Seit einigen Jahren kann in der Schweiz ein Boom von Rechenzentren beobachtet werden. Die Datenmenge verdoppelt sich gegenwärtig alle zwei Jahre. In vielen Regionen – vor allem in den Grossräumen Zürich und Genf – wurden zahlreiche hochmoderne Data Center errichtet. Aktuell existieren hierzulande über 400, wovon etwa 50 eine Fläche von über 500 Quadratmetern (öffentliche wie auch firmeneigene) ausweisen.
Doch nicht nur in der Schweiz, auch andernorts wächst der Data-
Center-Markt rasant, wie eine Studie zeigt, die das Institut für Wirtschaftsstudien Basel (IWSB) im Auftrag von Economiesuisse und dem Schweizerischen Verband der Telekommunikation, Asut, erstellt hat. Diese Entwicklung reflektiert einige fundamentale Trends der globalen ICT-Landschaft, die massgeblich durch die gestiegenen Datentransportkapazitäten und die damit verbundenen tieferen Preise für die Verbindungen beeinflusst werden:
(Quelle: Broadgroup 2012)
(Quelle: Broadgroup 2012)
Datenwachstum: Viele Menschen nutzen Smartphones, um im Internet zu surfen, Filme werden online angeschaut und Bahntickets über die passende App gekauft. Auch Unternehmen sind ständig auf digitale Datenverarbeitung angewiesen, um effizient zu arbeiten. Es erstaunt daher nicht, dass die globale Datenmenge jährlich um rund 45 Prozent wächst. Die Speichertechnik kann mit diesem exponentiellen Datenwachstum momentan nicht mithalten, sodass eine steigende Nachfrage nach Speicherkapazitäten und Data-Center-Stellfläche resultiert.
Cloud Computing: Der Trend zu Cloud Computing – der Datenspeicherung und -verarbeitung in der «Wolke» – erhöht die Datenmenge, die zentral verarbeitet und gespeichert werden muss, zusätzlich. Cloud Computing ist heute zwar erst für 11 Prozent des Data-Center-Datenverkehrs verantwortlich, bis 2015 soll dieser Anteil jedoch bereits 33 Prozent betragen.
Outsourcing: Die Mehrzahl der Unternehmen betreibt nach wie vor eigene Data Center. Zunehmend bieten aber spezialisierte Anbieter Outsourcing-Lösungen an, die von der reinen Vermietung von Stellfläche («Housing» oder «Co-Location») bis zum vollständigen Datenmanagement («Hosting») reichen. Verschiedene Gründe wie Datenverfügbarkeit, Sicherheit, Kosteneffizienz durch Grössenvorteile oder Kapazitätsengpässe sprechen für ein anhaltendes Wachstum des Outsourcing-Marktes.
Data-Hub Schweiz
Die Schweiz steht im europäischen Data-Center-Markt gut da. Im Markt der spezialisierten Drittanbieter weist die Schweiz im europäischen Vergleich – ähnlich wie die Niederlande und Irland – eine sehr hohe Dichte an Data Centern auf.
Der Boom der Data Center in der Schweiz dürfte zu einem wesentlichen Teil auf ausländische Kunden zurückzuführen sein. Gemessen an der Gesamtfläche von Rechenzentren liegt die Schweiz hinter dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Spanien an fünfter Stelle (noch vor Italien). Innerhalb Europas gelten London, Frankfurt, Paris und Amsterdam als die wichtigsten Data-Hubs.
Für die nächsten Jahre wird in der Schweiz mit einem jährlichen Wachstum der Data-Center-Fläche von rund 10 Prozent gerechnet.
Standortvorteile der Schweiz
Das Geschäft mit der Datenspeicherung und -verarbeitung ist eine Wachstumsbranche, die einem zunehmenden internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist. Die Schweiz kann im internationalen Standortwettbewerb bisher vorne mithalten und schneidet bei den wichtigsten Data-Center-spezifischen Standortkriterien sehr gut ab.
Eine stabile und wirtschaftliche Stromversorgung ist einer der wichtigsten Standortfaktoren für den Betrieb eines Rechenzentrums, zumal bis zu 70 Prozent der Betriebskosten auf die Elektrizität entfallen. Die Schweiz ist mit ihrer stabilen und international vernetzten Stromversorgung gut positioniert. Auch bezüglich der Strompreise sind die Rahmenbedingungen in der Schweiz relativ gut. Was den Strom-Mix angeht, kann die Schweiz mit einem hohen Wasserkraftanteil punkten. Dies ist insofern wichtig, weil immer mehr Unternehmen eine «Green IT»-Policy verfolgen.
Auch bezüglich IT-Infrastruktur weist die Schweiz eine hohe Standortattraktivität für Data Center auf. Bei den Internet-Breitbandkapazitäten pro Kopf (Bit/s pro Internet-User) schneidet die Schweiz im internationalen Vergleich sehr gut ab.
Naturgefahren stellen eine Gefährdung der physischen Sicherheit von Rechenzentren dar. Der Standort Schweiz weist im internationalen Vergleich geringe Risiken für Erdbeben, Überschwemmungen und andere Naturereignisse auf. Und nicht zuletzt ist die Schweiz mit ihren restriktiven Datenschutzbestimmungen für die Lagerung von sensiblen Daten sehr geeignet. Anders als in anderen Ländern (z.B. Schweden, USA) darf in der Schweiz kein Datenzugriff ohne gerichtliche Anordnung vorgenommen werden.
