E-Mail-Anfragen ins Nirvana
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/22
Obwohl Schweizer Unternehmen viel Geld in Werbekampagnen zur Generierung neuer Kunden stecken, werden Anfragen von Interessenten, die von sich aus auf ein Unternehmen zugehen, häufig nur ungenügend oder gar nicht beantwortet. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie zum Umgang von Firmen mit E-Mail- und Telefonanfragen. Vor allem das Lead-Management (Behandlung von Interessenten) von potentiellen Kunden, die den elektronischen Kanal wählen, weist demnach auch heute noch grosse Defizite aus. So wundert man sich, dass grosse Versicherungen und Krankenkassen, die noch vor kurzem reihenweise spezielle Online-Shops aus dem Boden gestampft hatten, weil sie im Internet das grosse Geschäft witterten, kaum über strukturierte und durchgesetzte Prozesse für den Umgang mit Standardanfragen zu verfügen scheinen.
Die Meilener Dialog-Marketing-Beratungsfirma RBC Solutions und die auf elektronische Marketing-Lösungen spezialisierte Zürcher Nemuk stellten für ihre Untersuchung 124 Unternehmen aus der Versicherungs-, Krankenkassen-, Reise- und Einrichtungsbranche sowie aus dem Detailhandel standardisierte Anfragen per Telefon und per E-Mail. Dabei wurden zum einen anonym generelle Unterlagen über die Dienstleistungen und Produkte angefordert. Mit einer zweiten Frage wurde ein spezielles Angebot nachgefragt.
Die erstaunlichsten Ergebnisse der Untersuchung: Ein Viertel der Firmen hat auf die generelle Anfrage gar nicht reagiert oder die angeforderten Unterlagen nicht zugestellt, und nur 5 Prozent meldeten sich später noch einmal beim potentiellen Kunden, um nachzufassen. Bei der telefonischen Umfrage kam der Schnitt der Firmen auf knapp über 50 Prozent der möglichen Punktzahl. Noch schlechter zeigte sich der Umgang mit dem Kanal E-Mail. Die Firmen erreichten im Schnitt nur rund 40 Prozent der Maximalbewertung.
Auch für Qris Riner, der die Studie für Nemuk betreute, waren die Ergebnisse auf den ersten Blick überraschend. Aus seiner täglichen Berufspraxis kennt er aber die Probleme von Unternehmen mit dem Kanal E-Mail. Dieser Kommunikationsweg habe sich in den letzten Jahren nach und nach eingeschlichen, so dass strukturierte Prozesse nie wirklich etabliert wurden, erklärt Riner. Nach seiner Schätzung hat nur etwa ein Viertel der Unternehmen Richtlinien festgehalten, die den Umgang mit E-Mails verbindlich regeln: wie schnell beispielsweise eine Mail beantwortet werden muss, oder wie eine Antwort verfasst werden soll.
Offensichtlich unterschätzen die meisten Unternehmen das Instrument E-Mail zur Kundenkommunikation massiv. Es wird immer noch von vielen als netter, billiger Zusatz betrachtet. Dem widersprechen aber Fachleute. Sie erwarten, dass E-Mail und Internet in Zukunft ganz klar das Telefon und das persönliche Gespräch als wichtigste Kommunikationskanäle ablösen werden. In Deutschland sehen laut einer Untersuchung des Kundenkommunikations-Softwareanbieters Novomind 85 Prozent der Kommunikationsverantwortlichen, dass E-Mail in den nächsten Jahren stark an Bedeutung zulegen wird. Beim Internet sehen fast 76 Prozent einen starken Bedeutungszuwachs. Telefon und persönliches Gespräch kamen in dieser Erhebung beide nur auf eine künftige Wichtigkeit von rund 40 Prozent.
Viele der Mängel im Umgang mit E-Mail-Anfragen sind auf ungenügend ausformulierte oder durchgesetzte Prozesse zurückzuführen. Dies zeigt sich vor allem in den Detailanalysen der Schweizer Studie. So bestätigen nur 9 Prozent den Eingang der elektronischen Anfrage. Zentrale Elemente wie eine personalisierte Ansprache oder die Angabe einer spezifischen Ansprechperson fehlen in einem Drittel der Antworten. Auch dass nur 31 Prozent über ein Kontaktformular verfügen, über das Anfragen gestellt werden können, zeigt, wie planlos mit Mails umgegangen wird. Dabei wäre ein strukturiertes Formular ein einfacher und entscheidender Schritt, um den Bearbeitungsaufwand massiv zu verkleinern und die Qualität der Antworten zu verbessern.
