'Ständige Weiterbildung ist zwingend'
Quelle: ICTswitzerland

Interview mit Nationalrat Marcel Dobler

"Ständige Weiterbildung ist zwingend"

Nationalrat und ICTswitzerland-Präsident Marcel Dobler glaubt nicht, dass Informatiker nur wegen ihres Alters entlassen werden, und plädiert für Weiterbildung bis hin zur Pensionierung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2017/07

     

"Swiss IT Magazine": Wie erklären Sie einem 55-jährigen Informatiker, der seit 18 Monaten auf Stellensuche ist, dass es in der Schweiz einen Mangel an IT-Fachkräften gibt?
Marcel Dobler: Ich finde die Bezeichnung "Mangel an Fachkräften" nicht ganz richtig. Man müsste eher von einem Mangel an Kompetenzen sprechen. Der Bedarf an ICT-Mitarbeitern wächst vier Mal stärker als in anderen Berufsfeldern. In den letzten 5 Jahren wurden in der Schweiz 44’000 neue Stellen geschaffen. Trotz dieses enormen Bedarfs hat es auf dem Arbeitsmarkt schwer, wer über die falschen oder über veraltete Kompetenzen verfügt. Entsprechend wichtig ist es für ICT-Mitarbeitende, die eigenen Kompetenzen stets aktuell zu halten und den heutigen Anforderungen anzupassen.


Wenn Sie von Kompetenzen sprechen, was bedeutet das konkret? Weiss man seitens von Verbänden und Politik, in welchem Umfang welche Kompetenzen auf dem Markt fehlen?
Wir arbeiten sehr eng mit dem Amt für Wirtschaft des Kantons Zürich zusammen und wissen deshalb, dass rund ein Drittel der arbeitslosen Informatiker einen Hochschulabschluss besitzt. Ein Studium alleine schützt also niemanden davor, seine Stelle zu verlieren. Das Problem hierbei ist oft, dass das Studium bereits 20 bis 30 Jahre zurückliegt, nicht zwingend im Bereich Informatik erfolgte und oftmals kaum mehr eine Weiterbildung stattgefunden hat. Dadurch wurde dann der Anschluss verpasst. Früher konnte man eine Ausbildung machen, um dann bis zur Pensionierung auf dieser Basis zu arbeiten. Heute ist das Fachwissen schneller überholt und die persönlichen Kompetenzen müssen ständig neu erarbeitet werden.
Die Prognose, wonach bis 2024 25’000 IT-Fachkräfte fehlen sollen, ist bekannt. Gibt es denn auch Prognosen, wo diese Fachkräfte mittelfristig fehlen sollen? So dass ein Informatiker, der vor 20 Jahren studiert hat, sich auch gezielt weiterbilden kann?
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die bisherigen Prognosen, die seit 2009 von ICT-Berufsbildung Schweiz erstellt werden, zu konservativ waren. Die ICT-Berufsbilder verändern sich laufend und die Vielfalt der gefragten Kompetenzen nimmt zu. Wo und zu welcher Zeit welche Fachkräfte gefragt sein werden, ist aus heutiger Sicht jedoch schwierig zu prognostizieren. Was man aber weiss ist, dass zwei Drittel der ICT-Mitarbeiter nicht in den ICT-Unternehmen selbst arbeiten, sondern in anderen Branchen, wie Banken, Versicherungen, der öffentlichen Verwaltung und so weiter beschäftigt sind. Nur ein Drittel ist also effektiv bei klassischen ICT-Betrieben tätig.


