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Big Data und KMU passen zusammen
Quelle: Nach J.A.Barton/D.B.Marson

Big Data und KMU passen zusammen

Von Klaus-Dieter Gronwald

Big Data setzt voraus, dass ein Unternehmen kunden­orientiert arbeitet. Ist dies der Fall, steigert Big Data die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere auch von KMU.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/09

     

Big Data ist keine Technologie. Big Data verwendet Technologien, um auf die richtigen Fragen Antworten in Echtzeit zu finden und diese im Geschäftsalltag gewinnbringend umzusetzen. Die richtige Kombination von Big-Data-Methoden, Tools und Technologien wie Hadoop, In-Memory-Computing, NoSQL-Datenbanken, Social Media und traditionellem Data Mining ermöglichen Unternehmen jeder Grösse, Antworten auf ihre Fragen zu finden. Die Schwierigkeit besteht darin, die richtigen Fragen zu stellen.
Benjamin Franklin schrieb im Jahr 1748 einen Brief an einen Freund mit dem Titel «Ratschlag an einen jungen Geschäftsmann, gegeben von einem alten» und begann ihn mit «Remember, time is money» – «bedenke, Zeit ist Geld». Er schloss mit dem Resümee «…kurz gesagt, der Weg zu Wohlstand ist so gerade wie der Weg zum Markt. Er hängt hauptsächlich von zwei Worten ab, Fleiss und Sparsamkeit; das heisst, verschwende weder Zeit noch Geld, sondern mache das Beste aus beidem.»

Mehr Evolution als Revolution

Besser lässt sich das Ziel von Big-Data-Analysen nicht beschreiben. Das Zitat erinnert daran, dass Big Data keine Revolution ist, sondern ein evolutionärer Prozess, der auf einer soliden Basis von Prinzipien und Werten beruht. Dinge werden nicht wirklich anders, sondern hauptsächlich schneller gemacht. Traditionelle Business Intelligence Methoden werden durch Big Data Analytics nicht ersetzt, sondern vielmehr sinnvoll ergänzt.
Die Tatsache, dass diese Innovation technologiegetrieben ist, führt zur falschen Annahme, dass Big Data zwangsläufig hohe Investitionen in Technologie benötigt. Im Zeitalter von Online-Diensten und Cloud-Lösungen benötigen Unternehmen jedoch lediglich den Zugang zur Technologie. Dasselbe Missverständnis trifft man in Bezug auf die benötigten Datenmengen an. Das Softwareunternehmen SAP gibt an, dass der optimale Wert für Big Data Analytics bei 110 TB liegt. Diese Datenmenge haben noch nicht einmal die meisten Grossunternehmen. In einem ersten Schritt lässt sich dieser Wert durch die richtigen Fragestellungen auf heute übliche 10 bis 30 TB reduzieren. Und auch diese muss man nicht mehr im Hause haben. Ein Unternehmen benötigt lediglich den Zugang zu diesen Daten, die in vielen Fällen als Streaming-Daten noch nicht einmal mehr zwischengespeichert werden. KMU sind gleichermassen in der Lage, intelligente Fragen zu stellen wie Grossunternehmen, und Start-ups beweisen, dass es dafür oft nur ein Notebook braucht.

Die Kundenbedürfnisse stehen zuoberst

Traditionelle Geschäftsmodelle werden häufig als Pyramide dargestellt: der CEO an der Spitze, darunter die Geschäftsleitung, die Abteilungsleitungen, Mitarbeitende und ganz zu­unterst die Kunden. Daraus ergeben sich die primären Ziele von Business Intelligence und Data Mining: Analysen und Reports über die Unternehmensperformance, um daraus strategische Massnahmen für das nächste Fiskaljahr ableiten zu können. Das ist aufwendig, teuer, langsam und nur für Grossunternehmen praktikabel.
In den letzten Jahren hat sich diese Pyramide auf den Kopf gestellt: mit der breiten Kundenbasis oben und den CEOs an der Spitze ganz unten. Die invertierte Pyramide ist das gängige Geschäftsmodell geworden (siehe Grafik). KMU müssen dieses Modell genauso akzeptieren wie Grossunternehmen.
Sowohl Data Mining als auch Big Data Analytics haben nicht mehr die vergangenheitsbezogene, auf erzielten Ergebnissen gestützte Performance-Analyse des Unternehmens zum Ziel, sondern analysieren Märkte und insbesondere das Kundenverhalten. Hier ergeben sich die wesentlichen Unterschiede zwischen traditionellem Data Mining und Big Data Analytics sowie deren Rückwirkung auf die Unternehmen. Daraus sollte sich eigentlich ein unmittelbarer Wettbewerbsvorteil von KMU gegenüber Grossunternehmen ergeben, da sie flexibler sind, sofern die CEOs ihre Rolle am unteren Ende der Pyramide akzeptieren. Start-ups sind genau deswegen schneller und innova­tiver, weil sie in diese Geschäftsmodelle hineingeboren werden und nicht umlernen müssen.

