, fällt der Beschluss, sich von einem Mitarbeiter zu trennen, oft schwer. Selbst wenn sie sich beispielsweise zum Kauf einer Maschine oder Computeranlage noch so schnell entschliessen, ist ihre Entscheidung, einen Mitarbeiter zu entlassen, häufig ein endlos langer, quälender Prozess. Denn ein Mitarbeiter ist keine Maschine. Einen Mitarbeiter zu entlassen heisst stets auch, dessen künftiges Schicksal mitzuentscheiden. Doch nicht nur sein eigenes Schicksal, sondern teilweise auch das seines Lebenspartners und seiner Kinder, die von dem Gehalt mitleben.
Dazu kommt, dass in Klein- und Mittelunternehmen der Chef und seine Mitarbeiter meist enger zusammenarbeiten als in Grossunternehmen, und sie sitzen nicht selten Tür an Tür. Deshalb wachsen zwischen ihnen auch persönlichere Beziehungen. Entsprechend schwer fällt es den Vorgesetzten, einem Mitarbeiter zu sagen, dass man sich trennen sollte oder gar trennen muss. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kündigung nicht betriebsbedingt ist, sondern mit Verhaltens- oder Kompetenzdefiziten begründet wird. Dann geht das Aussprechen der Kündigung meist mit dem Beendigen der persönlichen, zuweilen freundschaftlichen Beziehung einher. Denn eine Fiktion ist der Glaube, den insbesondere jüngere, unerfahrene Führungskräfte zuweilen hegen, dass man den Mitarbeiter zwar entlassen, aber weiterhin eine gute, persönliche Beziehung mit ihm pflegen kann. Dies ist eine Illusion. Vor allem, weil der gekündigte Mitarbeiter – auch aus Selbstschutz – die Ursache für die Kündigung in der Regel nicht bei sich selbst, sondern beim Chef sucht und ihn in KMU hierfür auch verantwortlich macht. Und gerade weil in Kleinbetrieben zwischen Chef und Mitarbeiter oft eine persönliche Beziehung besteht, erlebt der Mitarbeiter die Kündigung auch als eine persönliche Enttäuschung.
Eigene Fehler sollte man sich eingestehen
Doch noch aus weiteren Gründen fällt vielen Chefs von KMU das Kündigen schwer. So müssen sie sich zum Beispiel, wenn sie die Entlassung eines Mitarbeiters erwägen, nicht selten eigene Fehler oder Versäumnisse eingestehen. Zum Beispiel, dass sie den falschen Mitarbeiter eingestellt haben, die Entwicklung des Geschäfts falsch einschätzten oder bei Fehlentwicklungen nicht rechtzeitig gegengesteuert haben.
Deshalb schreiben sie sich, wenn sie eine Kündigung aussprechen müssen, oft eine gewisse Mitschuld zu. Ein weiterer Punkt, der es ihnen erschwert, die notwendige Entscheidung rechtzeitig zu treffen. Zudem geraten viele Führungskräfte, wenn sie einen Mitarbeiter entlassen, mit ihrem Selbstbild beziehungsweise mit dem Bild, das sie bei ihren Mitarbeitern hinterlassen möchten, in Konflikt. Dies gilt speziell für Führungskräfte, die ansonsten einen partnerschaftlich-kooperativen Umgang mit ihren Untergebenen pflegen. Sie befinden sich plötzlich in einer Situation, in der sie die Macht, die sie aufgrund ihrer Führungsposition haben, offen zeigen müssen. Dies versetzt sie in innere Panik. Unter anderem, weil sie sich auch fragen, was die anderen Mitarbeiter denken, wenn einer ihrer Kollegen entlassen wird und inwiefern diese Entscheidung das Verhältnis zwischen Chef und Angestellten beeinflusst. Hinzu kommt, dass die Angestellten eventuell die Angst packen könnte, dass es sie als nächstes trifft.
Verbleibende Mitarbeiter sehen Kündigung oft voraus
Die Praxis zeigt, dass die Befürchtungen der Mitarbeiter, dass es einen selbst als nächstes treffen könnte, meist unbegründet sind. Und die verbleibenden Arbeitnehmer haben in der Regel mehr Verständnis für die Entlassungsentscheidung der Führungskraft als diese glaubt. Gerade erfahrene Mitarbeiter haben oft einen sechsten Sinn dafür, was betrieblich notwendig ist, auch weil sie in KMU die meisten Geschäftsprozesse hautnah miterleben. Zudem haben sie ein Gespür für die Stärken und Schwächen ihrer Kollegen und sie registrieren sehr wohl, dass ein Mitarbeiter zwar nett, aber überfordert ist. Also haben sie auch eine Nase dafür, wann eine Kündigung fällig ist. Dazu kommt, dass Arbeitnehmer häufig weniger Verständnis für den Langmut ihrer Vorgesetzten haben und schon viel früher die Reissleine gezogen hätten. Sie erwarten von ihrem Vorgesetzten geradezu, dass er die nötigen Konsequenzen zieht. Das ist auch ein Hauptproblem, wenn Führungskräfte notwendige Kündigungen auf die lange Bank schieben. So entsteht bei ihren Mitarbeitern das Gefühl, dass die Führungskraft mit zweierlei Mass misst, etwa, dass professionelles Arbeiten gefordert wird, man beim betroffenen Kollegen aber Nachlässigkeiten durchgehen lässt. Zudem kann sich die Unzufriedenheit verdichten, beispielsweise wenn Arbeitnehmer stets die Versäumnisse des Arbeitskollegen ausbessern müssen. Darunter kann auch die Leistung der anderen Mitarbeiter leiden und das Leistungsniveau insgesamt sinkt.
