Ein XXL-Tablet für Profis
Quelle: zVg

iPad Pro

Ein XXL-Tablet für Profis

Von Marcel Wüthrich und Michel Vogel

Das iPad Pro, das bislang grösste Tablet von Apple, ist in der Schweiz angekommen. «Swiss IT Magazine» hat überpüft, ob es den Namenszusatz Pro verdient.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2015/12

     

Als regelmässiger Tester eines iPad hatte man es in den vergangen Jahren nicht immer ganz einfach. Sicher, von der ersten iPad-Generation im Jahr 2010 bis zum iPad Air 2 aus dem letzten Jahr hat sich einiges getan, doch die Schritte von Modell zu Modell waren selten riesig, und so wusste man manchmal gar nicht recht, was man denn testen sollte.
Solche Probleme hatten wir mit dem brandneuen iPad Pro nicht. Noch nie war ein iPad grösser (12,9 Zoll Display-Diagonale), hochauflösender (2732×2048 Pixel), schwerer (723 Gramm inkl. Mobilfunkmodul) und stärker auf professionelle Anwender ausgerichtet. Letzteres spiegelt die grundsätzliche Strategie von Apple wieder, stärker im Geschäftsumfeld Fuss zu fassen, und das iPad Pro soll ein wichtiger Meilenstein in der Umsetzung dieser Strategie sein. Entsprechend haben wir das Riesen-iPad auch speziell im Hinblick auf Geschäftsanwendungen angeschaut. Unter anderem haben wir diesen Testbericht auf dem iPad geschrieben, das Gerät und insbesondere den dazugehörigen Stift – genannt Apple Pencil – unserer Layout-Abteilung zum Arbeiten überlassen und schliesslich noch einen Konstrukteur ans iPad Pro gesetzt. Damit decken wir drei Bereiche ab, die Apple als prädestiniert für das iPad Pro erachtet – die Arbeit mit Microsoft Office, wo das Tablet quasi zum Notebook-Ersatz wird, die Arbeit im Kreativ-Bereich mit Hilfe von Adobe-Apps wie Comp CC, um Layouts zu erstellen, und die Verwendung im Konstruktionsumfeld mit Apps wie Autocad 360 von Autodesk.

Laptop-Alternative?

Um das iPad Pro im Journalistenalltag testen zu können, musste eine Tastatur her. Apple hat zum grossen iPad das sogenannte Smart Keyboard präsentiert, das optisch an das Type Cover für Microsofts Surface erinnert und fugenlos quasi als Kunststoffmatte daherkommt. Leider fehlten Apple bis Redaktionsschluss jedoch Testsamples mit deutschem Tastaturlayout, so dass wir uns mit einem Cover von Logitech behelfen mussten beziehungsweise durften (siehe Kasten).
Seit iOS 9 ist es möglich, den Bildschirm aufzuteilen. Mit dem iPad Pro und seinem 12,9-Zoll-Display macht das auch richtig viel Sinn. So kann man problemlos auf dem halben iPad-Bildschirm Word offen haben, während auf der anderen Seite der Browser für die Recherche angezeigt wird. Und dank der ebenfalls neuen Bild-in-Bild-Funktion von iOS 9 kann man unten rechts oder in allen anderen Ecken auch gleich noch ein Video abspielen und so etwa ein Fussballspiel im Auge behalten – von der Performance her ein Klacks für das iPad Pro.

Was uns beim Schreiben in Word ab und an passiert ist, ist, dass wir mit dem Finger aus Versehen den Touchscreen des Tablets berührt und somit den Schreibfluss unterbrochen haben. Das dürfte aber auch nur passiert sein, weil das iPad mit der Logi-Create-Hülle recht nahe an den Tasten ist.
Die entscheidende Frage ist aber, ob das iPad Pro als vollwertiger Notebook-Ersatz für die tägliche Büroarbeit hinhalten kann. Hier gehen die Meinungen auseinander. Wir haben beispielsweise – Touchscreen hin oder her – ein Trackpad auf der externen Tastatur vermisst. Und Multitasking ist bedingt dadurch, dass die Einteilung recht starr ist (im rechten Teil können die verschiedenen offenen Programme aktiviert werden, der linke Teil ist quasi fix und kann bearbeitet werden) auch nicht dasselbe, wie man es als Windows- oder auch OS-X-Nutzer gewohnt ist. Zusammen mit der von uns verwendeten Logi-Hülle bringt das iPad Pro zudem stolze 1480 Gramm auf die Waage. Da gibt es manch ein Notebook, das leichter ist und dabei ein noch grösseres Display bietet.
Letztlich dürfte die Frage, inwieweit man das iPad Pro als Laptop-Ersatz verwenden will, jedoch eng mit der Tastatur beziehungsweise Hülle zusammenhängen, die man zusammen mit dem Tablet nutzt. Und hier hat uns die Logi-Create-Hülle von Logitech nicht vollends überzeugt. Wie bereits erwähnt, ist das Display für unseren Geschmack zu nah an den Tasten. Ausserdem kann der Aufstellwinkel nicht angepasst werden. Und trägt man das iPad geöffnet wie ein Notebook herum, ist das Ganze recht wackelig.