Positive volkswirtschaftliche Effekte
Von einer erfolgreichen Data-Center-Standortstrategie können die folgenden volkswirtschaftlichen Effekte erwartet werden:
Investitionen: Ein Data Center ist eine hoch spezialisierte und kostspielige Neubauimmobilie. Der Bau von Rechenzentren dürfte in der Schweiz in den vergangenen Jahren jährliche Investitionen von mehreren Hundert Millionen
Arbeitsmarkt: Der Betrieb eines Data Center schafft dauerhafte Arbeitsplätze, zumal bei
Rechenzentren in der Regel mit Laufzeiten von zehn bis 15 Jahren gerechnet wird. Zusätzlich erfordern Data Center eine Vielzahl von komplementären ICT-Services.
Gemeinwesen: Standortgemeinden und -kantone profitieren im Falle einer Ansiedlung von Rechenzentren von zusätzlichen Steuereinnahmen. Zusätzliche Kosten für den Infrastrukturunterhalt dürften sich demgegenüber in engen Grenzen halten.
Indirekte Effekte: Die europäische Data-Center-Landschaft ist von einigen wichtigen Ballungszentren geprägt. Auch in der Schweiz kann ein gewisser Trend hin zur Bildung von Data-Center-Clustern beobachtet werden (Regionen Genf und Zürich). Dies deutet darauf hin, dass Cluster-Effekte im Data-Center-Markt eine relativ grosse Rolle spielen. Die lokale Verfügbarkeit von Know-how und bewährten Infrastrukturen dürften weitere Anbieter anziehen.
So bleibt die Schweiz ein Top-Standort
Die Entwicklung im Bereich der Data Center bietet aber nicht nur attraktive Geschäftsmöglichkeiten für ansässige Anbieter, für immer mehr Unternehmen werden Daten auch zum entscheidenden Rohstoff. Den heute attraktiven Rahmenbedingungen ist deshalb grosse Sorge zu tragen. Aktuell ist die Schweiz als Standort gut aufgestellt. Damit das auch so bleibt, müssen die folgenden drei Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden:
1. Versorgungssicherheit und kompetitive Strompreise sicherstellen: Die zuverlässige und sichere Elektrizitätsversorgung zu kompetitiven Preisen ist einer der wichtigsten Standortvorteile der Schweiz im Wettbewerb um die Ansiedlung von Rechenzentren. Durch die Ungewissheit über die künftige Energiestrategie wird der Standortfaktor «Energie» jedoch in Frage gestellt. Es ist davon auszugehen, dass die erhebliche Unsicherheit über die künftige Ausrichtung der Stromversorgung hierzulande bereits heute negative Auswirkungen auf die Investitionsentscheide von Data-Center-Anbietern hat. Zur Wahrung der Standortattraktivität ist die Politik nun aufgefordert, aufzuzeigen, dass auch inskünftig eine sichere Stromversorgung und kompetitive Strompreise gewährleistet bleiben.
2. Verlässliche Datenschutzbestimmungen garantieren: Restriktive Datenschutzbestimmungen müssen auch in Zukunft als Standortvorteil sorgfältig gepflegt werden. Der Datenschutz muss als griffiges und vertrauensstiftendes Instrument erhalten bleiben. Er ist so zu konzipieren, dass er eine sinnvolle Balance zwischen dem legitimen Schutz der Privatsphäre gewährleistet und gleichzeitig technische Entwicklungen und Daten-basierte Geschäftsmodelle nicht einschränkt. Auch künftig muss die Schweiz bei ihrer eigenständigen Weiterentwicklung des gesetzlichen Rahmens an einem hohen Datenschutz festhalten. Cyber-Spionage, die NSA-Skandale oder Datenpannen sind Gift für die Entwicklung. Gleichzeitig ist bei aufwendigen staatlichen Sicherheits- und Überwachungsmassnahmen Sorgfalt geboten, da diese schnell zu weiteren Verunsicherungen und Risiken führen. Zielführender sind unternehmenseigene Sicherheitsmassnahmen und zurückhaltende Überwachungsmöglichkeiten.
3. ICT-Fachkräftemangel entschärfen: Im ICT-Arbeitsmarkt leidet die Schweiz an einem Mangel an qualifizierten Fachkräften. Der Technologie- und Innovationsstandort Schweiz wird dadurch gefährdet. Diese Knappheit erschwert auch im Data-Center-Bereich die Rekrutierung von qualifiziertem Personal und treibt die Löhne in die Höhe. Mit der Abstimmung vom 9. Februar 2014 zur Masseneinwanderungs-Initiative hat sich die Situation zusätzlich erschwert. Es ist Aufgabe der Politik, geeignete Massnahmen zur Beseitigung des Fachkräftemangels umzusetzen. Dabei gilt es einerseits, die Attraktivität des ICT-Berufsfelds hervorzuheben und andererseits die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) in der obligatorischen Ausbildung zu stärken.