Interessant ist, dass Detailhändler von der Bahnhofstrasse im Schnitt besser abschneiden als grosse, elektronisierte Konzerne wie Versicherungen oder Krankenkassen. Riner erklärt dies mit der grösseren persönlichen Verantwortungshaltung von Mitarbeitern in kleinen Betrieben. Bei grossen Organisationen sei die Anzahl der Anfragen auch massiv grösser. Entsprechend grösser sind die organisatorischen Anforderungen an den Kundendienst. Häufig beginnen laut Riner, die Probleme damit, dass Marketing und Kundendienst organisatorisch und technisch zu getrennt sind. Kommunikationsprobleme zeigten sich dann zum Beispiel darin, dass die Mitarbeiter, die die Anfragen entgegennehmen, nicht darüber informiert sind, dass gerade eine grosse Kampagne gestartet wurde.
Als weiteren Bremser identifiziert Riner auch die Werbebranche. Diese hätte häufig gar kein Interesse an der Messbarkeit ihrer Kampagnen und lege darum auch wenig Wert auf ein die Werbekampagnen begleitendes, strukturiertes Lead-Management.
Schweizer Firmen und der Internet-Kanal
Die unterstützenden Software-Tools für ein effektives Lead-Management sind heute vorhanden, so Riner. Eine Vollautomatisierung sei dabei gar nicht erstrebenswert, schliesslich erwarte der Kunde auf eine persönliche Anfrage auch eine persönliche Antwort. Das Hauptmanko bestehe heute bei den Prozessen und beim Change-Management. Dafür sei es nötig, vor allem einmal Zeit zu investieren, um die Abläufe klar zu analysieren und festzulegen. Leider werde aber die Rechnung meist nicht richtig gemacht und nur viel Geld für Kampagnen aufgewendet, statt auch das nachfolgende Lead-Management zu optimieren, so sein Fazit.
Jedes Unternehmen wurde im Rahmen der Studie zweimal elektronisch und zweimal telefonisch angefragt. Natürlich könne man diese Stichprobengrösse der als Pilotstudie bezeichneten Untersuchung bemängeln, gibt Riner offen zu. Er sei allerdings der Überzeugung, dass die Ergebnisse durchaus die Realität widerspiegeln. Zudem ist praktisch parallel zur Schweizer Untersuchung eine ähnlich gelagerte Studie des deutschen «Handelsblatt» veröffentlicht worden, die zu ähnlichen Schlüssen kommt. Die zentralen Erkenntnisse dieser wesentlich umfangreicher angelegten Studie: Im Schnitt dauerte die Beantwortung einer E-Mail-Anfrage 2,7 Arbeitstage, jede zwölfte E-Mail wird nie beantwortet.
Ein Kontaktformular lässt sich mit einfachen Mitteln verbessern. So lässt sich die Zahl der Kontaktabbrüche verringern, die Zufriedenheit erhöhen, die Bearbeitung beschleunigen und die Antwortqualität anheben.
Durchgängig erreichbar mit höchstens zwei Clicks: Ein umständlicheres Finden schreckt potentielle Interessenten ab.
Vorteile einer Kontaktaufnahme für den Anwender kommunizieren.
Mehrwerte wie kostenlose Beratung als Teaser anbieten, um die Chance einer Kontaktaufnahme zu erhöhen.
Thematische Zuordnung der Anfrage durch den Interessenten selber erleichtert die interne Weiterleitung
(z. B. via Drop-Down-Menü).
Wahlmöglichkeit des bevorzugten Antwortkanals (Mail, Telefon, Hausbesuch etc.) baut Kontakthemmungen ab.
Strukturierte Datenabfrage beugt Missverständnissen und falschen Antworten vor.
Auf das Notwendige reduzierte Datenabfrage. Zu ausführliche Formulare schrecken ab.
Integration einer direkten Weiterempfehlungsmöglichkeit bringt die Möglichkeit zusätzlicher Kontakte.
Bereitstellung elektronischer Verkaufunterlagen in druckbarer Form, damit sich ein Interessent auch offline mit den Angeboten auseinandersetzen kann.
Verweis auf eigene Datenschutzrichtlinien erhöht das Vertrauen.
Bewerbung des eigenen Newsletters (opt-in!), um eine dauerhafte Kommunikation aufzubauen.