Es muss nicht immer Exchange sein


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/21

     

Spätestens seit der aktuellen Version 2007 werden viele Systemadministratoren bestätigen, dass Microsofts Exchange-Server ein hoch skalierbares, stabiles und zuverlässiges E-Mail-System darstellt – sofern er richtig konfiguriert ist. Grosse Unternehmen, die viele Standorte miteinander vernetzen müssen und serverseitig auf die Windows-Plattform setzen, haben faktisch wenig Alternativen zu Microsofts E-Mail- und Groupware-Lösung. Kleine und mittelständische Unternehmen, die ebenfalls gerne die umfangreichen Exchange-Funktionen nutzen möchten, schrecken vor dem Produkt jedoch oft zurück. Die Gründe sind dabei meist zweierlei: die Kosten und die Komplexität der Software. Für diese Zielgruppe gibt es inzwischen interessante Alternativen, die einen näheren Blick verdienen.


Komplexität reduzieren

Grosse Unternehmen mit eigener IT-Abteilung haben meist mehrere Spezialisten, die sich hauptamtlich um die Administration und Pflege des E-Mail-Systems kümmern. Diese Mitarbeiter werden regelmässig im Umgang mit dem Produkt geschult. In kleinen bis mittelgrossen Firmen übernehmen die Aufgaben des Administrators meist entweder der Chef selbst, ein IT-affiner Mitarbeiter neben seiner eigentlichen Tätigkeit oder ein externer Dienstleister. Erfolgt die IT-Administration im Unternehmen, ist es bei KMU daher besonders wichtig, dass sich das E-Mail- und Groupware-System sehr einfach installieren und administrieren lässt.



Zur Verwaltung eines Mailsystems gehören nicht nur die Einrichtung und Löschung von Benutzerkonten, sondern auch die Konfiguration und Anpassung von Spam-Filtern, die Sicherung und Wiederherstellung von Postfächern und einzelnen E-Mails und die Aktualisierung des Virenscanners. Gerade die Datensicherung ist hier besonders kritisch. Denn ist sie zu komplex, wird sie in der Praxis nicht durchgeführt und damit ist zukünftiger Ärger vorprogrammiert. Übernimmt diese Verwaltungsaufgaben ein externer Dienstleister, macht sich eine einfachere Administration in geringeren Stundenabrechnungen positiv bemerkbar.


Die Plattformfrage

Auch bei der Auswahl des Betriebssystems als Basis für den E-Mail-Server unterscheiden sich grosse Unternehmen oft von KMU. Letztere wählen ihre Serverbetriebssysteme entweder nach vorhandenem Wissen oder persönlichen Interessen aus oder stellen vor allem den Kostenaspekt in den Vordergrund. Während Microsoft Exchange als unternehmensweiter Mailserver zwingend einen vergleichsweise teuren Windows-Server samt dem komplexen Active Directory sowie eine entsprechende Anzahl an Client-Access-Lizenzen (CALs) sowohl für den Server als auch für das Mailsystem voraussetzt, ist dies bei alternativen Systemen anders.


Ausreichend Hintergrundwissen vorausgesetzt, ist beispielsweise Linux als Betriebssystem für einen Mailserver an Stabilität kaum zu schlagen und in der Beschaffung sehr kostengünstig. Im kreativen Bereich, bei Werbeagenturen, Grafikern oder Verlagen, erfreut sich hingegen Mac OS X grosser Beliebtheit – sowohl auf den Arbeitsplätzen als auch auf dem Server. Für diese Gruppe liegt der Vorteil des Mac-Betriebssystems auf dem Server vor allem in der vertrauten Oberfläche, die dort die Administration vereinfacht. Für sehr kleine Unternehmen wiederum, die Windows-affin sind, auf die Kosten achten und im Gegenzug zu kleinen Kompromissen bereit sind, bieten alternative Mailserver auch die Möglichkeit, auf einem Client-Betriebssystem wie XP oder Vista zu laufen. Auch gegen die Clientversion von Mac OS X, die bekanntermassen auf dem Unix-Derivat FreeBSD basiert, ist als Basis für einen E-Mail-Server nichts einzuwenden.



Ob also Linux, XP, Vista oder Mac OS X – alle sind in der Beschaffung kostengünstiger als ein Windows-Server. Zudem gilt ähnlich wie bei Firewalls auch für Mailserver, dass über die Sicherheit des Systems letztlich die Qualität seiner Konfiguration entscheidet. Hier kann bereits die vertraute Oberfläche des Betriebssystems viel dazu beitragen, den Betrieb sicherer zu machen. Im Idealfall unterstützt ein Groupware-Server alle gängigen Betriebssysteme und lässt dem Anwender die Wahl, auf welcher Plattform er die Software betreiben möchte.


Wahlfreiheit beim E-Mail-Client

Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Auswahl einer Groupware-Lösung ist die Frage nach dem geeigneten Client. Denn nur wenn die Mitarbeiter den E-Mail- und Groupware-Client akzeptieren und so in letzter Konsequenz auch aktiv nutzen, können Unternehmen von den positiven Effekten eines Groupware-Servers tatsächlich profitieren. Zu den heute üblichen Groupware-Funktionen gehören neben der Verwaltung von E-Mails, Terminen, Kontakten, Notizen und Aufgaben auch die Koordination von Terminen und Ressourcen sowie der Zugriff auf öffentliche oder freigegebene Ordner – und zwar von überall aus.


