Viel wurde spekuliert und gemunkelt, bis
Amazon im Juni tatsächlich sein erstes Smartphone vorgestellt hat. Mittlerweile ist das Gerät erhältlich – zumindest in den USA und derzeit noch exklusiv beim Provider AT&T. Bis Amazon den Verkauf ausweitet, dürfte es aber nur eine Frage der Zeit sein, und dann werden mit Sicherheit rasch auch Händler in der Schweiz das Telefon anbieten. «Swiss IT Magazine» hat in den USA für einen kurzen Test ein Fire Phone in die Hände gekriegt und zeigt, ob sich das Warten lohnt.
Verschiedene 3D-Effekte
Was einem beim ersten Blick auf das Fire Phone sofort auffällt, sind die vielen Kameras auf der Vorderseite. Es gibt nicht weniger als fünf Stück. Vier davon sind alleine dazu da, um nur die Kopfbewegungen des Nutzers mitzuverfolgen und zusammen mit dem speziellen Display des Handys eine der beiden gross angepriesenen Fire-Phone-Funktionen zu ermöglichen: Dynamic Perspective. Durch das Kippen oder Neigen des Gerätes oder des Kopfes kann man sich damit dreidimensional in einem virtuellen Raum bewegen.
Eingesetzt wird die neue Technologie derzeit vor allem in Spielen, aber auch die Icons auf dem Home-Screen und einige Menüs und Schriften bieten einen netten 3D-Effekt. Zudem können natürlich auch Produkte im Online-Shop von
Amazon dreidimensional betrachtet werden. Das Scrollen im Web ist durch das Bewegen des Smartphones oder des Kopfes ebenfalls möglich und auch die hauseigene Karten-App unterstützt die 3D-Funktion. Die Technologie wirkt bereits erstaunlich ausgereift, sobald man den Dreh einmal raus hat und solange man keine zu schnellen Bewegungen macht. Allerdings fehlt es noch an einem wirklich relevanten Einsatzzweck.
Erkennen und sofort kaufen
Das zweite gross beworbene Feature des Gerätes nennt sich Firefly und soll die Erkennung verschiedenster Dinge wie zum Beispiel Musik oder Filme, aber auch Telefonnummern oder Adressen ermöglichen. Dazu nutzt Amazon die Kamera des Gerätes und identifiziert alles, was man gerade betrachtet oder hört. Visualisiert wird die Suche mit kleinen Leuchtkäfern (auf Englisch Firefly, darum der Name), die umherschwirren und erst zur Ruhe kommen, wenn etwas gefunden wurde.
Firefly ist nichts Neues, es gibt bereits zahlreiche andere Apps, die Ähnliches können. Interessant ist das Feature aber insofern, als dass man nicht mehr mehrere Apps benötigt, beispielsweise eine für das Erkennen von Musik und eine andere für das Digitalisieren von Visitenkarten. Es genügt, einfach den Firefly-Button auf der linken Seite des Gerätes zu drücken. Zudem kann das Erkannte (Buch, Song, Film etc.) natürlich sofort im Online-Shop von Amazon gekauft werden. Wie unser Test gezeigt hat, braucht es allerdings etwas Übung, Geschick und auch ein wenig Glück, damit wirklich erkannt wird, was erkannt werden soll – und dies trotz der rieseigen Datenbank von
Amazon.
Übrigens: Sowohl für Dynamic Perspective als auch für Firefly hat Amazon SDKs veröffentlicht. Man darf also gespannt sein, was für Apps Drittentwickler entwerfen werden.
Einzigartige Benutzeroberfläche
Äusserst gewöhnungsbedürftig ist das User Interface des auf Android aufbauenden Fire OS 3.5, das sich deutlich von anderen Benutzeroberflächen wie beispielsweise der des iPhone unterscheidet. Der Startbildschirm zeigt zum Beispiel ein Karussell (Bild) mit grossen Symbolen der meistgenutzten Apps und einigen Details, beispielsweise den neuesten E-Mails. Dann gibt es verschiedene Gesten. Ein Wisch nach oben öffnet die übliche App-Übersicht, ein Wisch nach unten die Menüleiste mit Akkustand und den wichtigsten Einstellmöglichkeiten, ein Wisch nach rechts die verschiedenen und natürlich perfekt integrierten Amazon-Dienste und ein Wisch nach links Informationen wie beispielsweise das aktuelle Wetter. Man kann dank Lagesensoren auch einfach das Gerät rasch in die eine oder andere Richtung kippen, um das gewünschte Fenster oder Menü aufzurufen. Allerdings wirkte dieses Feature im Test eher mühsam als hilfreich. Es gilt jedoch anzumerken, dass ein unterdessen erschienenes Update die Navigation allgemein vereinfachen soll.
Ansprechende Hardware
Hardwareseitig setzt
Amazon bei seinem Gerät – das übrigens hervorragend verarbeitet ist und gut in der Hand liegt – auf einen Quad-Core-Prozessor von Qualcomm, der mit 2,2 GHz taktet und jederzeit genug Leistung bietet. Zudem kann das Fire mit 2 GB Arbeitsspeicher sowie wahlweise 32 oder 64 GB internem Speicher aufwarten. Das Display misst 4,7 Zoll und löst leider nur mit 1280x720 Pixeln auf, dafür ermöglicht es aber – wie erwähnt – 3D-Effekte. Die Kamera auf der Rückseite wurde derweil mit 13 Megapixeln ausgestattet, diejenige vorne schafft 2,1 Megapixel. Weiter sind LTE, NFC und Bluetooth mit an Bord. Der Preis für das 160 Gramm schwere Gerät liegt je nach Version ohne Vertrag bei 649 (32 GB) oder 749 Dollar (64 GB).
Quicktest
Das Fire Phone von Amazon bringt mit Firefly und Dynamic Perspective zwei interessante neue Funktionen. Trotzdem bietet das Gerät momentan noch keinen grossen Mehrwert gegenüber anderen Smartphones – ausser man ist bereits komplett im Amazon-Universum zu Hause. Der Mehrwert könnte dank den genannten und für Drittentwickler offenen Technologien jedoch in absehbarer Zeit kommen. Und bis dann ist das Gerät vielleicht auch hierzulande erhältlich.
Info: Amazon,
www.amazon.comWertung: 4 von 6 Sternen
(mv)