Swiss IT Magazine: Herr Aeschbach, wie viel IT steckt heute in einer Praline oder einer Tafel Schokolade die Ihren Betrieb verlässt? Oder anders gefragt: Ist die Herstellung heute ohne IT überhaupt noch möglich?
Markus Aeschbach: Das ist abhängig vom Produkt, aber grundsätzlich gibt es bei uns noch sehr viel Handarbeit. Eine Praline zum Beispiel, das ist fast ausschliesslich Handarbeit. In anderen Bereichen hingegen kommen neue Technologien auf den Markt, die die Handarbeit mehr und mehr verdrängen. Es gibt mittlerweile zum Beispiel bereits erste 3D-Drucker, mit denen man Schokolade drucken kann. Gleichzeitig verfügen immer mehr Anlagen über Schnittstellen, die es dem Hersteller zum Beispiel erlauben direkt über das Web darauf zuzugreifen, wenn etwas nicht läuft. Ende März haben wir das Unternehmen My Swiss Chocolate übernommen, samt der Smartphone-App Chocogreets. Hier sind wir natürlich voll IT-lastig. Die Bestellungen werden in der Cloud gesammelt, gelangen von da in unser ERP-System und über unseren Print-Server wird dann ein Auftrag nach dem anderen automatisch abgewickelt. Wenn hier die IT aussteigt, dann machen wir gar nichts mehr. Aber sonst können wir auch ohne IT problemlos noch produzieren.
Was ist mit so einem 3D-Drucker für Schokolade alles möglich?
Ganz ehrlich: Momentan sind die Geräte noch nicht die schnellsten. Trotzdem möchte ich in unserer Chocowelt hier in Root in Kürze einen solchen Drucker aufstellen, um zu zeigen, wo wir herkommen und wo die Zukunft liegt. Und vielleicht können sich Besucher in unserer Chocowelt zu Beginn der Tour schon bald fotografieren lassen und am Ende des Rundgangs eine Schoggifigur von sich mit nach Hause nehmen. Das ist aber nur eine Spielerei. Es ist auch denkbar mit solchen 3D-Druckern zum Beispiel Dekorationen wie unser Logo herzustellen, das man dann auf Pralinen auflegen kann. Als weiteren Anwendungsbereich sehe ich die Protoypenherstellung. Man könnte Kunden so rasch einen neuen Osterhasen drucken und sie könnten den nicht nur anfassen, sondern sogar reinbeissen. All das könnte nächstens sehr aktuell werden. Gleichzeitig nutzen wir nach wie vor uralte Technologien wie die über 50-jährigen Maschinen, um unsere Schoggitaler herzustellen, die noch rein mechanisch arbeiten. Wir bewegen uns also zwischen den Welten.
Wie beliebt ist die IT bei Ihren Mitarbeitenden? Schoggi liebt jeder, IT hingegen ist oft nur ein notwendiges Übel.
Wir haben es bei der Übernahme von My Swiss Chocolate eben erst erlebt: Als auf einmal ganz viele PCs und Laptops sowie Drucker und Kabel in der Produktion standen, haben sich einige unserer Mitarbeitenden zuerst einmal erschreckt. Viele haben keine grosse IT-Affinität und wir mussten hier anfänglich die Schwellenangst nehmen. Das ist vielfach auch eine Generationenfrage. Zudem sind wir sicher ein Betrieb, der nicht gerade IT-feindlich ist, aber eher skeptisch, weil wir bis jetzt ganz einfach nicht viel damit zu tun hatten.
Sie zeichnen als Chef selber für die Informatik verantwortlich, kümmern sich aber vermutlich nicht selber auch noch um die ganze IT. Oder doch?Nein, dafür bin ich zu wenig in der Materie drin. Wir arbeiten hier mit IT-Dienstleistern zusammen. Ich bin so etwas wie ein Super-User und kann zum Beispiel Rechte vergeben oder E-Mail-Adressen eröffnen. Zudem versuche ich am Ball zu bleiben und immer Ausschau nach neuen Technologien und Trends zu halten. Momentan beschäftige ich mich gerade mit Themen wie Social Media, viralem Marketing oder SEO. Hier planen wir einen grossen Sprung nach vorn zu machen.
Mit was für IT-Dienstleistern arbeiten Sie zusammen?Unsere Website stammt vom Unternehmen Stylegrafix.ch, um alles andere wie die ganzen Rechner und das Netzwerk kümmert sich die Firma Turnkey, die nur ein paar Schritte von uns entfernt im D4 in Root zuhause ist. Diese lokale Nähe habe ich ganz bewusst gesucht. Einerseits sind sie schnell da, wenn etwas ist, andererseits habe ich sie auch als Kunden bei uns im Café und sie können uns so etwas Umsatz zurückgeben (lacht).
Woher kommt Ihre IT-Affinität?
Die war schon immer da. Bereits während meiner Zeit an der Kanti habe ich im Unternehmen, das damals noch meinen Eltern gehörte, eine erste IT-Lösung, eine NCR-Maschine, eingeführt und mit Cobol programmiert. Zuerst wollte ich darum auch Wirtschaftsinformatik studieren, habe mich dann aber doch für Betriebswirtschaft entschieden. Die Faszination für die IT ist aber geblieben.
Wie viele PCs findet man heute bei Aeschbach Chocolatier?