Die Wahl des Groupware-Clients wird im KMU unter Windows meist auf Outlook oder Vista-Mail und -Kalender fallen, während Mac-Anwender ihr Entourage oder die Mail- und Kalenderanwendung von Mac OS X vorziehen werden. Linux-Anwender präferieren wahrscheinlich eher Thunderbird mit Lightning, Sunbird oder Evolution.



Bei der Unterstützung von Clients unter Mac OS X und Linux tut sich Microsoft Exchange ziemlich schwer. Denn insbesondere Macs ohne Entourage oder Linux-Rechner lassen sich dort meist nur über POP3 oder IMAP anbinden, womit viele Groupware-Funktionen wie die Vereinbarung von Terminen nicht nutzbar sind. Zwar unterstützen die Clients auf diesen Plattformen zu diesem Zweck das CalDAV-Protokoll. Exchange ist dieses Protokoll jedoch fremd. Evolution versucht über einen eigenen Outlook-Konnektor Zugriff auf Exchange zu bekommen, doch greift dieser nicht nativ auf Exchange zu. Er nutzt als Schnittstelle zwischen Client und Server nicht Microsofts MAPI-Protokoll, sondern die Webschnittstelle von Exchange. Sollte Microsoft im Rahmen eines Service Pack etwas an Outlook Web Access ändern, funktioniert der Konnektor nicht mehr. Zudem gibt es immer noch keinen Konnektor zu Exchange 2007.


Schwierig wird es auch umgekehrt, wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter sein Outlook unter Windows per POP3 oder IMAP an einen Linux-basierten Groupware-Server anbinden möchte. Hier gibt es jedoch die Möglichkeit, über einen clientseitigen Outlook-Konnektor die Vorteile von Linux auf dem Server und die Leistungsfähigkeit von Outlook auf dem Client zu nutzen. Funktionierende Konnektoren auf MAPI-Basis stellen einige kommerzielle Hersteller von E-Mail- und Groupware-Server zur Verfügung.


Mobilität wird immer wichtiger

Ein weiterer Grund für die Popularität von E-Mail ist die Unterstützung von Push-Mail – das heisst die direkte Übertragung der auf dem Server eingehenden E-Mails auf das Mobiltelefon des Empfängers. Seit dem Service Pack 2 für Exchange 2003 ist Push-Mail mit Hilfe des Exchange-ActiveSync-Protokolls auch ohne Blackberrys und teure Middleware möglich. Neben Smartphones und PDAs mit Windows Mobile können zudem mobile Endgeräte wie das iPhone oder Symbian-basierte Mobiltelefone von Nokia oder Sony Ericsson auf diesem Weg direkt mit einem Exchange-Server Verbindung aufnehmen und neue E-Mails ein paar Sekunden anzeigen. Implementiert ein E-Mail- und Groupware-Server eines Drittanbieters ebenfalls das Exchange-ActiveSync-Protokoll, steht diese Funktion auch dort zur Verfügung.



Schliesslich sollten Unternehmen darauf achten, dass ihr Groupware-Server auch über einen Webclient verfügt, der einerseits alle gängigen Browser vollständig unterstützt und andererseits intuitiven Zugriff auf alle Funktionen des Servers ermöglicht. Nur so lassen sich auch mobile Nutzer effektiv einbinden, die von ungesicherten Clients, aus dem Home Office oder beispielsweise von einem Internet-Café aus an der Unternehmenskommunikation teilhaben wollen.


Gesamtkostenbetrachtung

Insbesondere für KMU spielen neben den Funktionen eines E-Mail- und Groupware-Servers immer auch dessen Gesamtkosten eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung. Hierzu gehören nicht nur die Anschaffungskosten für Hardware, Serverbetriebssystem, Groupware-Software, Antispam-, Antivirus- und Backup-Funktion, sondern auch die Kosten für Installation, Schulung der Administratoren und Mitarbeiter, laufende Wartung sowie Updates und Upgrades. Auch wenn einige Kostenstellen im Vorfeld schwierig zu beurteilen sind, sollte man sie bei der Auswahl eines Systems dennoch nicht ausser Acht lassen. Hier können beispielsweise Referenzinstallationen bei vergleichbaren Unternehmen gute Anhaltspunkte für die Abschätzung des Installations- und Wartungsaufwands geben.


Aus der exemplarischen Gegenüberstellung der Kosten von Microsoft Exchange 2007 und einem kommerziellen alternativen Groupware-Server mit vergleichbarem Funktionsumfang (siehe Kasten) wird deutlich, dass gerade Unternehmen, denen ein einziger leistungsstarker Mailserver an einem Standort ausreicht, durchaus die Wahl zwischen Exchange und kostengünstigeren Lösungen haben, die im restlichen Funktionsumfang dem Microsoft-Produkt in nichts nachstehen.




Kostenanalyse: E-Mail- und Groupware-Server für 25 Benutzer


Der Autor

Hans Ulrich Meister ist Geschäftsführer der CS&M Computer Support Maintenance GmbH in Steffisburg.




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