Cloud-Anbieter noch rar gesät
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/04
Kaum ein Anbieter von Hardware, Software oder IT-Dienstleistungen spricht heute nicht von Cloud Computing. Und wie bei vielen Modebegriffen ist meist nicht klar, was eigentlich genau gemeint ist. «Vieles, was derzeit im Markt unter dem Label Cloud gehandelt wird, darf man getrost als Mogelpackung bezeichnen», stellt Senior Analyst Steve Janata vom deutschen Marktforschungsunternehmen Experton Group fest. Wirkliche Cloud-Angebote seien noch eher rar gesät – denn oft würden Outsourcing-Services einfach als Cloud Computing deklariert, um auf der aktuellen Welle mitzureiten.
Es gibt bis heute keine in Stein gemeisselte Definition vom Cloud Computing. Grob gesehen bezeichnet der Begriff einen Ansatz zur Bereitstellung von IT-Ressourcen ausserhalb des konventionellen firmengebundenen Rechenzentrums. Konkreter müssen für echtes Cloud Computing die folgenden Bedingungen erfüllt sein:
? Ressourcen wie Rechenkapazität, Betriebssystem-, Entwicklungs- und Laufzeitplattformen, einzelne Services oder Anwendungssoftware werden von einem Provider zentral bereitgestellt und über ein Netzwerk bezogen.
? Die Bereitstellung erfolgt in einer Multi-Tenant-Umgebung, die viele Bezüger gleichzeitig bedient.
? Die Ressourcen können dynamisch nach Bedarf bezogen werden, wobei insbesondere auch kurzfristig stark erhöhte Bezüge möglich sind.
? Die Abrechnung erfolgt nutzungsabhängig in exakt definierten Einheiten, üblicherweise fein granuliert, so dass nur wirklich genutzte Dienste verrechnet werden.
? Bereitstellung und bezügerseitige Verwaltung erfolgen vollständig automatisiert –Cloud-Ressourcen lassen sich über ein Web-Interface buchen, in Betrieb nehmen und administrieren, ohne dass auf Seite des Providers ein manueller Eingriff nötig ist.
? Das Angebot ist nicht auf einen bestimmten Bezüger massgeschneidert, sondern steht prinzipiell allen berechtigten Bezügern offen: Zweck, Art und Umfang der Nutzung werden allein durch den Bezüger beziehungsweise die aktuelle Nutzungssituation festgelegt und sind für den Provider somit transparent.
Unsere Definition ist bewusst allgemein gehalten: Der «Provider» kann ein öffentlicher Cloud-Anbieter wie Amazon sein (Public Cloud) oder aber die unternehmenseigene IT-Abteilung, die das Cloud-Angebot firmenintern zur Verfügung stellt – in diesem Fall spricht man von einer Private Cloud. Mischformen sind ebenfalls denkbar (Hybrid Cloud). Dementsprechend kann es sich beim «Netzwerk» um das Internet oder ein geschlossenes firmeneigenes oder firmenübergreifendes Netz handeln. Und auch beim «Bezüger» sind alle Varianten von einem Gesamtunternehmen über die Abteilung bis zum Privatanwender möglich.
Mit dieser Definition wird auch klar, dass bei einem klassischen Outsourcing nicht von Cloud Computing gesprochen werden sollte. Dabei geht es stets um kunden- oder sogar projektspezifisch exakt festgelegte Dienstleis-tungen, die im Allgemeinen über die blosse Bereitstellung von IT-Ressourcen hinausgehen und eine nicht anonyme Beziehung zwischen Kunde und Anbieter voraussetzen.
Üblicherweise werden Cloud-Computing-Angebote in drei Kategorien eingeteilt, die sich nach dem gängigen Modell einer dreischichtigen IT-Architektur richten:
? Infrastructure-as-a-Service (IaaS): Hier werden Infrastruktur-Ressourcen wie Rechenleistung oder Speicherkapazität über die Cloud bezogen. Der bekannteste IaaS-Anbieter ist Amazon mit seiner Elastic Compute Cloud (EC2). Der Bezüger erhält bei IaaS eine virtuelle Hardwareumgebung und übernimmt die Installation und Verwaltung der darauf laufenden Software selbst. Die virtuelle Hardware ist aber nahtlos skalierbar: Bei steigendem oder sinkendem Ressourcenbedarf skaliert die Umgebung dynamisch, ohne dass der Bezüger etwas an der Installation ändern muss.
