Neue Werkzeuge für die Zusammenarbeit

Im Sog von Buzz Words wie Web 2.0 und Enterprise 2.0 gewinnt das Thema Enterprise Collaboration in vielen Unternehmen an Bedeutung. Gemäss Forrester Research planen viele Unternehmen die Implementierung einer Kollaborationsplattform für das Jahr 2008. Collaboration ist an sich nichts neues, doch neue Werkzeuge unterstützen die Mitarbeitenden bei der Erarbeitung, Verwaltung und dem Austausch von Informationen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/04

     

Aufgrund der vielen Formen der Kollaboration müssen die Anforderungen an die technische Lösung klar definiert werden. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der bestehenden Geschäftsprozesse, in welchen die Lösung eingesetzt werden soll:

Nicht alle Werkzeuge sind für spezifische Aufgaben geeignet. Während Audio- oder Videokonferenzsysteme für Besprechungen ideal sind, kann die Überarbeitung von Dokumenten effizient mittels asynchroner Workflows durchgeführt werden. Kenntnisse der spezifischen Geschäftsprozesse sind somit für den Aufbau von effizienten Kollaborationsplattformen absolut notwendig. Im Rahmen der Anforderungsanalyse sind ebenfalls die Anzahl der Partner (Teamgrössen), die Arbeitszeiten der Mitarbeitenden und die Art der zu erledigenden Aufgaben zu berücksichtigen.
Ein klassisches Beispiel für eine grosse Anzahl Kollaborationspartner ist das Wikipedia-Projekt, welches auf Wiki-Technologie aufbaut. Aber auch themenorientierte Blog-Portale und unzählige Foren bewähren sich als Kollaborationswerkzeuge für sehr grosse Teilnehmerzahlen.


Das Bedürfnis, asynchron (also zeitunabhängig) Informationen auszutauschen, wird durch die tägliche Flut an E-Mail immer wieder aufs Neue deutlich. Ebenso muss bei der Wahl der Kollaborationsplattform beurteilt werden, inwiefern beispielsweise Instant Messaging/Chat (synchron) ein Teil davon sein soll, oder ob ein Forum (asynchron) den Bedürfnissen der Teilnehmer doch eher entspricht.



Nicht zuletzt spielen auch die erwarteten Arbeitsergebnisse der Kollaborationsteilnehmer eine Rolle: Müssen Informationen genehmigt oder übersetzt werden, können entsprechende Workflows den Prozess untersützen, steuern und kontrollieren. Auch die Anforderungen an die transparente Nachvollziehbarkeit der Erarbeitung und Veränderung der Informationen steigt mit den Qualitätsanforderungen des Prozesses. Dokumenten-Management-Systeme und Wikis bieten hier Versionierungsmechanismen, welche beispielsweise bei Foren und Blogs in der Regel nicht vorhanden sind.


Die Kollaborationsplattform als Werkzeugkasten

Kollaborationsplattformen zeichnen sich dadurch aus, dass sie die unterschiedlichen Anforderungen der Kollaboration möglichst breit abdecken und so zu einer zentralen Drehscheibe für die Verwaltung von Informationen werden. Die Kommunikationstechnologien werden unter dem Begriff «Unified Communication» zentralisiert und vereinheitlicht, damit die Integration in die Kollaborationsplattform verbessert werden kann, doch Unified Communication macht noch keine Kollaborationsplattform. In einer idealen Welt existieren auch Schnittstellen zu Enterprise Search, Portallösungen, Archiv- und Content-Management-Systemen sowie vielen anderen für Unternehmen vitale Systeme, um die Kollaborationsteilnehmer umfassend in die Geschäftsprozesse zu integrieren.



In der Praxis bietet keine heute verfügbare Kollaborationsplattform eine umfassende Lösung, welche alle Anforderungen abdeckt (siehe auch Infobox «Marktübersicht»). Allerdings ist fraglich, ob IT-Abteilungen bereits soweit entwickelt sind, dass eine derartige Lösung überhaupt integrierbar wäre. Enterprise Collaboration nahtlos in das Unternehmen zu integrieren, bedingt nämlich auch, dass die Umsysteme integrierbar sind. Service-orientierte Architekturen vereinfachen dabei die Integration und zeugen von einem gewissen Reifegrad der Unternehmens-IT. Microsoft beschreibt diesen Entwicklungsprozess der Unternehmens-IT im «Infrastructure Optimization Model». Die Abbildung zeigt die vier Stufen des Modells und beschreibt, was dies in den jeweiligen Stufen für die Kollaborationskompetenzen der IT bedeutet.