Da sind in den letzten Wochen einige dazu gekommen. Wir besitzen heute alleine 20 Arbeitsstationen um die Chocogreets von My Swiss Chocolate zu drucken. Dazu gehören je ein Laptop, ein Tintenstrahldrucker mit Lebensmittelfarbe, ein Tintenstrahldrucker mit normaler Farbe und ein Adressetiketten-Drucker. Das sind alles ganz handelsübliche Geräte, die dank einer ausgeklügelten Software so verbunden sind, dass wir heute mit einem Klick den gesamten Auftrag auslösen und auf einmal mit sehr wenigen Handgriffen ausführen können. Zu diesen Arbeitsstationen kommen rund 15 Büroarbeitsplätze dazu.
Wie sieht es mit Servern aus? Oder haben Sie die an Ihren IT-Partner ausgelagert?
Wir betreiben heute noch einen einzigen physischen Server, auf dem verschiedene virtuelle Server laufen. Der steht hier bei uns. Ich wollte 2012, als wir hier in Root neu gebaut haben und gleichzeitig die IT komplett erneuert haben, alles im Haus behalten, obwohl wir nicht mit hochsensiblen Daten arbeiten. Wenn jemand in China unsere Schokoladenrezeptur klauen würde, dann wäre das nicht so tragisch. Heute würde ich aber vermutlich nicht mehr alles selber aufbauen.
Wo findet man in Ihrem Unternehmen sonst noch Software und IT?
Unter anderem auf den Maschinen, die die angesprochenen Schkoladenrezepturen mischen, läuft eine Software. Dann sind da noch die Kassen in unserem Café sowie in den Shops hier in Root sowie in Zürich, Zug und Steinhausen, wo wir weitere Verkaufsstandorte betreiben, oder das ganze Alarmsystem für Feuer und Einbruch.
Bleiben wir bei der Software. Was für Lösungen setzen Sie ein?
Natürlich die ganzen Office-Anwendungen von Microsoft. Als ERP nutzen wir die KMU-Lösung Selectline, wobei wir hier nur Grundfunktionen wie die Anlagenbuchhaltung oder Fibu nutzen und beispielsweise keine zusätzlichen Module für die Warenrückverfolgung, Qualitätssicherung oder andere Lösungen. Mit Pipe- drive evaluieren wir momentan ausserdem ein Web-basiertes CRM- und Sales-Tool, das dank einer App zum Beispiel direkt nach dem Kundenbesuch einen Rapport ermöglichen würde.
Sie haben eine neue Software für den Verkauf erwähnt. Sind hier mittlerweile auch Tablets ein Thema?
Je länger je mehr. Aber meine beiden Verkäufer sind aktuell beide über 60 Jahre alt und ich würde ihnen vermutlich keinen Gefallen machen, wenn ich ihnen ab morgen ein Tablet mitgeben würde. Da gebe ich ihnen viel lieber ein paar Geschmacksmuster mit, das sorgt für mehr Spektakel. Wir leben immer noch stark von Emotionen und weniger von einem Multimediaspektakel, wie das vielleicht bei Mitbewerbern der Fall ist. Ein Tablet ersetzt das Anfassen, Fühlen und Riechen nicht. Hinzu kommt, dass unsere Hauptkunden Konditoreien und Bäckereien sind und die in der Regel auch nicht besonders IT-affin sind. Die bestellen am liebsten immer noch per Telefon oder sogar Fax.
Sie produzieren hier in Root nicht nur, sondern betreiben neben einem Shop und einem Café auch noch die Chocowelt. Welche Rolle spielt die IT hier?
Auch hier steht das persönliche Erlebnis, stehen Emotionen, im Vordergrund. Es ist bewusst möglichst wenig Technologie vorhanden. Wir nutzen aber Tablets und über eine App können sich Besucher, wenn sie das wollen, zusätzliche Informationen zu einem Thema holen. Und auch eine Chocogreets-Station fehlt natürlich nicht.
Können Sie das weiter ausführen? Wie funktioniert das genau mit diesen Chocogreets und My Swiss Chocolate?
My Swiss Chocolate macht es möglich, sich im Internet seine eigene Schokolade zusammenzustellen – ob Weiss, Dunkel, mit Nüssen, Erdbeeren oder X-verschiedenen anderen Zutaten. Das selbe kann man bei uns in der Chocowelt tun, nur direkt mit den eigenen Händen. Neu ist jetzt, dass wenn man die eigene Schokolade fertig kreiert hat und sie einem schmeckt, man diese mit einem Rezept bequem zu Hause über die Homepage von My Swiss Chocolate nachbestellen kann. So verbinden wir die beiden Welten und hoffen, dass das interessante Konzept von My Swiss Chocolate nun noch mehr zum Fliegen kommt.
Wie viel Schokolade verarbeiten Sie eigentlich hier in Root?
Das sind rund 1000 Tonnen im Jahr, in unterschiedlichsten Produkten, unter anderem auch im Auftrag für grössere Schokoladeproduzenten und weltweit bekannte Marken. Auch der in der ganzen Schweiz bekannte Schoggitaler, über den wir bereits gesprochen haben, stammt aus unserer Produktion. Mittlerweile beschäftigen wir fast 130 Mitarbeitende.
Angst vor der Digitalisierung haben Sie und Ihre Mitarbeiter keine?
Ich habe erst kürzlich an einem spannenden Vortrag gehört, dass Roboter oder Maschinen in Zukunft überall dort den Menschen werden ersetzen können, wo eine Richtig- oder Falsch-Entscheidung gefragt ist. Bei uns und der Schokolade, wo es um Geschmack, Sinne und damit um verschiedene Sensoriken geht, da denke ich, dass ein Roboter oder die IT einen Mitarbeiter nicht so schnell werden ersetzen können.
(mv)