Swiss IT Magazine: Was ist Ihre Aufgabe als IT-Verantwortliche von Swisscom Enterprise Customers?
Anne-Thérèse Morel: Als Verantwortliche für die interne IT bin ich grundsätzlich dafür zuständig, dass die Mitarbeitenden die richtigen Arbeitsmittel haben, um unsere Kunden optimal bedienen und untereinander effizient arbeiten zu können. Nebst der reinen Anwendungsverantwortung trage ich auch die Verantwortung für das Corporate Data Quality Management. Hier geht es darum, die relevanten Unternehmensdaten und Qualitätsparameter festzulegen und ihre Pflege sicherzustellen.
Wie ist es, für die IT einer Firma tätig zu sein, die selbst IT-Services gegen aussen erbringt?Allgemein ist es kein Unterschied zu einem anderen Unternehmen, denn es gilt wie überall, den Mitarbeitenden die richtigen Arbeitsmittel an die Hand zu geben. Aber natürlich ist die Ausprägung ein bisschen anders. Ich muss, um meine Aufgabe wahrzunehmen, nicht die ganze Expertise bei mir zentralisieren, weil wir viele Experten haben, auf die wir zurückgreifen können. Deshalb umfasst meine Aufgabe mehr die Governance und Steuerung und weniger die Ausführung. Den Betrieb der Applikationen wie Exchange, SAP oder ITSM können die Mitarbeitenden in den verschiedenen Bereichen gut selbst übernehmen, da sie das ja für alle unsere Kunden auch machen. Und wenn wir neue Produkte für unsere Kunden lancieren wollen, dann macht es Sinn, diese Produkte intern zu pilotieren.
Wie ist Ihre Abteilung aufgebaut?Wir befinden uns aktuell in einer Transitionsphase aufgrund des Zusammenschlusses von Swisscom IT Services mit Swisscom Grosskunden. Deshalb ist diese Frage schwierig zu beantworten. Grundsätzlich deckt mein Team drei Funktionen ab: IT-Governance, Daten-Governance und Daten-Lifecycle-Management. Dabei fungieren wir als Drehscheibe zwischen Benutzerbedürfnissen aufnehmen, die passende Lösung finden und diese anschliessend umsetzen und betreiben lassen. Wie das in Zukunft sein wird, erarbeiten wir in diesem Jahr.
Was wird sich für Sie und Ihre Arbeit durch diese Zusammenführung ändern?
Die Zusammenführung hat grossen Einfluss auf die interne IT: Bis zu den Backend-Systemen soll alles aus einer Hand kommen. Dazu braucht es eine grosse IT-Transformation. Das Ziel der Fusion ist die Optimierung unserer Interaktion mit dem Kunden sowie noch mehr Effizienz intern.
Der Geschäftsbereich IT, Network & Innovation ist dabei neu für den Betrieb aller IT-Systeme zuständig und übernimmt den Betrieb der zuvor von Swisscom IT Services betreuten Plattformen. Welche Auswirkungen hat dies auf Ihre Arbeit? Wieso macht man diesen Schritt?
Grundsätzlich ist auch dies wieder eine Optimierung. Vorher wurde ein Teil der Plattformen bei Swisscom Grosskunden und ein Teil bei Swisscom IT Services betrieben. Nun wollen wir die Synergien aus den zwei zusammengeführten Bereichen nutzen. Für mich als IT-Verantwortliche macht es allerdings keinen Unterschied, denn bis anhin hatte ich auch bei Swisscom IT Services interne «Leistungsvereinbarungen»: Die internen Abteilungen sind IT-Dienstleister, die gemäss vordefinierter Service- und Performance-Parameter ihre Leistungen erbringen. Ich sage immer: Ich bin eine IT-Verantwortliche, die wie unsere Kunden ihre IT outgesourct hat. Wie nun die Abteilung heisst, die für mich Services erbringt, spielt für mich keine Rolle, so lange die Qualität stimmt.
