An der diesjährigen IFA in Berlin hat der chinesische Hersteller Lenovo mit einem neuen Gerät aus seiner Yoga-Familie für Aufsehen gesorgt. Das 2-in-1-Tablet, welches den Namen Yoga Book trägt, erinnert optisch an ein Convertible und kommt anstatt mit einer herkömmlichen haptischen Tastatur mit einem grossen Eingabefeld, auf dem eine Tastatur eingeblendet werden kann – dem sogenannten Halo-Keyboard. Das Gerät verbindet aber nicht nur Tablet und Notebook, sondern kann wahlweise auch mit einem Android-Betriebssystem oder mit Windows 10 bezogen werden. "Swiss IT Magazine" hat die Windows-Variante unter die Lupe genommen.
Je nach Druck auf dem Touchpad werden die Linien dicker oder dünner, was vor allem beim Zeichnen ein grosser Pluspunkt ist. (Quelle: Lenovo)
Auffallendes Scharnier
Optisch kommt das Yoga Book im klassischen Lenovo-Look daher und verfügt über eine, für Lenovo-Notebooks typische, angeraute Oberfläche in der Farbe "Carbon-Black" inklusive silbernem Schriftzug. Ein nettes Designelement ist das Scharnier, das aus drei Reihen von Röhrchen und ineinander fassenden Zahnrädchen besteht und das Touch-Display mit dem Touchpad verbindet.
Anders als beim Surface Book von Microsoft, das mit einem Preis ab 1399 Franken fast doppelt so viel kostet wie das 699 Franken teure Lenovo-Gerät, lässt sich das Display beim Yoga Book nicht abnehmen und separat nutzen. Jedoch kann das Display um 360 Grad umgeklappt werden, so dass es bündig auf der Hinterseite des Touchpads liegt und sich so sehr gut als Tablet nutzen lässt.
Mit rund 690 Gramm, einem 10,1-Zoll-Bildschirm und 9,6 Millimeter Dicke bewegt sich Lenovos Yoga Book deutlich unter dem Gewicht von Apples Macbook, welches ein 12-Zoll-Display besitzt, etwas dünner daherkommt und 920 Gramm wiegt. Direkte Vergleiche mit anderen Geräten zu ziehen ist aber schwierig, da sich das Yoga Book mit seinem nicht abnehmbaren Halo-Keyboard und seinem berührungsempfindlichen Display in einer eigenen Liga irgendwo zwischen Tablet und Notebook bewegt.
Lernfähiges Keyboard
Alle Anschlüsse des Yoga Books finden sich auf der linken Seite des Touchpads. Sie bestehen aus einem USB-Typ-C-Anschluss, über den das Gerät auch aufgeladen wird, und einem Mini-HDMI-Port sowie einem separaten SIM-Steckplatz für eine Nano-SIM-Karte. Auf der rechten Seite des Touchpads sind der Anschaltknopf, die Kopfhörerbuchse sowie die Lautstärkeregelung platziert. Die Aussparungen
für die Dolby-Atmos-Lautsprecher finden sich auf den beiden kurzen Seiten des Touchpads.
Im Innern unseres Testgeräts arbeitet ein Intel Atom x5-Z8550, begleitet von 4 GB RAM und 64 GB Speicher, der mittels MicroSD-Karte um bis zu 128 GB erweitert werden kann. Ebenfalls gibt es WLAN nach ac-Standard, einen Umgebungslichtsensor sowie einen GPS-Sensor. Das FHD-IPS-Display löst mit 1920 × 1200 Bildpunkten auf, und die beiden Kameras, die Lenovo verbaut hat, lösen mit 8 (Rückseite) beziehungsweise 2 Megapixel (Vorderseite) auf.
Die bereits mehrfach angesprochene Halo-Tastatur ist eine vollwertige, beleuchtete Touchscreen-Tastatur. Der Touchscreen besteht aus rauem, matten Glas. Benötigt man das Touchpad als Keyboard, werden die Umrisse der virtuellen Tasten weiss beleuchtet. Wenn man das Keyboard nicht benötigt, etwa beim Schreiben mit dem Pen, ist die Fläche einheitlich mattschwarz. Gemäss Lenovo kann die Halo-Tastatur dank einer Lern-Software die Tippgewohnheiten des Nutzers erlernen und sich ihnen anpassen. Leider war im Falle unseres Tests die Zeit zu kurz, um irgendwelche grossartigen Verbesserungen festzustellen.
Starke Magnete – glitschiger Deckel
Noch vor der eigentlichen Nutzung des Yoga Books haben wir festgestellt, dass sich das Gerät aus geschlossenem Zustand nur sehr mühsam aufklappen lässt. Zwar ist die obere Display-Seite leicht überlappend, was beim Öffnen durchaus hilfreich sein könnte. Jedoch sind die Magnete, die Display und Halo-Keyboard zusammenhalten, zu stark, um von der Überlappung zu profitieren. Zudem ist die Beschaffung der Displayoberfläche relativ rutschig. Dies führt dazu, dass das Yoga Book vor jedem Öffnen rasch auf die untere linke Kante gestellt werden musste, da sich das Gerät an der oberen rechten Ecke am einfachsten aufklappen liess. Erwähnenswert übrigens: Das Yoga Book lässt sich auch in geschlossenem Zustand starten, auch deshalb, weil der Power-Button seitlich am Gerät angebracht wurde.
