O&O BlueCon XXL: Nur für Spezialisten

O&O BlueCon XXL bietet nur wenig mehr Funktionalität als die Recovery Console von Windows und ist keine «must have»-Software.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/07

     

Bei den meisten Programmen ist es offensichtlich, was sie machen. Ein Sicherungsprogramm sichert Daten, ein Textverarbeitungsprogramm dient dem Erstellen von Texten. Es gibt aber auch Ausnahmen. Eine solche ist O&O BlueCon XXL 5.0 des deutschen Herstellers O&O Software, denn eigentlich brauchen das Programm nur wenige Anwender - wenn überhaupt.



O&O BlueCon XXL 5.0 soll Administratoren und externen Dienstleistern helfen, Systeme bei Startproblemen zu reparieren. Der Blue Screen bezieht sich also keineswegs nur auf den Windows Blue Screen, sondern auch auf die Anzeige der Anwendung selbst. Dass das Tool sicherlich ursprünglich dafür entwickelt wurde, Schäden zu beheben, die sich in Blue Screens artikulierten und nach denen das System teilweise überhaupt nicht mehr gestartet werden konnte, tritt dabei mehr und mehr in den Hintergrund, da Blue Screens bei den neueren Windows-Versionen doch viel, viel seltener auftreten als noch zu Zeiten von Windows NT. Entsprechend merkt man der aktuellen Version auch an, dass O&O Software nach Wegen gesucht hat, um das Produkt mit Funktionen so anzureichern, dass es auch bei immer weniger Blue Screens noch Sinn macht.


Nützliche Funktionen versteckt

Zunächst muss man bei dem System zwischen zwei Modi unterscheiden. Mit einem Wizard können Boot-Disketten oder CDs erstellt werden, von denen das System gebootet wird. Alternativ kann die Anwendung aber auch als Teil des normalen Systemstarts geladen werden. O&O Software spricht zwar davon, dass BlueCon noch vor dem eigentlichen Betriebssystem geladen wird. Faktisch stimmt das jdeoch nicht. Die Konsole wird im Lauf des grafischen Teils des Boot-Prozesses angezeigt. Das bedeutet aber auch, dass man bei typischen Startproblemen überhaupt nicht mehr zu der Konsole gelangt, weil der Startprozess schon viel früher hängt oder ein Blue Screen angezeigt wird. Das lässt sich mit den Boot-Disketten oder -CDs natürlich umgehen.



Auf der anderen Seite gibt es ab Windows 2000 auch im Betriebssystem eine Recovery Console, die bei Bedarf gestartet werden kann. Im Gegensatz zu BlueCon erfolgt der Aufruf hier schon in der Frühphase des Boot-Vorgangs. Die Notwendigkeit eines dedizierten Produkts für diese Aufgabe leuchtet also nicht so ohne weiteres ein - ausser bei dem Auslaufmodell Windows NT.




Immerhin bietet BlueCon XXL aber doch ein paar Vorteile. So ist es recht einfach, mit Regedit die Registry zu bearbeiten oder den Start von Diensten zu deaktivieren, um den nächsten Systemstart dann hoffentlich wieder korrekt durchlaufen zu lassen. Hilfreich ist auch, dass neben Standardsystemen beispielsweise auch gespiegelte Festplatten unterstützt werden und auch auf Volume Sets, also die Software-RAID-Implementierungen, zugegriffen werden kann. Unter dem Aspekt der Sicherheit ist es allerdings zweischneidig, dass ein Kennwort nur erforderlich ist, wenn von der lokalen Festplatte gestartet wird. Beim Start von Diskette und CD kann man dagegen auch ohne Administrator-Kennwort auf die Systeme zugreifen. Das ist hilfreich, um mit dem passwd-Befehl von BlueCon Kennwörter zurückzusetzen. Es bedeutet aber auch, dass ein Angreifer mit dieser Software bei physischem Zugriff auf Server auch die Sicherheit umgehen kann.



Wenn man die Konsole von BlueCon XXL betrachtet, dann ist die Software zwar insgesamt besser als die Standard-Konsole von Windows - einen echten Kaufanreiz bedeuten diese Funktionen aber noch nicht. Dadurch, dass an der Konsole im wesentlichen mit gängigen Windows-Befehlen gearbeitet wird, lässt sich die Software von erfahrenen Administratoren sehr einfach nutzen. Der Installations- und Konfigurationsaufwand ist minimal.




Interessantes Lizenzierungsmodell

Um den Kaufanreiz zu erhöhen, gibt es denn auch noch einige weitere Funktionen. Mit den Backup-Diensten können Konfigurationsinformationen des Systems gesichert werden. Dort wird beispielsweise auch eine differentielle Sicherung unterstützt, bei der nur Änderungen der Systemkonfiguration gesichert werden. Die so gesicherten Konfigurationsinformationen können anschliessend vollständig oder teilweise auch von der Konsole aus wieder hergestellt werden. Hier gibt es zwar Einschränkungen bei Dual-Boot-Systemen, die aber in der Praxis kaum von Bedeutung sind.



Die vielleicht wichtigsten Funktionen hat O&O Software aber aus anderen Produkten übernommen. Die BlueCon XXL unterstützt sowohl eine unerase- als auch eine safeerase-Funktionalität. Mit ersterer können versehentlich gelöschte Dateien wieder hergestellt werden - und zwar auch an der Konsole. Mit der zweiten Funktion lassen sich dort Dateien sicher löschen. Je nach verwendetem Verfahren - es werden fünf verschiedene Lösungen unterstützt - werden die Dateien bis zu 27 mal überschrieben. Dieses sichere Löschen kann sinnvoll sein, um Systeme beispielsweise vor der Rückgabe an Leasing-Firmen vollständig zu säubern - mit der eigentlichen Funktionalität des Beseitigens von Blue Screens hat sie jedoch nichts zu tun. Dagegen ist das Wiederherstellen von Dateien ein durchaus nützlicher Dienst, wenn es gilt, Fehler zu beseitigen.




Interessant bei BlueCon XXL ist die Lizenzierung. Das Produkt wird immer pro Benutzer lizenziert. Es gibt eine Administratoren- und eine Consultant-Variante. Erstere darf nur innerhalb eines Unternehmens, letztere auch für Dienstleistungen in verschiedenen Unternehmen eingesetzt werden. Ob sich das für O&O Software wirklich rentiert, sei dahingestellt.



Eines ist aber im Test deutlich geworden. O&O BlueCon XXL hat zwar ein paar nette und nützliche Funktionen, die auch über diejenigen der normalen Konsole von Windows 2000 und neueren Versionen hinausgehen. Diese sind auch einfach zu bedienen, weil sie sich an den vertrauten Systembefehlen orientieren. Aber XXL ist doch etwas hoch gegriffen, denn das, was geboten wird, ist allenfalls M. Für Spezialisten ist O&O BlueCon XXL eine hilfreiche Ergänzung zu anderen Werkzeugen der Systemanalyse und -wiederherstellung. Ein "must have" ist es aber nicht.



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