Werkzeug für Kreative

So richtig spannend wird das iPad Pro in der Hand eines Kreativen. Wir haben für unseren Test unsere Haus-Layouterin mit dem Gerät arbeiten lassen und dazu die Adobe Apps Adobe Comp CC sowie Photoshop Fix und Photoshop Mix heruntergeladen.
Mit Adobe Comp CC und dem Apple Pencil ist es im Handumdrehen möglich, auf dem iPad Layouts zu erstellen, die dann über die Creative Cloud am Desktop in Indesign weiterverwendet werden können. Dieses Zusammenspiel funktioniert einwandfrei. Während man ein ganzes Magazin vielleicht nicht auf dem iPad Pro erstellen möchte, ist die App in Verbindung mit dem grossen iPad für schnelle Entwürfe oder bei Kundenterminen ein extrem spannendes Tool. Das geht von Hand genauso gut oder sogar besser als mit dem Apple Pencil und sollte in Comp CC auch für Nutzer ohne Layout-Erfahrung ein Einfaches sein.

Ebenfalls auf Begeisterung stösst das iPad Pro zusammen mit dem Pencil bei der Bildbearbeitung in Photoshop Fix/Mix. Gerade das Freistellen von Objekten oder das Erstellen von Fotomontagen geht mit dem Stift in der Hand (oder auch nur mit dem Finger) deutlich einfacher und intuitiver als mit der Maus. Daneben ersetzen iPad Pro und Pencil auch die Grafiktablets, die im grafischen Bereich oft anzutreffen sind und zum frei händischen Zeichnen am PC verwendet werden. Diese Aufgabe übernimmt das iPad Pro tadellos, und erkennt dabei beispielsweise auch, wie stark gedrückt wird. So lautet das Fazit unserer Layouterin: «Man ist – gerade für kleinere Anpassungen oder das Erstellen von Vorschlägen – mit dem iPad Pro vor allem viel schneller.»
Zum Apple Pencil: Dieser wird via Lightning Port geladen (15 Sekunden laden reichen für 30 Minuten Gebrauch), ist vom Gewicht her mit einem Plastikkugelschreiber zu vergleichen, liegt damit angenehm in der Hand und gleitet auch auf der Glasoberfläche sehr angenehm. Keine Verbesserungswünsche vorhanden also – von einer gummierten Grifffläche allenfalls abgesehen, aber das ist wohl Geschmacksache.

Einsatz in der Konstruktion

Nach unserer Haus-Layouterin war ein uns bekannter Konstrukteur an der Reihe, für den wir auf dem iPad Pro die beiden kostenlosen Autodesk-Apps Auto-CAD 360 zum Anzeigen, Bearbeiten und Freigeben von Zeichnungen und Entwürfen sowie die Mal- und Zeichenanwendung Sketchbook installierten.
Der erfahrene Konstrukteur zeigte sich beeindruckt von der Display-Grösse des Tablets, fügte aber gleich an, dass sie im Vergleich zu seiner gewohnten Arbeitsumgebung immer noch sehr klein sei. Zu dieser gewohnten Arbeitsumgebung gehören auch eine Maus und eine Tastatur, die doch merklich vermisst wurden. So richtig warm wurde er in der kurzen Zeit, in der er das iPad Pro für uns testen konnte, mit der Bedienung mit Finger und Apple Pencil nicht – obwohl er dem Stift eine hohe Genauigkeit attestierte und ein gutes Zeugnis ausstellte. Zudem lobte er das Zoomen, das dank Multi-
Touch-Display sehr einfach sei.