? Platform-as-a-Service (PaaS): Bei PaaS-Angeboten steht eine komplette Plattform als Cloud-Dienst zur Verfügung, also beispielsweise ein virtueller Server mit installiertem Betriebssystem, eine Entwicklungs- oder Test-umgebung oder eine Datenbank. Der Bezüger hat dabei erst auf Plattformebene Zugriff auf die Dienste – die Grundkonfiguration der virtuellen Server ist Sache des Providers.
? Software-as-a-Service (SaaS): Dieses Bereitstellungsmodell kennt man schon aus den Zeiten «vor der Cloud»: Der Bezüger «mietet» eine komplette Softwareanwendung, zum Beispiel einen Mail-Dienst oder ein ERP-Sys-tem und braucht sich nur um die Nutzung und nicht um die Verwaltung und Pflege zu kümmern. Damit sich eine Anwendung für die Cloud eignet, muss sie serviceorientiert aufgebaut sein und rasch wechselnde Auslas-tungen bewältigen können. In Frage kommen zudem ausschliesslich mandantenfähige Anwendungen, wobei die Trennung der Mandanten sehr hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen muss.
Legt man unsere eher strenge Definition zugrunde, gibt es derzeit noch wenige echte Cloud-Computing-Anbieter, die zudem meist aus den USA stammen. Neben den bekannten Grössen Amazon, Google, Microsoft, IBM und Salesforce haben wir das Schweizer Startup-Unternehmen Cloudsigma in die Tabelle aufgenommen, das Ende März ein kostenloses IaaS-Testangebot lancieren und im Mai den kommerziellen Betrieb aufnehmen will – mit Serverstandort Schweiz, noch genauer: Im bekannten Interxion-Rechenzentrum in Glattbrugg. Nicht berücksichtigt haben wir die auch hierzulande zahlreichen lokalen SaaS-Anbieter. Ebenfalls nicht Gegenstand dieser Marktübersicht sind die Anbieter von Hardware und Software zum Aufbau einer Cloud-Computing-Infrastruktur: In diesem Bereich gibt es immer mehr Kooperationen verschiedener Hersteller wie zum Beispiel Cisco, EMC und VMware, da kaum ein einzelner Anbieter alle benötigten Technologien abdeckt.
Die meisten Anbieter offerieren Infrastrukturdienste und verrechnen dabei verschiedene Leistungen separat. Zur eigentlichen Rechenzeit, die wir als Vergleichsbeispiel in die Tabelle aufgenommen haben (und bereits hier sind diverse Varianten möglich), kommen zum Beispiel bei Amazon je nach Nutzung und Platzierung der virtuellen Maschinen (hier Amazone Machine Instances, kurz AMI genannt) noch folgende Kostenpunkte hinzu: Datentransfer übers Internet (verrechnet erst ab Juli 2010, in Gigabyte pro Monat), Datentransfer zwischen verschiedenen AMI, Datentransfer zwischen verschiedenen «Availability Zones», Datentransfer fürs Load-Balancing bei Nutzung öffentlicher IP-Adressen, Speicherkapazität, Reservation von IP-Adressen von nicht aktiven Instanzen – und so weiter. Insgesamt ergibt sich eine ziemlich komplexe Kostenstruktur mit Gesamtkosten, die nicht auf Anhieb ersichtlich sind. Etwas einfacher ist es bei Windows Azure – hier wird für die Infrastrukturdienste nur zwischen Compute, Storage, Storage-Transaktionen und Datentransfer unterschieden, und auch beim Plattformdienst SQL Azure sieht es ähnlich aus: Es fällt eine Grundgebühr pro Datenbank und Monat an, dazu kommen volumenabhängige Kosten für den Datentransfer.
Seit Oktober 2009 gibt es in der Schweiz einen Verein mit dem Zweck «Theorie und Anwendung von Cloud-Computing-Technologien, -Konzepten und -Methoden und verwandte Themen zu fördern». Die Community nennt sich Cloudsuisse (www.cloudsuisse.org) und wird von Andreas von Gunten, VR-Präsident des Salesforce-Partners Parx, präsidiert. Eine der ersten Aktivitäten war die Organisation der Cloudsuisse Conference, die am 15. März mit über 150 Teilnehmern in Zürich über die Bühne ging.
(ubi)