Sie entwickeln mit Ihrer Abteilung also nichts selbst?Genau. Ich bringe die Experten zusammen, um Lösungsvarianten zu erarbeiten. Dann wird mit den Business-Verantwortlichen entschieden, welche implementiert wird. Und schliesslich bin ich als Auftraggeberin tätig und beauftrage und steuere die Projektumsetzung. Dabei kann das Projekt an eine interne Abteilung vergeben werden oder – wenn die Kompetenzen intern nicht vorhanden sind – an einen externen Lieferanten. Nach der Implementierung schaue ich, dass es eine Vereinbarung für den Betrieb der Lösung gibt.
In welchen Bereichen greifen Sie auf externe Firmen zurück?Dabei geht es oftmals um Software-Lösungen, die wir nicht intern entwickeln. Wenn wir eine Kompetenz in einem Projekt nicht haben, dann arbeiten wir oft mit dem Provider der Lösung oder einem Systemintegrator zusammen.
Welche Projekte brauchen aktuell einen Grossteil Ihrer Aufmerksamkeit?
Die Zusammenführung der Unternehmen, die per 1. Januar 2015 erfolgt, ist aktuell definitiv das grösste Projekt. Wie bei jedem Post-Merger-Projekt geht es in einem ersten Schritt darum, dass die Leute miteinander arbeiten können müssen. Im Fall von Swisscom ist dies schon weitgehend gegeben, da wir ja bereits in derselben Gruppe waren und über eine gemeinsame Basisinfrastruktur verfügen. In der zweiten Phase geht es darum, den Auftritt beim Kunden und die Interaktion mit dem Kunden zu vereinheitlichen. Ich spreche etwa vom Internetauftritt oder von Kundenportalen, die schrittweise harmonisiert werden. Daneben gibt es gesetzliche Aspekte zu beachten. Wir werden gesetzlich ein Unternehmen, was Einfluss auf die finanzielle Führung der Firma hat. Und das wiederum hat Auswirkungen auf die Systeme, weil man das Reporting entsprechend anpassen muss. Dann gibt es viele Konsolidierungs- und Harmonisierungsaufgaben, zum Beispiel im Projekt- und Portfolio-Management. Hier gibt es zuerst eine Abgleichung von Prozessen und die Wahl des besten Tools aus einer Vielzahl von bislang eingesetzten Lösungen. Im Bereich des IT Service Managements wird es komplexer, weil es sich um das Herz der Systeme eines ICT-Providers handelt. Diese Systeme werden auch angeglichen, aber über einen längeren Prozess.
Welche weiteren Projekte beschäftigen Sie?
Gleichzeitig läuft natürlich das Business weiter, und es stehen auch noch andere Projekte an. So arbeiten wir bei den Online-Portalen an Verbesserungen. Denn unsere Strategie besagt, dass der Kunde immer häufiger online mit uns interagieren soll, etwa im Bereich von Bestellungen oder Self Care. Weitere Projekte betreffen den Bereich Security: Wir müssen den gesteigerten Anforderungen gerecht werden, gerade im Bereich Banking. Zudem läuft bereits seit Jahren ein längeres Projekt, bei dem es darum geht, die Prozesse und die Datenqualität End-to-End zu verbessern.
Wer entscheidet letztlich, ob eine Geschäftseinheit eine bestimmte, gewünschte Lösung bekommt: Sie oder die Konzernleitung?
Wer es im neuen Konstrukt sein wird, kann ich noch nicht sagen. Wir haben jetzt verschiedene Kompetenzstufen. Kleinere Sachen werden sehr agil entschieden. Wenn aber der Finanzierungsbedarf eine gewisse Grösse erreicht, dann muss man die Vorgaben einhalten. Bis anhin habe ich das interne Budget weiterhin bei mir, wobei ich mich natürlich auf die Strategie und die Priorisierungs-Roadmap fokussiere, die im Vorfeld erarbeitet und verabschiedet wurden.
Sind Sie zufrieden mit Ihrem internen Budget?