Data Mining vs. Big Data: zwei Beispiele

Wer in einer der grossen Supermarktketten einkauft und seine Kundenkarte zum Gutschreiben der Punkte vorweist, dessen Kaufverhalten wird registriert; so auch bei der amerikanischen Kette Target. Diese begann mit Data Mining das Kaufverhalten von Frauen zu untersuchen, die sich in der Vergangenheit für ihr Babyprogramm registrieren liessen. Nach monatelangen Datenanalysen identifizierten sie brauchbare Muster, die sie sogar den Phasen der Schwangerschaft zuordnen konnten. Sie begannen also, Coupons für Babyartikel an die vermeintlich werdenden Mütter zu versenden, bis sich eines Tages der Vater einer Minderjährigen beschwerte, ob Target seiner Tochter eigentlich ein Baby einreden wolle. Ironie der Geschichte: Der Vater musste sich kurz darauf entschuldigen, weil seine Tochter in der Zwischenzeit gemerkt hatte, dass sie tatsächlich schwanger war. Es dauerte geraume Zeit, bis Target auf den Zwischenfall reagierte und sein Marketingprogramm so angepasste, dass kein eindeutiger Bezug mehr zu der Zielgruppe der werdenden Mütter hergestellt werden konnte. Die Verantwort­lichen haben die Baby-Coupons einfach mit willkürlichen Angeboten wie Rasenmähern gemischt und die Marketingmassnahmen somit wie eine zielgruppenunabhängige Aktion erscheinen lassen.

Im Gegensatz dazu stehen Big-Data-Analysen, die in Echtzeit soziale Netze überwachen. Die amerikanische Modehauskette Abercrombie & Fitch (A&F) brachte 2013 ein T-Shirt in ihre Läden mit der Aufschrift «more boyfriends than t.s.» – «t.s.» in Anspielung auf die wechselnden Beziehungen der amerikanischen Sängerin Taylor Swift. Darauf verlangten wütende Fans, dass die T-Shirts aus den Läden verschwinden, und innert kürzester Zeit wurde das Thema in den Social Networks verbreitet. Da reagierte A&F sofort. Innerhalb von Stunden waren die Shirts weltweit aus den Shops verschwunden, und A&F schrieb auf Twitter: «Hey swifities, we no longer sell the tshirts, we...(love) Taylor’s music and think she’s awesome!» («Hallo Swifties, wir verkaufen die Shirts nicht länger, wir lieben Taylor’s Musik und finden sie ist atemberaubend!»). Das war leicht, da Taylor Swift perfekt die Zielgruppe von A&F repräsentiert und die Entscheidung, auf den Protest zu reagieren, auf der operativen Ebene getroffen werden konnte.

Fehlende Reaktion mit fatalen Folgen

Weniger gross ist allerdings die Akzeptanz der umgekehrten Pyramide auf CEO-Ebene – mit fatalen Folgen für die Unternehmen. Wieder ein Beispiel von A&F: Im Jahr 2006 gab der CEO von A&F ein Interview. Darin bekannte er sich zur Zielgruppe der jungen, hübschen und erfolgreichen Amerikaner. Später digitalisierte die Zeitschrift ihre Archive und stellte diese online – und damit auch das Interview mit dem A&F-CEO. Im März 2013, sieben Jahre später, griff «Fox 4 News» die besagte Passagen des Interviews erneut auf mit der Schlagzeile «Abercrombie & Fitch: Fat, ugly people shouldn’t buy our clothes» («dicke, hässliche Menschen sollen unsere Kleidung nicht kaufen»). Die Folge waren heftige Proteste auf der Strasse und vor allem im Web. Selbst Protestvideos auf Youtube mit mehr als acht Millionen Klicks führten nicht zu einer Reaktion des CEO. Das Resultat: Weltweite Umsatzeinbrüche von mehr als 14 Prozent, die das Unternehmen zeitweise in die roten Zahlen führten.

Die MIT Sloan School of Management hatte bereits 2012 zu Beginn der Big-Data-Welle den Fokus richtig gesetzt mit einem Beitrag in der Harvard Business Review mit dem Titel «Big Data: The Management Revolution». Die Wandlung von einem produktorientierten zu einem kundenorientierten Denken und Handeln ist das direkte Resultat von Big Data.
Traditionelles Data Mining führt eine Segmentierung von Kunden in Gruppen (Einkommen, Geschlecht, Alter, Ausbildung, Beruf…) für ein zielgruppenorientiertes Marketing durch. Der Kunde als Individuum existiert in diesen Modellen nicht. Big Data dagegen manifestiert den Wandel vom produkt­orientierten zum kundenorientierten Cross-selling und Up-selling mit Real-time-Analyse des Kundenverhaltens auf individueller Basis. Der Kunde steht im Fokus, generische Märkte treten in den Hintergrund.

Big Data erfordert Flexibilität

Auf den Punkt gebracht sind bei Big Data folgende Punkte zu beachten:

- Big Data ist primär kein Datenmengenproblem, sondern ein Komplexitätsproblem. Dies betrifft sowohl die Fragestellungen als auch den Zugang zu den richtigen Daten.
- Big Data setzt das kundenorientierte Geschäftsmodell der invertierten Pyramide voraus. Damit verbunden ist ein Umdenken von einem allein auf Intuition und Erfahrung basierenden Entscheidungsprozess zu einem datendominierenden Prozess als Teil der Unternehmenskultur.
- Big Data erfordert Flexibilität und ein für Innovation offenes Unternehmen sowohl von den Produkten als auch von dem Geschäftsmodell her – und vor allem ein «Customer Rela­tionship Management», das kein Tool, sondern die Basis für ein aktives persönliches Kundenverhältnis ist.
- Es braucht keine Big-Data-Analysten im Unternehmen. Big-Data-Services lassen sich hervorragend outsourcen.
- Die Rolle der IT wechselt von der Bereitstellung und Aufarbeitung grosser Datenmengen hin zur Sicherstellung des Zugangs zu Daten, Netzen und Dienstleistungen, der notwendigen Infrastruktur und Bereitstellung von «Big Data Self Services».

Bei Beachtung dieser Punkte steigert Big Data die Wettbewerbsfähigkeit speziell von KMU und erleichtert den Zugang zu internationalen Märkten.


Dr. Klaus-Dieter Gronwald ist Forschungsdozent und Studiengangsleiter am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule Luzern.



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