Nach der Übernahme von Whatsapp durch Facebook im Jahre 2014 hat der weltweit populäre Messenger folgendes zur Situation geschrieben: "Für Sie, unsere Nutzer, wird sich Folgendes ändern: nichts." Nun, wie man inzwischen weiss, hielt das Versprechen von Mark Zuckerbergs Social-Media-Maschinerie etwas mehr als 900 Tage, bevor im Spätsommer des vergangenen Jahres der Datenaustausch zwischen Facebook und Whatsapp Tatsache und für jeden Nutzer zwingend wurde. Das führte dazu, dass kleinere Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messaging-Lösungen plötzlich an Attraktivität gewinnen konnten. "Der Datenaustausch zwischen Whatsapp und Facebook hatte grosse Auswirkungen auf unsere Nutzerzahlen. Im Zeitraum von August bis September des letzten Jahres konnten wir einen Zuwachs an Nutzerregistrierungen um mehr als das Fünffache wahrnehmen", erklärt Alan Duric, CTO und Mitgründer des Schweizer Messenger
Wire. "Der Facebook-Whatsapp-Deal hat uns gezeigt, dass auch bei den Messenger-Nutzern das Thema digitale Privatsphäre eine immer wichtigere Rolle spielt. Darauf wollen wir aufbauen und sehen uns in unserer Mission bestätigt."
Wire auf iOS (Quelle: Wire)
Wire auf Android (Quelle: Wire)
Wire auf Windows (Quelle: Wire)
Wire auf MacOS (Quelle: Wire)
Auf mobilen Geräten fungiert Wire als klassischer Messenger und bietet neben den Textnachrichten auch die Möglichkeit, Emojis, GIFs, Voice-Messages und Videos zu versenden sowie Sprach- und Videoanrufe zu tätigen. (Quelle: Wire)
Skype-Spin-off
Wire ist ein Messenger, der auf Android, iOS und als Desktopversion für MacOS, Windows und Linux als auch über die gängigen Webbrowser verfügbar ist. Seit der Gründung wird die Philosophie verfolgt, dass die persönliche und geschäftliche Kommunikation im Sinne der Nutzer komplett verschlüsselt geschehen sollte. Im Gegensatz zu Whatsapp, Threema und Co. arbeiten die Desktop- und App-Versionen von
Wire unabhängig voneinander. "Wire ist von Beginn an darauf ausgerichtet gewesen, auf allen Plattformen zu funktionieren", so Duric. "Und ein weiteres Merkmal von uns gegenüber den grossen Mitbewerbern ist zudem, dass wir keine User-Daten an Advertiser oder andere Dritte ausliefern."
Das Start-up wurde bereits 2012 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Zug. Im Gründungsteam von Wire finden sich mehrere ehemalige Mitarbeiter von Skype, die massgeblich an der Konzeption und am Aufbau des Online-Kommunikationskanals des heutigen Microsoft-Produkts beteiligt waren. Wire wurde von Duric und den Skype-Gründungsmitgliedern Priidu Zilmer, Head of Design, sowie Jonathan Christensen, der sich inzwischen aus dem Tagesgeschäft des Start-ups zurückgezogen hat, ins Leben gerufen. Dass man die Schweiz als Hauptstandort des Start-ups gewählt hat, ist laut Duric nicht zufällig: "Hinsichtlich Datenschutz ist die Schweiz für Online-Services wie Wire der ideale Ort, um den eigenen Nutzern das höchste Mass an Sicherheit zu geben. Zudem hat sich die Schweiz zu einem Land entwickelt, in dem zahlreiche ambitionierte Start-ups ihr Geschäft aufbauen und gleichzeitig wachsen lassen können."
Neben dem Hauptunternehmenssitz in Zug unterhält das Unternehmen einen weiteren Standort in Berlin. "In Berlin sind in erster Linie unsere Entwickler", so Duric und ergänzt: "Viele talentierte Programmierer und kreative Professionals aus aller Welt zieht es in die deutsche Hauptstadt. Mit deren Hilfe wollen wir unseren Messenger weiter optimieren."