Grundsätzlich ja. Es ist natürlich eine Herausforderung: Der Druck, die Kosten zu reduzieren, ist immer da. Aber ich habe auch das Glück, dass verstanden wird, dass man mit IT die TCO senken kann. Diese Gesamtsicht wird berücksichtigt. Ich suche also die Balance zwischen Konsolidierung und Optimierung, so dass man das eingesparte Geld für neue Sachen einsetzen kann.
Wie viele Anwendungen haben Sie etwa im Einsatz?
Bislang waren es etwa 400 Anwendungen. Wie viele es in der neuen Struktur sein werden, kann ich noch nicht sagen. Aber 100 Applikationen werden etwa abteilungs- und organisationsübergreifend eingesetzt. Früher waren wir 3000 Mitarbeitende, in Zukunft werden es fast 5000 sein. Da ist klar, dass einiges notwendig ist, damit die Leute arbeiten können.
Wünschen Sie sich entsprechend mehr Mitarbeiter für Ihr künftiges Team?
Erst muss man definieren, welche Aufgaben zentral und welche dezentral angesiedelt sind. Die Zahl der Mitarbeitenden ist nicht das relevanteste. Auch in der IT- und Daten-Governance stellt sich die Frage, wie viel sich eine Firma leisten will. Man kann auch mit einem kleinen Team arbeiten, indem man Prioritäten setzt. Hierzu müssen die Fragen beantwortet werden, welche Themen übergreifend adressiert werden können und wo die Anforderungen sehr dediziert sind. Zentral ist hierbei, was die Firma will und welchen Qualitätsanspruch sie hat. Jetzt haben wir eine klare Organisation mit verschiedenen Kompetenzzentren. In einer solchen Organisation macht ein übergreifender Management-Layer Sinn, weil es in allen Bereichen ähnliche Ansprüche gibt. Es ist also sinnvoll, Synergien zu nutzen und eine Lösung anzustreben, die mehrere Bedürfnisse abdeckt. Aber es gibt auch Aspekte, in denen die verschiedenen Bereiche sehr unterschiedlich sind und autonom agieren müssen.
Was wäre ein Bereich, wo es nicht gross Sinn macht, zu zentralisieren?
Im Kompetenzcenter Banking machen wir zum Beispiel Business Process Outsourcing (BPO). Das ist etwas sehr Spezifisches, das wir aktuell in keinem anderen Bereich tun. Ein weiteres solches Beispiel ist der Bereich Cloud: Dieser entwickelt und baut die Swisscom-Cloud und verfügt über eine entsprechend hohe technologische Kompetenz. Natürlich muss man sich aber auch da immer überlegen, wo es Verbindungen zu anderen Bereichen gibt. Gerade bei so innovativen Themen gilt es, Brücken zu bauen. Dabei muss man analysieren, ob Ansätze bestehen, die man auch woanders anwenden könnte. Ein Thema kann lokal anfangen, und erst nach einer Weile sieht man das Potential für andere Bereiche.
Und welches sind die grössten Aufgaben und Herausforderungen, denen die IT eines Telekom-Anbieters heute gegenübersteht?
Ein ICT Provider hat viele Daten – also Infrastrukturinformationen – darüber, wie sich die Systeme verhalten. Es gilt, aus den Daten die wichtigsten und richtigen Informationen herauszuholen, um Anomalien und Trends frühzeitig zu erkennen und effizienter in die Abläufe zu integrieren. Auch gibt es grosse Herausforderungen betreffend Security und Compliance. Für die Kunden ist es entscheidend, an wen sie ihre Informationen für den Betrieb weitergeben. Wir müssen sorgfältig damit umgehen. Ebenfalls wichtige Themen sind die Cloud, die Digitalisierung unserer Welt sowie der Mobilitätsanspruch. Das ist nicht nur eine grosse Aufgabe für einen ICT-Provider in dem Sinn, dass er seinen Kunden Produkte in diesem Bereich anbieten will, sondern auch, weil er die Lösungen auch intern einsetzen möchte.
(abr)