Nachdem
Swisscom eben erst sein überarbeitetes Fernsehangebot Swisscom TV 2.0
vorgestellt hat, kommt bereits die nächste TV-Neuerung in die Schweizer Wohnzimmer: Die
Wilmaa Box des gleichnamigen Schweizer Web-TV-Anbieters, die bereits Ende 2012
angekündigt wurde, jetzt Marktreife erreicht hat und dem neuen Swisscom TV 2.0 in vielen Bereichen ziemlich ähnlich scheint.
Mit der Wilmaa Box bekommt der Kunde Zugriff auf über 200 TV-Sender, davon gut 40 in HD-Qualität. Ausserdem kann er alle Sendungen bis zu sieben Tage später noch abrufen, und mittels integriertem Videorecorder ist es möglich, Sendungen (auch solche, die bereits ausgestrahlt wurden) in der Cloud aufzuzeichnen. All dies bietet Swisscom neu auch.
Doch die Wilmaa Box verspricht gegenüber vergleichbaren TV-Angeboten einige weitere Vorteile. Zuallererst ist sie Provider- und auch ortsunabhängig einsetzbar. Einzige Voraussetzung ist ein Internetanschluss mit mindestens 10 Mbit/s Download. Verbunden wird die Box entweder über das integrierte WLAN oder mittels LAN-Kabel. Das bedeutet auch, dass man die Wilmaa Box überall hin mitnehmen kann – zum Beispiel auch ins Ferienhaus oder zu Freunden.
Dadurch, dass die Box dank Cloud-Speicher ohne Festplatte auskommt, ist sie auch deutlich kompakter als andere Set-Top-Boxen, braucht keine Lüfter und deutlich weniger Strom. Gemäss Wilmaa saugt die eigene Box im Betrieb 4 Watt und im aktiven Stand-by 0,33 Watt. Die Konkurrenz hingegen benötigt im Betrieb 10 bis 20 und im Stand-by-Modus immer noch zwischen 9 und 16 Watt, weil sie nur so noch Aufnahmen auf die interne HDD tätigen können.
Nicht nur Vorteile
"Swiss IT Magazine" hatte die Möglichkeit, bereits vor dem Release eine
Wilmaa Box auf Herz und Nieren zu testen. Dabei gibt es zuerst viel Positives zu berichten – angefangen bei der Inbetriebnahme. Wilmaa hat bei der Gestaltung des Angebots viel Wert gelegt auf Einfachheit – der Fernsehgenuss soll ohne langes Setup und Studium der Betriebsanleitung möglich sein. Dies ist dem Anbieter gelungen. Box auspacken, ans LAN anschliessen (beziehungsweise über WLAN den WPA-Schlüssel eingeben), und schon kann der Fernsehspass beginnen. Man muss nichts aufsetzen, nichts einrichten, sich nirgends anmelden, alles funktioniert Out-of-the-Box. Lobenswert!
Was ebenfalls positiv auffällt ist, dass im Paket bereits alle nötigen Kabel (HDMI, LAN) mitgeliefert werden, und dass die Geräte – also sowohl die äusserst kompakte Box, die vielleicht so gross wie ein Modem ist, wie auch die Fernbedienung – absolut wertig daherkommen. Ebenfalls kaum Erklärungsbedarf ist zudem rund ums Interface beziehungsweise bei der Bedienung der Wilmaa Box nötig. Das Menü ist intuitiv, die umfangreichen Möglichkeiten mit Live-Pause, dem zeitversetzten Fernsehen oder den Aufnahmefunktionen absolut logisch. Bezüglich Aufnahme cool: Man kann der Wilmaa Box auch sagen, sie soll ein Programm auf einen angeschlossenen USB-Stick oder eine externe HDD anstatt in die Cloud aufzeichnen. So kann man eine Sendung via Stick dann überall hin mitnehmen und auf jedem Gerät, das MPEG2-Videos wiedergeben kann, abspielen.
Nichts für zapper
Das erste Manko der
Wilmaa Box macht sich allerdings relativ rasch bemerkbar – nämlich dann, wenn man beginnt, den elektronischen Programm Guide (EPG) zu suchen – also die heute übliche Balkenübersicht verschiedener Sender mit den aktuellen und anstehenden Sendungen. Diese Suche ist vergebens, weil es einen EPG im eigentlichen Sinn mit der Wilmaa Box nicht gibt. Beim Umschalten der Sender werden einem zwar hübsch die Senderlogos sowie die aktuelle, die letzte und die kommende Sendung angezeigt, allerdings nur vom gerade gewählten Sender. Daneben gibt es noch die "Tele"-App, die basierend auf der Programmzeitschrift "Tele" das TV-Programm anzeigt – dabei aber nur eine Auswahl aus der Primtime, Highlights und Top-10-Programme. Wie Wilmaa gegenüber "Swiss IT Magazine" aber erklärte, sei ein "richtiger" EPG eine der Funktionen, die man noch nachreichen wolle.
Der zweite, schmerzhafte Schwachpunkt der Wilmaa Box ist die Umschaltzeit. Das Umschalten zwischen zwei Sendern dauert – selbst wenn die Box am LAN und einer 200-Mbps-Internetverbindng hängt – gut und gerne drei, vier oder gar fünf Sekunden. Ist man via WLAN verbunden oder schliesst die Box gar nur an eine 10-Mbit/s-Leitung an, dauert der Senderwechsel sogar noch ein, zwei Sekunden länger. Hier muss Wilmaa noch arbeiten, für einen Zapper ist das nichts. Dafür lässt sich festhalten, dass die Box auch mit der Minimalanforderung von 10 Mbit/s tadellos funktioniert. Ebenfalls zu lange dauert zudem das Einschalten der Box aus dem Stand-by-Betrieb. Selbst über LAN und die schnelle Internetleitung wartet man nach dem Drücken des Power-Knopfs fast 30 Sekunden, bis das Fernsehprogramm auf dem TV erscheint.
29 Franken pro Monat
Erwähnen muss man schliesslich auch die Kosten. Für die
Wilmaa Box werden einmalig 199 Franken fällig. Danach verlangt Wilmaa pro Monat 29 Franken für die gut 200 Sender. Ein Light- oder gar ein Free-Angebot nach dem Kauf der Box ist nicht vorgesehen.
Ein direkt vergleichbares Angebot gibt es derweil bei der Konkurrenz nicht, denn das neue
Swisscom TV 2.0 ist standalone nicht erhältlich. Aber es gibt bei Swisscom Digital-TV mit 140 Sendern für 14 Franken, oder mit 200 Sendern für 21 Franken. Dann aber muss man auf das Sieben-Tage-Replay und die Aufnahmefunktion der Wilmaa Box verzichten.
UPC Cablecom bietet ein ähnliches Angebot (Horizon Classic DTV) ebenfalls für 29 Franken. Hier gibt es dann 130 Sender und Replay auf 77 Sender sowie die letzten 30 Stunden beschränkt. Insofern muss sich die Wilmaa Box preislich nicht verstecken, aber man würde sich eine günstigere Option wünschen.
Ansonsten lässt sich festhalten, dass die Einfachheit der Lösung und die Unabhängigkeit, die der Nutzer mit der Wilmaa Box erhält, durchaus dafür sprechen, sich das Produkt einmal genauer anzuschauen. Gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass Wilmaa die Umschalt- und Aufstartzeiten noch (deutlich) verbessern und einen EPG nachliefern kann. In der jetzigen Form macht die Box jedenfalls nur beschränkt Spass.
(mw)