Microsofts SharePoint Server als Kollaborationsplattform

Mit dem Microsoft Office SharePoint Server (MOSS) bietet Microsoft eine Kollaborationsplattform, die versucht, den oben genannten Anforderungen gerecht zu werden. Der Fokus liegt auf asynchronen Werkzeugen, da die Plattform webbasiert ist und grundsätzlich ohne Client-Installation auskommt. Allerdings ist für eine gute Office-Integration und die Nutzung sämtlicher Funktionen ein Internet Explorer als Browser und eine aktuelle Office und Exchange Version notwendig.


Dank guter Benutzerführung mit webbasierten Wizards ist die Erstellung von neuen Gefässen zur Kollaboration einfach realisierbar. «Self Provisioning» ist somit möglich und erfüllt zwei wichtige Bedürfnisse: Mitarbeiter verfügen rasch über die notwendigen Gefässe zur Kollaboration und der Prozess, ein solches Gefäss zur Verfügung zu stellen, involviert keine Administratoren oder andere IT Mitarbeiter.



Damit die Erstellung der Kollaborationsgefässe nicht ausufert, bedarf es allerdings technischer Kontrollmechanismen. So stehen dem Applikationsverantwortlichen diverse Möglichkeiten zur Verfügung, den Ressourcenbedarf mittels Quotas zu beschränken und über Vorlagen die Werkzeuge zu definieren, welche genutzt werden sollen. Allerdings sind in grösseren Organisationen zusätzliche Kontrollen in Form von Workflows, welche beispielsweise Genehmigungsprozesse ausserhalb der IT automatisiert ablaufen lassen, notwendig. Diese Workflows müssen jeweils gemäss den unternehmens- und prozesspezifischen Anforderungen implementiert werden und stehen nicht out-of-the-box zur Verfügung. Dank der robusten .NET-Entwicklungsumgebung lassen sich diese Workflows jedoch kostengünstig implementieren.


Deutliche Verbesserung gegenüber herkömmlicher Dateiablage

Ein typisches Beispiel für Kollaborationen, welche aufgrund von Geschäftsprozessen mittels Workflows kontrolliert werden, sind Projekte: Ein Projektteam, respektive der Projektleiter, kann ein Gefäss zur Kollaboration selbständig erstellen, die gewünschten Teilnehmer einladen und sich die Erstellung vom Projektsponsor freigeben lassen. Bei Projektabschluss müssen während des Projektes erarbeitete Informationen in den Betrieb überführt werden. Das Gefäss sollte deaktiviert und schliesslich archiviert oder gelöscht werden.


Auch bezüglich der Wahl der Kollaborationswerkzeuge können Projekte als typische Anwendungsfälle betrachtet werden. SharePoint bietet eine einfache, aber in der Praxis bewährte Aufgabenverwaltung, welche in einer Excel-ähnlichen Ansicht effiziente Massenverarbeitungen zulässt (wie notabene alle anderen SharePoint Listen auch).



Die Versionierung und Check-out/Check-in-Funktionalität der Dokumentenbibliothek, der DMS-Komponente von SharePoint, ist ebenfalls eine deutliche Verbesserung gegenüber einer herkömmlichen Dateiablage. Der letzte Bearbeiter ist sofort ersichtlich, und eine manuelle Versionierung und Sicherheitskopien sind obsolet. Zudem können mittels ad-hoc-Workflows sowohl Review als auch Genehmigungsprozesse angestossen werden. Diese wiederum werden automatisch als Aufgaben der betreffenden Personen erfasst und in der Aufgabenverwaltung geführt.




Die Stufen des «Infrastructure Optimization Model»


Mit Pilotanwendung Komponenten testen

Im Bereich Know-How-Aufbau und -Transfer sind die out-of-the-box verfügbaren Komponenten Wiki, Blog und Forum je nach Bedürfnis nützlich. Während ein Projekt-internes Blog bei Innovationsprojekten geeignet ist, fortlaufende Erfahrungen niederzuschreiben und mit den Projektmitgliedern zu teilen und weiter zu entwickeln, können Foren dann nützlich sein, wenn Spezialisten oft mit Fragen konfrontiert werden, welche später in eine FAQ, ein Support-Dokument oder Schulungsunterlagen einfliessen sollen.



Ein Wiki wiederum eignet sich beispielsweise zur Dokumentation oder zur Erstellung eines Glossars. Allerdings lassen sich die drei Komponenten nur bedingt mit etablierten Lösungen vergleichen, denn sie lassen einige wichtige Funktionalitäten vermissen. Es ist daher wichtig, die Komponenten in einem Pilot zu testen und die Erfüllung der Anforderungen zu verifizieren.
Selbstverständlich gehen die Möglichkeiten von SharePoint noch weiter.