Also weiss man nicht, in welchem Bereich welche Fachkräfte fehlen? Denn wenn Sie sagen, die arbeitslosen Fachkräfte hätten die falschen Kompetenzen, müssten Sie doch auch sagen können, welche Kompetenzen stattdessen gebraucht werden.
Unsere Studie untersucht die Entwicklung des Berufsfelds in unterschiedlichen Berufsgruppen. In den einzelnen Berufsgruppen existieren wiederum unterschiedliche Kompetenzprofile. Bei der letzten Analyse hat man festgestellt, dass rund 20 Prozent des Bedarfs Führungskräfte sind. Ein weiteres Drittel sind Softwareentwickler. Diese beiden Berufsgruppen machen den Hauptanteil dessen aus, was in den kommenden Jahren gebraucht wird. Doch pauschal eine Aussage zu machen, in welche Richtung sich ein Informatiker entwickeln soll, um vor Arbeitslosigkeit gefeit zu sein, ist unseriös. Dazu muss man in jedem Fall eine Auslegeordnung aufgrund der erworbenen Grundausbildung, der Berufserfahrung und der individuellen Fähigkeiten machen. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber sollten ICT-Arbeitnehmer regelmässig überprüfen, wie sie das eigene Kompetenzprofil ergänzen und/oder aktuell halten können und wohin sich der Markt entwickelt. Bei einem Security-Spezialisten sieht das dann ganz anders aus als bei einem ICT-Berater. Im Übrigen verändert sich auch das Weiterbildungsangebot permanent.
Tatsache ist, dass es mehrheitlich IT-Spezialisten in der zweiten Lebenshälfte sind, die ihren Job verlieren. Wie erklären Sie sich, dass die Arbeitslosenquote unter Informatikern bereits ab einem Alter von 35 oder 40 zu steigen beginnt, während sie in anderen Branchen ab diesem Alter im Schnitt sinkt?
Es stimmt, dass wir im ICT-Berufsfeld einen atypischen Verlauf haben. Dies ist mitunter auch auf die nahezu inexistente Jugendarbeitslosigkeit zurückzuführen. Der Fortschritt in der ICT war in den letzten 20 Jahren unglaublich rasant und die Entwicklung wird in diesem Tempo weitergehen. In anderen Berufsfeldern kann man häufig beobachten, dass die zunehmende Erfahrung mit steigendem Alter automatisch zu höheren Kompetenzen führt. Grade ICT-Fachkräfte, die nicht in Führungspositionen tätig sind, sind mit der rasanten Entwicklung der Technologie konfrontiert, können diese ungenügend durch Erfahrung kompensieren und müssen ihr Fachwissen laufend aktualisieren.


Ist es nur der fehlende Wille zur ständigen Weiterbildung oder könnte es auch sein, dass Informatiker über 50 kritischer beäugt werden und allenfalls auch mit Vorurteilen behaftet sind?
Was sicherlich nicht unproblematisch ist, ist die Tatsache, dass ältere Arbeitnehmer finanziell benachteiligt werden, weil ihre Abgaben für die Pensionskasse viel höher sind. Hier muss etwas geschehen. Ansonsten sehe ich nicht, warum es Vorurteile geben könnte. Als ehemaliger Geschäftsführer von Digitec und Vorgesetzter von 500 Mitarbeitern kann ich hier aus eigener Erfahrung sprechen. Diversifikation umschliesst auch die Erfahrung von älteren Mitarbeitern, das war für uns damals sehr wichtig. Ich bin überzeugt davon, dass ältere Mitarbeiter einen grossen Mehrwert bringen, wenn die richtigen Kompetenzen vorhanden sind. Aber: Es ist nicht immer einfach, einen 55-Jährigen zu finden, der bezüglich neuen Technologien dasselbe Know-how mitbringt wie ein 30-Jähriger, der frisch aus der Ausbildung kommt. Der grösste Schutz vor Arbeitslosigkeit im Alter ist nun mal Weiterbildung, das ist nicht von der Hand zu weisen. Hierbei sind nicht nur Arbeitnehmer in der Verantwortung, sondern auch Firmen, die es ihren Mitarbeitern ermöglichen müssen, sich weiterzubilden.
Was entgegnen Sie dem Vorwurf, Firmen würden IT-Spezialisten ab 50 gezielt entlassen und diese durch günstigere ausländische Informatiker ersetzen. Trifft der Vorwurf überhaupt zu?
Bei dieser Beobachtung kann es sich nicht um ein Massenphänomen handeln, beträgt doch die Arbeitslosenquote bei 55+ rund 3 Prozent. Die Frage ist nicht, ob ältere oder jüngere IT-Mitarbeitende in einem Betrieb gebraucht werden, sondern ob genügend Kompetenzen für den Einsatz und die Nutzung der modernen Technologien vorhanden sind. Darum werden im Inland wie im Ausland die Personen rekrutiert beziehungsweise eingestellt, welche die nötigten Kompetenzen mitbringen. Es gibt nur einen Schutz gegen Arbeitslosigkeit: ständige Weiterbildung, und das ist primär die Aufgabe eines jeden Einzelnen. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass viele Arbeitgeber hier bessere Unterstützung leisten sollten. Es geht nicht darum, einfach nur Kurse anzubieten, sondern vielmehr darum, die Mitarbeitenden ganz bewusst zu motivieren, sei es durch die Konfrontation mit ständig wechselnden Aufgabestellungen oder durch gezielte Job-Rotation-Programme.