Was wäre, wenn der Mitarbeiter bleibt?
Eine notwendige Kündigung auszusprechen ist ein Teil der Führungsaufgabe. Zumindest dann, wenn es aus betrieblichen Gründen unvermeidbar ist, dass der Mitarbeiter geht und alle alternativen Handlungswege, wie Förder- und Kritikgespräche, Abmahnungen, Veränderung des Aufgabenfeldes, ausgeschöpft sind. Die Entscheidung, den entsprechenden Mitarbeiter zu entlassen, müssen die oberen Führungskräfte von KMU, wie viele unternehmerische Entscheidungen, oft alleine treffen. Diese Last nimmt ihnen niemand von den Schultern.
Hilfreich ist es in solchen Situationen, mit einem unbeteiligten Dritten, beispielsweise einem Coach, der Pros und Contras abzuwägen hilft, zu sprechen. Hilfreich ist es auch, sich die Frage zu stellen: Welche Konsequenz hat es, wenn der Mitarbeiter bleibt? Für die Führungskraft? Für das Unternehmen? Für das Verhalten der Kollegen? Danach fällt es dem Vorgesetzten meist leichter, sich zu entscheiden.
Zehn Tipps für das Führen von Trennungsgesprächen
1. Bereiten Sie sich auf Kündigungsgespräche gut vor. Schreiben Sie ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess. Klären Sie zunächst die juristische Seite. Handelt es sich um eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung oder eine betriebsbedingte Kündigung? Wann, wo und von wem wird die Entscheidung bekannt gegeben – mit welcher Begründung? Gibt es eine Abfindung? Ist eine Freistellung möglich/sinnvoll?
2. Führen Sie als Vorgesetzter, soweit möglich, das Kündigungsgespräch selbst. Auch wenn es Ihnen als Chef schwerfällt. Wurde die Kündigung zum Beispiel von der Personalabteilung schon per Post zugestellt, suchen Sie unmittelbar danach das Gespräch.
3. Stellen Sie sicher, dass das Gespräch ohne Störungen von aussen verläuft.
4. Teilen Sie die Kündigung nach einer kurzen Einleitung klar und sachlich mit. Nennen Sie das Kind beim Namen, verstecken Sie die Nachricht nicht hinter Anglizismen wie Downsizing.
5. Reagiert der Gekündigte auf die Nachricht geschockt oder aggressiv oder weint er, warten sie ab, bis er sich gefasst hat. Geschieht dies nicht, unterbreiten Sie dem Gekündigten den Vorschlag, das Gespräch über die Trennungsmodalitäten zu einem späteren Zeitpunkt zu führen.
6. Bereiten Sie sich auf die Frage vor: "Warum ich?" Bei einer Sozialauswahl können Sie sich auf die rechtliche Lage berufen. Wenn Fertigkeiten oder Leistungsunterschiede (mit-)entscheiden, müssen Sie beim Begründen viel Fingerspitzengefühl zeigen: Einerseits, um den zu kündigenden Mitarbeiter nicht zu verletzen, andererseits, damit die Kündigung nicht juristisch anfechtbar wird.
7. Prüfen Sie bei einer personen- und verhaltensbedingten Kündigung genau, ob die rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Wenn Zweifel bestehen, streben Sie einen Aufhebungsvertrag an.
8. Lassen Sie sich auf keine Diskussion über den Kündigungsgrund und/oder die Auswahlkriterien ein. Sonst diskutieren Sie über die Kündigung selbst.
9. Bieten Sie dem Gekündigten gegebenenfalls Hilfen beim Aufbau einer neuen beruflichen Perspektive an – zum Beispiel, dass Sie ihm als Referenz bei einem eventuellen neuen Arbeitgeber dienen. Oder indem Sie ihm die Unterstützung durch einen externen Karriereberater offerieren.
10. Bedenken Sie: Ein fair gestalteter Kündigungs- und Trennungsprozess hilft Ihnen, die versteckten Kosten jedes Personalabbaus zu mindern – etwa durch ein Sinken der Arbeitsmotivation der verbleibenden Mitarbeiter. Denn diese registrieren genau, wie fair Sie sich gegenüber ihrem (Noch-)Kollegen verhalten. Und dies wirkt sich auf ihr künftiges Verhalten aus.
Der Autor
Dr. Albrecht Müllerschön ist Inhaber der Müllerschön Managementberatung, Starzeln (Baden-Württemberg), die auf das Themenfeld Personalauswahl, -diagnostik und -entwicklung spezialisiert ist. Der Wirtschaftspsychologe ist Autor mehrerer Personal-Fachbücher und Lehrcoach an der Uni Tübingen (Internet:
www.muellerschoen-beratung.de).