Im Bereich der so genannten «MySites» unterstützen diverse «Social»-Funktionen die Zusammenarbeit. Kombiniert mit dem Communication Server können Instant Messaging und VoiP in SharePoint integriert werden. Diese Funktionen werden insbesondere in IT-Umgebungen, die sich auf Stufe «rationalisiert» bewegen, interessant und sind ein notwendiger Schritt hin zu kompletten Kollaborationsplattformen, welche auch Audio- und Video-Konferenzen ermöglichen.


Einführung einer Kollaborationsplattform

Eine Kollaborationsplattform ist Mittel zum Zweck und ohne die Bereitschaft der Mitarbeitenden, eine Arbeitskultur zu schaffen, die das Zusammenarbeiten fördert, nutzlos. Kulturelle Veränderungen lassen sich nicht von heute auf morgen einführen und so macht es wenig Sinn, den vollen Umfang in das erste Rollout der Plattform zu packen. Ganz im Sinne des Infrastructure Optimization Models ist es sinnvoll, sich zuerst auf die Werkzeuge zu beschränken, die für ausgewählte Anwendungsgebiete ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten.


Beispielsweise spart ein Video-Konferenzraum für Meetings eines geografisch verteilten Teams rasch Kosten, und ein Wiki zum Aufbau einer Wissensdatenbank fördert den Wissensaustausch und die Eigeninitiative. Konnten solche dedizierten Kollaborationswerkzeuge erfolgreich etabliert werden, kann man den nächsten Evolutionsschritt angehen.



Hinsichtlich Betrieb und Unterhalt der Kollaborationsplattform kann es ab einem Reifegrad der Rationalisierung sinnvoll sein, einen Kollaborationsverantwortlichen zu ernennen, welcher die Weiterentwicklung der Plattform aus betrieblicher Sicht beurteilen kann, jedoch auch ein gewisses Verständnis für die Technik mitbringt. Eine wichtige Aufgabe des Kollaborationsverantwortlichen ist es, Verbesserungsvorschläge bei den Mitarbeitenden abzuholen und deren neuen Anforderungen mit den richtigen Werkzeugen und unter Berücksichtigung der Strategie für die Kollaborationsplattform umzusetzen.



Fazit

Der Markt bietet viele ausgereifte Kollaborationswerkzeuge an. Die Herausforderung bleibt jedoch die nahtlose Integration in die Geschäftsprozesse und die IT-Landschaft. Kollaborationsplattformen versuchen mit einem Gesamtpaket genau diese Anforderung abzudecken, wobei der Funktionsumfang der einzelnen Werkzeuge (noch) nicht an «Best of Breed»-
Lösungen heran kommt. Microsoft Office SharePoint Server bietet insbesondere für Unternehmen mit aktueller Office- und Exchange-Umgebung eine umfangreiche und gut integrierte Kollaborationsplattform, welche jedoch den Anforderungen nicht in jedem Fall genügt und beispielsweise bei den Komponenten Wiki, Blog und Forum noch grosses Potential hat.
Die Herausforderung liegt jedoch weniger in der Wahl der richtigen Lösung, als vielmehr im angemessenen, auf die Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmten Einsatz und die Integration in die bestehenden Prozesse. Die Kollaborationsplattform soll den Informationsfluss nicht verwässern, sondern optimieren.



Reto Hugi studierte Betriebswirtschaft mit Nebenfach
Informatik (Abschluss: MBA) und ist Technical Consultant
bei Unic Internet Solutions, Zürich.


Marktübersicht

Neben Microsoft bieten auch andere grosse Player im ECM-Markt Kollaborationsplattformen an. OpenText nennt sie Livelink ECM Collaboration und Vignette schlicht Vignette Collaboration. Eine kleinere Plattform - unter anderem auch unter einer Open Source Lizenz frei verfügbar - ist ICEcore von SiteScape (http://www.sitescape.com/).


Einige der bekannten Best-of-Breed-Lösungen sind ebenfalls Open Source und somit eine günstige Alter-
native, sollten die Werkzeuge der grossen Plattformen
nicht genügen. Die Wikipedia basiert beispielsweise auf MediaWiki (http://www.mediawiki.org/) und Stern.de setzt für seine bloggenden Redakteure auf LifeType (http://www.lifetype.net).



Den boomenden Markt der «Software as a Service (SaaS)»-Lösungen führt Google mit einem Enterprise-Angebot zur Nutzung seiner webbasierten Anwendungen an. Dazu gehören «Google Docs» zur gemeinsamen Erstellung von Dokumenten, Tabellenkalkulationen und Präsentationen, ein Kalender, Instant Messaging, E-Mail und mehr. Procter & Gamble und General Electric gehören übrigens zu den bekanntesten Kunden der Google-Lösung.




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