Sie streiten ab, dass Entlassungen nur aufgrund des Alters vorkommen?
Ja. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Unternehmen eine Person, die einen echten Mehrwert bietet, einfach so entlässt. In dem Fall würde sich der Unternehmer ja ins eigene Fleisch schneiden.
Doch man kann nicht von der Hand weisen, dass man mit zwei entlassenen älteren Informatikern gleich viel einsparen kann wie mit drei Jüngeren, also werden tendenziell eher die Älteren entlassen.
Das ist etwas überspitzt formuliert. Ich bin der festen Überzeugung, dass man als Unternehmer nicht einfach langjährige Mitarbeiter entlässt, ausser, man steht unter wirklich enormem Kostendruck. Dann allenfalls geht das zu Lasten der älteren Arbeitnehmer und hier muss die politische Diskussion ansetzen – das Stichwort lautet nochmals Pensionskasse. Ansonsten bin ich der festen Überzeugung, dass man bei der Diskussion um ältere Arbeitnehmer weniger über das Alter, sondern wie schon angesprochen vermehrt über die Kompetenzen sprechen sollte.


Sie haben es mehrfach angesprochen: Das wirksamste Mittel gegen Arbeitslosigkeit ist Weiterbildung. Könnte man dem Fachkräftemangel entgegenwirken, indem mehr in die Arbeitsmarktfähigkeit der Fachkräfte, die wir haben, investiert würde?
Ich behaupte sogar, dass das zwingend nötig ist, auch deshalb, weil die technologische Entwicklung immer schneller vorwärts geht. Die ständige Weiterbildung ist zwingend. Wenn ich mich in meinem Umfeld, bei Leuten zwischen 30 und 45, umsehe, dann ist Weiterbildung selbstverständlich. Man will sich weiterbilden, um weiterzukommen, und zwar von sich aus, ohne Druck von aussen. Handkehrum beobachte ich bei über 50-Jährigen oft, dass die Meinung vorherrscht, eine Weiterbildung sei doch nicht mehr nötig, weil die Pensionierung quasi vor der Tür steht. Diese Einstellung muss sich ändern, Bildung wird uns künftig bis ans Arbeitsende begleiten. Für diesen Kulturwandel braucht es aber ein Umdenken, in der Selbstverantwortung, aber auch was die Verantwortung der Firmen oder der Politik angeht.
Glauben Sie, dass das heutige ICT-Aus- und Weiterbildungsangebot in der Schweiz dem entspricht, was der Markt tatsächlich will und verlangt?
Ich glaube, dass das Ganze etwas verzögert ist. Der Markt hat heute einen bestimmten Bedarf, und bis das Bildungsangebot diesem Bedarf entspricht, vergehen immer einige Jahre. Doch das Angebot ist ständig in Bewegung, und das, was der Markt fordert, wird zumindest mittelfristig auch eingeführt. Ich glaube an unser Bildungssystem und ich bin fest davon überzeugt, dass wir besser aufgestellt sind als viele andere Länder.


Ist Weiterbildung allein ein Garant für einen sicheren Job? Was kann ein älterer Informatiker Ihrer Meinung nach sonst noch tun, um für den Arbeitsmarkt interessant zu bleiben?
Bildung ist mit Sicherheit der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit, aber noch lange kein Garant für eine Stelle. Gerade für einen älteren Arbeitssuchenden, vor allem wenn dieser sich in einer fachlichen Nische spe­zialisiert hat, bietet ein aktives Beziehungsnetz einen grossen Mehrwert. Und es ist wichtig, dass man sich und seine Fähigkeiten gut verkaufen kann. Letzteres zu tun ist ein Punkt, an den sich viele noch gewöhnen müssen.
Oft hört man auch, dass gerade ältere Mitarbeiter, welche vielleicht nicht die klassische IT-Ausbildung genossen haben, aber über viel Know-how verfügen, bereits vom HR aussortiert werden, weil diese deren Potential verkennen. Sehen Sie diese Problematik auch?
Diese Problematik gibt es, ja. Das Thema Äquivalenz ist eine Herausforderung sowohl für Bewerber wie auch für eine HR-Abteilung. Welche Ausbildung ist wie viel Wert, wie können verschiedene Ausbildungen verglichen werden, wie viel Gewicht hat Erfahrung? Aber genau hier wird es umso wichtiger, dass man sich richtig verkaufen kann. Man muss erklären, über welche Kompetenzen man verfügt und wie man diese erlangt hat.