Privatsphäre im Vordergrund
Die gesamte IT-Infrastruktur von
Wire basiert auf einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – von der Datenübertragung bis hin zur Datenverschlüsselung auf den Servern. Damit möchte das Unternehmen sicherstellen, dass Dritte nicht auf die sensiblen Daten zugreifen können. "Die Unterhaltungen gehören den Nutzern und nicht Wire", stellt Duric klar. "Aus diesem Grund werden so wenige Daten wie möglich gespeichert. Log-In-Informationen werden beispielsweise für maximal 72 Stunden gesichert. Und die Daten, die von uns behalten werden, werden ausschliesslich aus technischen Gründen hinterlegt." Wichtig sei zudem, dass die Nutzer genau wissen, was mit ihren Daten geschieht. "Wir haben zuletzt unsere Datenschutzbedingungen überarbeitet und sie stark vereinfacht und lesbarer gemacht."
Dass inzwischen alle populären Messenger mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen kommen, imponiert dem Wire-CTO nicht. "Der Unterschied zu den anderen Messengern, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anbieten, ist, dass unsere Lösung von Beginn an auf diese Technologie konzipiert und ausgerichtet wurde. Die Verschlüsselung wurde für Einzelchats, Gruppendiskussionen, gesendete Daten und Nutzerinformationen implementiert – bei Wire wurde der Aspekt der digitalen Privatsphäre grundlegend bei der Konzeption und Umsetzung bedacht." Zur Verschlüsselung verwendet der Messenger Axolotl-Ratchet und Pre-Keys, die für mobiles Messaging optimiert worden sind. Bei Anrufen kommen für den Schlüsselaustausch und die Authentifizierung DTLS sowie SRTP für die Transportverschlüsselung der Mediendaten zum Einsatz.
Und auch das Thema Transparenz ist dem Zuger Unternehmen sehr wichtig. So sind die App sowie auch das Verschlüsselungsprotokoll als Open Source verfügbar. Das bedeutet, dass der Quellcode, der Aufschlüsse über die Datenverarbeitung gibt, öffentlich ist und jeder ihn einsehen, modifizieren und verbreiten kann.
Trotz oder gerade wegen der vielen technologischen Feinheiten der Anwendung sind die Wire-Gründer sehr darauf bedacht, dass der Messenger auch praktisch ist und Features mitbringt, die Gespräche auflockern und die Nutzer unterhalten. So können Wire-Nutzer, neben Audio- und Video-Anrufen beispielsweise auch GIFs, selbstgemalte Sketche und Sprachnachrichten, die per Filter verzerrt werden können, in ihre Kommunikation integrieren.
Nutzerdaten nicht zu Geld machen
Dass man mit lustigen GIFs und transparentem Datenschutz alleine über die Dauer nicht bestehen kann, dessen ist man sich bei Wire durchaus bewusst. Der Messenger Threema, ein Schweizer Konkurrent von
Wire, hat erst vor wenigen Monaten kostenpflichtige Business-Funktionen seiner Lösung vorgestellt. Und auch Wire soll im Business-Alltag Einzug halten und scheint dies laut Duric teilweise auch
bereits zu tun. "Mehr und mehr erfahren wir von unseren Nutzern, dass Wire zunehmend auch im Business-Bereich genutzt wird. Teams kommunizieren untereinander und mit ihren Kunden über Wire. Die Ausrichtung auf Unternehmenskommunikation werden wir in Zukunft weiter vorantreiben." Vor allem im medizinischen, juristischen und finanziellen Sektor sieht man beim Start-up grosses Potential für den eigenen Messenger. "In diesen Bereichen sind die sensiblen, privaten Nutzerdaten von grosser Bedeutung", ist der Wire-Mitgründer überzeugt. "Unser Ziel muss sein, diese Informationen optimal zu schützen und die digitale Privatsphäre über alle Bereiche, egal ob sie privat oder geschäftlich sind, zu wahren."
An der kostenlosen Nutzung des Messengers soll sich auch in Zukunft nichts ändern. "Es ist geplant, noch in diesem Jahr die bestehenden Produkte von Wire zu erweitern. Dazu werden wir in Zukunft kostenpflichtige Premium-Funktionen für die Business-Kommunikation in den Messenger integrieren, sodass Arbeitsteams unsere Anwendung als vollumfängliche Kommunikations-App benutzen können", erklärt Duric.
(asp)