Insgesamt sieht der Profi das iPad Pro weniger als ein Arbeitsgerät für sich selbst, sondern viel mehr als ein praktisches Werkzeug zum Beispiel eines technischen Beraters. Grosse und komplexe Zeichnungen oder Entwürfe liessen sich spielend auf dem Tablet aufrufen und anzeigen und müssten vor einem Kundenbesuch nicht erst ausgedruckt werden. Auch kleine Korrekturen, das Anbringen von Notizen oder beispielsweise das Ausmessen von Flächen oder Distanzen werde durch die digital vorliegenden Zeichnungen vor Ort erst möglich beziehungsweise deutlich vereinfacht.
Was sich der Konstrukteur durchaus auch vorstellen könnte, ist, Skizzen in Zukunft mit einem Gerät wie dem iPad Pro anzufertigen. Dafür nutzt er aktuell Bleistift und Papier. Ein grosser Vorteil wäre, dass diese Skizzen dann bereits digital sind und sich je nach Programm rasch in einen Entwurf oder eine Zeichnung umwandeln lassen. Der Nachteil: Papier und Bleistift sind immer irgendwo vorhanden, auch in der Werkstatt, das iPad Pro hingegen ist vielleicht genau dann nicht zur Hand, wenn man es bräuchte.

Hardware auf gewohnt hohem Niveau


Bezüglich Business-Funktionalität macht das iPad Pro zusammenfassend also einen mehrheitlich positiven bis sehr guten Eindruck. Das Gerät kann sicher als Laptop-Alternative herhalten, auch wenn ein gewisser Arbeitskomfort eines ausgewachsenen Desktop-Betriebssystems und richtigen Notebooks vermisst wird. Für Kreative ist das Tablet samt Apple Pencil absolut spannend und im professionellen Konstruktionsbereich ebenfalls eine durchaus interessante Ergänzung, wenn auch nicht direkt für den Konstrukteur selbst, sondern eher den technischen Berater.
Abschliessend noch einige Worte zur Hardware, über die wir bis zu diesem Punkt kaum ein Wort verloren haben. Diese lässt – wie eigentlich bei allen Apple-Geräten – keinen Raum für Kritik. Das Display ist brillant, die Verarbeitung top und das Gerät mit 6,9 Millimetern sehr dünn, so dass auch das im Vergleich zum «normalen» iPad Air 2 (444 Gramm) doch deutlich höhere Gewicht von 723 Gramm nicht allzu negativ auffällt.

Der verwendete A9X-Chip ist zusammen mit der neuen GPU auch bei anspruchsvollen Grafiken blitzschnell und erreicht das von Apple versprochene Desktop-Niveau. Positiv zu erwähnen sind auch die Batterielebensdauer, die beim grossen iPad bis zu zehn Stunden betragen soll und in der Praxis vergleichbar mit der des iPad Air 2 ist, sowie die neuen Speaker, die nun an vier Ecken rund um das iPad angeordnet sind, was den Sound im Vergleich zum herkömmlichen iPad nochmals ein gutes Stück besser klingen lässt. Andere Funktionen wie die Kameras und der Fingerabdrucksensor entsprechen dem iPad Air 2 – wie oft man mit dem iPad Pro aber fotografiert, dürfte ohnehin die Frage sein. Der grösste Kritikpunkt, den man rund um die Hardware des grossen Tablets immer wieder hört, ist das fehlende drucksensitive 3D-Touch-Display, das Apple im iPhone 6S verbaut ist. Wir allerdings finden dies nicht so tragisch, vor allem deshalb, weil beispielsweise beim freihändigen Zeichnen ja der Apple Pencil unterschiedlichen Druck auf das Display berücksichtigt.

Logitech Create

Logitech hat mit der Create Schutzhülle als einer der ersten Dritthersteller eine Tastatur für das iPad Pro lanciert. Die Tastatur der Hülle ist hintergrundbeleuchtet und schaltet sich automatisch ein, wenn sie mit dem neuen Smart Connector des Tablets verbunden wird. Entsprechend ist keine Bluetooth-­Verbindung nötig und auch geladen werden muss die Tastatur nicht. Das Tippgefühl mit den 19-Millimeter-Tasten ist ausgezeichnet und auch die Verarbeitung ist tadellos. Bezüglich Funktionalität konnte uns die 159 Franken teure, mit 20 Millimetern reichlich dicke und gut 750 Gramm schwere Tastaturhülle allerdings – wie im Testbericht beschrieben – nicht überzeugen.
Info: Logitech, www.logitech.ch


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