Sie forderten jüngst in einer Motion, dass in der Schweiz ausgebildete ausländische Masterabsolventen und Doktoranden einfach und unbürokratisch in der Schweiz bleiben dürfen. Können sie diese Forderung etwas ausführen?
Ich muss präzisieren: Es geht bei dieser Forderung nur um Absolventen der ETH, der EPFL oder einer der kantonalen Universitäten. Fachhochschulen sind davon ausgeschlossen. Ausserdem gibt es eine weitere Einschränkung: Die Forderung gilt nur für diejenigen MINT-Berufe, für die das Seco einen Fachkräftemangel festgestellt hat. Die Motion hat den folgenden Hintergrund. Es ist nicht sinnvoll, dass die Schweiz viel Geld in die Ausbildung von Spezialisten investieren, diese dann aber nie hier arbeiten dürfen. Nehmen wir Google als Beispiel: Google möchte die Zahl der Mitarbeiter im Raum Zürich von 2000 auf 5000 steigern und hat einen unglaublichen Fachkräftebedarf. Stellt Google nun alle ETH-Absolventen ein, und nutzt dazu allein schon die Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten im Kanton Zürich, dann macht es doch keinen Sinn, dass die Spezialisten aus Drittstaaten, die wir selbst an der ETH ausgebildet haben, hier nicht arbeiten dürfen, weil das Kontingent ausgeschöpft ist. Das Investment, das der Staat in diese Leute leistet, ist zu gross, als dass Kontingente einer Anstellung in der Schweiz im Wege stehen sollten. Mit meinem Vorstoss möchte ich diesen Konstruktionsfehler korrigieren. Und die Unterstützung von bürgerlicher Seite ist gross, selbst aus den Reihen der SVP. Und auch wenn der Bundesrat die Motion nun zur Ablehnung empfohlen hat, bin ich doch optimistisch, dass das Anliegen im Nationalrat angenommen wird. Alles andere wäre nicht vernünftig.
Wir sprechen hier aber von höchstqualifizierten Spezialisten. Damit lässt sich der prognostizierte Fachkräftemangel ja kaum decken.
Natürlich nicht. Wir sprechen hier von ein paar Hundert Topabsolventen pro Jahr.

Vor allem Start-ups beklagen sich über fehlende Kontingente. Fakt ist aber, dass insbesondere Start-ups ältere Spezialisten in der Regel gar nicht in Betracht ziehen – allein schon von der Firmenkultur her, schliesslich will man jung sein. Oder sehen Sie das anders?
Ein Start-up sucht in der Regel Leute, die in Sachen Bildung top sind, die bereit sind, viel zu arbeiten, sich einzubringen und sich auf eine erfolgsabhängige Entlohnung einlassen wollen. Das sind Eigen­schaften, die nun mal eher auf jüngere Mitarbeiter zutreffen. Ich glaube nicht, dass ältere Fachkräfte kategorisch ausgeschlossen werden, wir bei Digitec zumindest haben das, wie bereits erwähnt, nie getan. Was ich aber weiss ist, dass sich kaum ältere Mitarbeiter auf unsere Jobs beworben haben. Wenn Sie 100 Bewerbungen erhalten, und nur fünf davon sind älter als 50, dann ist es nur logisch, dass entsprechend auch weniger ältere Mitarbeiter eingestellt werden. Ich wäre vorsichtig mit solchen Pauschalbehauptungen.
Kommen wir noch zur Rolle der Politik: Was kann die Politik tun, um das Problem des Fachkräftemangels anzugehen?
Wichtig ist in meinen Augen, dass bereits in der Schule Technologie vermittelt wird. Heute wird diskutiert, ob man in der Schule programmieren lernen soll. Ich möchte, dass man das Ganze gesamtheitlicher betrachtet. Informatik als Ganzes soll ein Bestandteil der Ausbildung auf jeder Bildungsstufe sein. Daneben sehe ich das Problem, dass das Aus- und Weiterbildungsangebot in der Schweiz etwas hinterherhinkt – bedingt durch den grossen Bedarf an Fachkräften und den raschen technologischen Wandel. Das betrifft gerade auch die Arbeitnehmer 45+ – die sogenannten digitalen Immigranten, die es gilt, miteinzubeziehen. Dies ist auch ein wichtiges Anliegen von ICTswitzerland. Wir sind daran, ein Manifest zu erarbeiten, das Firmen auffordert, Mitverantwortung zu übernehmen. Denn wie bereits gesagt sind nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Firmen in der Pflicht. Sie müssen der Weiterbildung Platz einräumen und sie müssen ihren älteren Mitarbeitern nicht zuletzt auch klarmachen, dass sie sich weiterbilden müssen. Denn dieses Bewusstsein fehlt oft noch.


