Letzthin gab es mal wieder so eine Veranstaltung, an der einer der weltweit grössten Computerhersteller noch ein bisschen grüner als alle anderen sein wollte – ja eigentlich schon seit 20 Jahren grüner als alle anderen ist, dies einfach bis heute aus Bescheidenheit nicht so kommuniziert hat.
Einmal abgesehen davon, dass ich den Begriff Green IT nicht mehr hören kann und dass sich der CEO des besagten Unternehmens gleich selbst disqualifiziert hat, indem er den Namen von Greenpeace vergass («…diese Umweltorganisation... die grösste... ähhhm... wie heisst sie doch gleich...»), hat mich an der Veranstaltung vor allem ein Punkt gestört: Gleichzeitig mit dem Loblied auf die grüne IT wurde nämlich bekanntgegeben, man sei jetzt auch in Second Life vertreten. Second Life? Im Klima- und Zeit-Killer schlechthin? Ist das wirklich nötig?
Dazu muss man wissen, dass ein Avatar aus Second Life annähernd soviel Energie beansprucht wie ein durchschnittlicher Brasilianer. Dies zumindest ist auf dem Blog von Nicholas Carr nachzulesen, der mit seinem Buch «Does IT Matter» und einer kritischen Einstellung zum «Mitmach-Web» für Aufsehen gesorgt hat und sorgt. Carr rechnet folgendes vor: 12’500 Avatare benötigen im Schnitt 4000 Server und 12’500 PCs. Ausgehend von einem Stromverbrauch von 120 Watt pro PC, 200 Watt pro Server und 50 Watt Kühlleistung pro Server schlucken die 12’500 Avatare demnach 60’000 Kilowattstunden täglich. Pro Avatar und Jahr ergibt dies einen Energieverbrauch von 1752 Kilowattstunden. Viel fehlt da tatsächlich nicht mehr zum Durchschnitts-Brasilianer mit seinen 1884 kWh.
Die Rechnung lässt sich aber noch weiter treiben. Laut Dave Douglas von Sun entsprechen die 1752 kWh des Avatars einem CO2-Ausstoss von 1,17 Tonnen pro Jahr. Das ist die Hälfte dessen, was ein Mensch jährlich produzieren dürfte, wenn er CO2-neutral und klimaverträglich sein wollte.
Also: Anstatt Second-Life-Inseln zu erstellen und vermeintlich grüne IT-Produkte verschachern zu wollen, sollte besagter Computerhersteller sein Marketing-Budget besser in eine Second-Life-Boykott-Kampagne investieren. Oder besser noch: Er sollte gleich das ganze Internet boykottieren. Laut der «New York Times» beansprucht nämlich jede Suchanfrage bei
Google so viel Strom wie eine Energiesparlampe pro Stunde. Und das Internet soll so viel CO2 generieren wie der gesamte Flugverkehr weltweit, behaupten Experten.
Was lernen wir also aus diesen Erkenntnissen? Second Life ist Teufelswerk. Die Zahl der Google-Anfragen pro Person muss rationiert werden, und wer übers Wochenende kurz nach London jettet, braucht sich kein schlechtes Gewissen zu machen – das ist immer noch umweltschonender, als das ganze Wochenende im Internet zu surfen.
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(mw)