Wie es bei neuen Geräten so üblich ist, musste auch bei unserem Test zuerst das Betriebssystem konfiguriert werden. Dabei machte sich das sehr kleine Mousepad auf der Halo-Tastatur ein erstes Mal bemerkbar. Vor allem beim Wischen nach oben fehlten anfänglich das Gefühl beziehungsweise die klaren Abgrenzungen einer haptischen Tastatur, und so tangierten die Mausbewegungen jeweils auch die Leertaste. Abhilfe war aber schnell gefunden: Das Touch-Display, welches bei Fingerbewegungen und -berührungen von der ersten Minute durch seine Reaktionsfreudigkeit zu überzeugen vermochte, macht das Mousepad auf der Halo-Tastatur eigentlich überflüssig.
Haptisches Feedback durch Vibration
Die fehlenden Tasten des Halo-Keyboards versucht Lenovo mit haptischen Rückmeldungen zu kompensieren. Dies ist anfänglich ungewohnt und wird mit der Zeit nervig, da das Feedback aus einer doch relativ intensiven Vibration besteht. Vor allem beim Schreiben auf einer glatten Oberfläche, wie etwa einem Pult, entsteht neben der Vibration auch ein vernehmbares Geräusch, das von Bürokollegen durchaus als störend empfunden werden kann. Abgeschaltet werden können die Vibrationen leider nicht, oder zumindest haben wir in unserem Test nicht herausgefunden, wie.
Abgesehen von den lästigen Vibrationen gewöhnt man sich aber schnell an die Halo-Tastatur. Das Schreibgefühl ist auch im Zehnfingersystem mit demjenigen auf dem Touchscreen eines Smartphones vergleichbar und daher nicht komplett ungewohnt. Jedoch ist man beim Schreiben auf dem Halo-Keyboard bedeutend langsamer als beim Tippen auf einer herkömmlichen Tastatur. Neben der Tastatur-Funktion gibt es auch eine Zeichenfunktion, die sich mit einem Klick beziehungsweise Touch auf das Stift-Symbol oberhalb der F12-Taste aktivieren lässt. Die Arbeit mit dem Real Pen funktioniert auf dem Touchpad sehr gut. Erfreulich ist zudem, dass das System die Bewegungen des Stifts schon registriert, wenn man in die Nähe des Touchpads kommt. So lässt sich einfach die Position des Pens erkennen und mit der effektiven Berührung des Stifts auf dem Pad werden dann auch Linien gemalt. Zudem ist das Touchpad druckempfindlich, was bedeutet, dass bei festem Druck die Linien dicker werden als bei leichtem.
Darüber hinaus kann man auch ein echtes Blatt Papier auf das Gerät legen und, nachdem man beim Real Pen die Mine gewechselt hat, darauf schreiben und zeichnen und das Geschriebene erscheint auf dem Blatt und auf dem Display. Das funktioniert im Grossen und Ganzen wie von Lenovo versprochen. Das Problem ist auch hier wieder die Geschwindigkeit: Wenn man schnell Texte schreiben will, was in einem Meeting oder an der Uni vorkommen dürfte, kommt die Stifteingabe teilweise nicht nach. Auch das Wechseln von einer Touch- auf eine Tintenmine liess sich nicht ohne Probleme bewerkstelligen und, trotz genauem Befolgen der beiliegenden Anleitung, hat sich das Köpfchen der Touch-Mine beim Wechsel leicht verbogen, da es im für den Minenwechsel vorgesehenen Loch auf dem Stiftdeckel hängen blieb.
Im Gegensatz zum Touchpad, welches bei der Stifteingabe gesamthaft überzeugte, funktioniert der Pen auf dem Touch-Display, trotz EMR-Pen-Technologie, nur dürftig und die Bewegungen auf dem Display sind nicht flüssig. So hinken die Stiftbewegungen im Test in vielen Fällen hinterher.
Akku überzeugt nicht
Lenovo gibt an, dass der 8500 mAh starke Akku über eine durchschnittliche Nutzungszeit von 13 Stunden verfügt und im Ruhemodus sogar bis zu 70 Tage ohne Anschluss an die Steckdose schafft. Die Realität sieht, zumindest gemäss unserer kurzen Testerfahrung, etwas anders aus. Trotz durchschnittlicher Nutzung mit den vorinstallierten Office-Programmen sowie einem Stifttest in Paint hat der Akku, bei einer Displayhelligkeit von 75 Prozent, jeweils nur sieben Stunden geschafft, ohne dass wir über das Yoga Book Musik oder Filme laufen liessen. Dafür ging das Aufladen überraschend fix. Optional lässt sich unter den Einstellungen ein Stromsparmodus aktivieren und das Gerät geht auch sofort in den Sleep-Modus, wenn man es zuklappt.
(asp)