Gibt es denn konkrete Massnahmen, die Ihnen vorschweben?
Im Bereich Bildung verfolgen wir das Ziel, dass Informatik bei allen Berufslehren ein Bestandteil wird. Wir sind der Meinung, dass es in jedem Beruf ein Mindestmass an IT-Wissen braucht – sei es nur, damit man eine Bewerbung verfassen kann. IT muss wie Mathematik oder Sprachen als Grundwissen vermittelt werden. Zudem sind wir laufend daran, die ICT-Berufsbilder anzupassen. So wird im August der neue Berufstyp IT-Security-Experte mit eidgenössischem Diplom vorgestellt. Weiter führt unser Unterverband SwissICT laufend Anlässe für Spezialisten durch und wir werden wie gesagt unser digitales Manifest verfassen.
Viele dieser Massnahmen bringen dem 55-jährigen Informatiker, der vor drei Monaten seinen Job verloren hat, wenig. Sind für ihn Massnahmen geplant?
Eine der Massnahmen muss hier sicherlich sein, dass die Zusammenarbeit zwischen denen, die Fachkräfte suchen, und den Arbeitsämtern verbessert wird. Konkret hat ICTswitzerland 30 C-Level-Personen rekrutiert, welche nun in das Mentoring-Programm des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich integriert werden. Dies hilft gerade Personen mit mangelhaftem Netzwerk und "hidden talents". Gemäss meiner Erfahrung machen die Arbeitsämter insgesamt einen sehr guten Job und sie verfügen über zahlreiche Massnahmen und Möglichkeiten. Sicher: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Situation schwierig ist, wenn man mit 55 auf Stellensuche ist. Denn viele Massnahmen, die wir diskutieren, greifen eher mittel- bis langfristig. Aber man darf eines nicht vergessen: Im ICT-Bereich liegt die Arbeitslosigkeit gesamthaft gesehen ein Prozent unter dem Schweizer Durchschnitt. Die Situation ist für den Einzelnen zwar sicher alles andere als einfach, gesamthaft gesehen ist sie aber längst nicht so dramatisch, wie sie teilweise dargestellt wird.

Zum Schluss noch folgende These: Der Mangel an IT-Spezialisten ist ein hausgemachtes Problem der Schweizer ICT-Firmen. Denn gerade den kleineren ICT-Firmen, die die Mehrheit in der Schweiz bilden, fehlen die Ressourcen, um die Mitarbeiter entsprechend zu fördern. Könnten hier der Verband oder die Politik einspringen und selbst substantielle Ausbildungsprogramme aufstellen? In der Industrie wird das von Verbänden wie Swissmem erfolgreich vorgelebt.
Es gibt viele ICT-Verbände, die sich aktiv um Aus- und Weiterbildungsangebote kümmern. Einerseits bieten Mitgliedsverbände von ICTswitzerland verschiedene Programme an – SwissICT führt zum Beispiel viele Fachanlässe für ICT-Personen durch – anderseits haben wir mit unserem "Tochterverband" ICT-Berufsbildung Schweiz ein sehr gutes Angebot an eidg. Fachausweisen und eidg. Diplomen. So wird beispielsweise im August dieses Jahres zusammen mit Herrn Bundesrat Schneider-Ammann der Security Expert mit eidg. Diplom lanciert. Und im September wird das Absolventen Netzwerk "Swiss Certified ICT Leaders" lanciert.


Letzte Frage: Würden Sie Ihren Kindern eine Ausbildung zum Informatiker empfehlen?
Bei meinen zwei kleinen Kindern ist die Ausbildung noch kein Thema. Wenn es dann einmal so weit ist, sollen sie selbst entscheiden, welchen Weg sie eingehen wollen. Das Wichtigste im Berufsleben ist, dass man Spass an dem hat, was man macht. (mw)

Kommentare
Gegenthese: Wirtschaftlich rechnet sich die Weiterbildung nicht. Für Schweizer Firmen ist es profitabler, die älteren Mitarbeiter zu entlassen und dafür ausländische billig einzustellen. Sie bezahlen weder die für die Ausbildung noch die Allgemein-/Folgekosten, die die Allgemeinheit trägt. Die sog " Externalisierung der Kosten" kommt so voll zur Geltung. Der Artikel spiegelt die typische Sicht eines FDP Politiker wieder.
Sonntag, 30. Juli 2017, Alex Bloch



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