Wiki und die bösen Männer
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/01
Die Welt ist schlecht. Darum kann ich mein Fahrrad keine fünf Minuten unabgeschlossen am Strassenrand stehen lassen, und darum taugen auch all die hehren «Alle für einen – einer für alle»-Visionen bestenfalls als romantisierende Hollywood-Drehbücher. Mit dieser Realität wurde in den letzten Monaten auch Wikipedia konfrontiert (Seite 53). Das Jekami-Online-Lexikon sah sich von mehr oder weniger spassigen Vögeln missbraucht und wurde dafür auch noch von allen Seiten ausgesprochen hart kritisiert. In den USA ist gar eine der berüchtigten Sammelklagen in Vorbereitung.
Im Grunde genommen vollzieht die Consumer-ICT damit nur eine Umorientierung nach, die in der Unternehmens-IT schon länger im Gange ist. Technik wird nicht mehr um der Technik Willen angeschafft, sie ist vielmehr Mittel zum Zweck. Genauso wie die Unternehmen von der ICT eine Beschleunigung ihrer Prozesse oder Kosteneinsparungen erwarten, kauft der Endanwender einen MP3-Player, weil er Musik hören will.
Da wird klar, dass eine Non-Profit-Organisation von Freiwilligen, die sich anschickt, die grösste strukturierte Wissensdatenbank der Welt aufzubauen, den wirtschaftlichen Interessen vieler Hersteller im Wege steht. Schliesslich deutet alles darauf hin, dass beispielsweise Google seine Inhalte künftig auch über Hardware-Verkäufe vergolden will.
Der proprietäre Ansatz, der hinter dem Versuch steht, Wikipedia zu verunglimpfen oder gar zur Kommerzialisierung zu zwingen, ist aber so kurzsichtig wie die Versuche der Musikindustrie, Filesharer mit technischen Mitteln oder gar gerichtlich zu behindern. Und er wird hoffentlich genauso scheitern.