Lange ist es her, seit klassische Musik-TV-Sender wie MTV und Viva tatsächlich Musikinhalte ausgestrahlt haben. Ein wichtiger Grund hierfür findet sich laut Oliver Flueckiger, Geschäftsführer und Mitgründer des Zürcher Start-ups Rayneer, in der zunehmenden Segmentierung der Musikgeschmäcker. Diese Entwicklung hin zum immer Individuelleren ist denn auch die Basis, auf der Rayneer aufbaut. «Wir bieten unseren Kunden personalisiertes Musikfernsehen», erklärt Flueckiger.
In anderen Worten stellt das Start-up seinen Kunden in Form von Apps für Android und iOS oder als Browser-Applikation ein auf ihren persönlichen Geschmack ausgerichtetes Musikclip-Programm zusammen. Hierfür muss der Nutzer sich über sein Facebook-Profil bei Rayneer anmelden. Anhand der auf dem Profil gemachten Angaben berechnet das Start-up mithilfe eines Algorithmus’ die Präferenzen des Anwenders. Alternativ haben die User seit kurzem auch die Möglichkeit, sich über ihren Account bei der Internet-TV-Plattform Wilmaa einzuloggen. Da dem Unternehmen bei dieser Option aber andere Informationen zur Verfügung stehen als bei Facebook, sind die Anforderungen an die Datenanalyse gestiegen. Schliesslich waren die Algorithmen bislang für die soziale Plattform optimiert. «Auf Wilmaa schenken wir dem Klickverhalten, sprich ob User einen Titel überspringen oder favorisieren, noch mehr Aufmerksamkeit. Bei der Einbettung in Wilmaa konnten wir unter Beweis stellen, dass unsere Algorithmen auch in einem anderen Umfeld funktionieren», ist Flueckiger überzeugt.
Gezielte Werbung
Neben dieser Herausforderung profitiert das Start-up aber stark von der Partnerschaft mit der Internet-TV-Plattform. «Wilmaa ist in der Schweiz sehr erfolgreich und bietet uns eine gute Plattform, um unsere Reichweite auszubauen», meint Flueckiger und ergänzt: «Einen weiteren Vorteil ziehen wir aus der Zugehörigkeit von Wilmaa zur Goldbach Gruppe. Dieser haben wir die exklusive Werbevermarktung übergeben.»
Die Werbung ist denn auch ein wichtiges Element des Start-ups, das sich durch die Einblendung von TV-Spots finanziert. Nach rund drei Musikclips wird jeweils ein Spot eingespielt. Der Mitgründer von Rayneer betont: «Unsere Philosophie lautet, nicht möglichst lange Werbeblöcke, sondern eher weniger Spots einzublenden, dafür aber relevante.»
Steiniger Weg
Seit der ersten Finanzierungsrunde, die dem Start-up zwei Millionen Franken eingebracht hat, konnte sich das Unternehmen rasant entwickeln. So rosig sah es jedoch nicht immer aus – im Gegenteil: der Weg war lang und streckenweise steinig. So entstand die Idee für Rayneer bereits vor dreieinhalb Jahren, live gegangen ist der Dienst jedoch erst im April 2012. «Die Finanzierungsrunde hat um einiges länger gedauert als geplant», verrät Flueckiger. Dafür verantwortlich waren die Verträge mit der Musikindustrie, die aufgrund der Due-Dilligence-Prüfung angepasst werden mussten. Die erneuten Verhandlungsgespräche mit Warner, Universal und Sony waren langwierig, haben dem CEO zufolge aber schlussendlich zum Ziel geführt und seien heute die Grundlage dafür, dass das Geschäftsmodell funktioniere.
Aus der verzögerten Live-Schaltung des Dienstes gingen wiederum Hürden hervor, die nicht von allen Mitgründern des Unternehmens genommen werden konnten. Ursprünglich wurde Rayneer nämlich von drei Männern ins Leben gerufen: Oliver Flueckiger, CTO Yannick Koechlin und Ronny Nenniger. «Ronny Nenniger war vor seinem Engagement für Rayneer bei Radio Energy tätig und brachte somit Erfahrung im Musikgeschäft mit. Da wir aber rund ein Jahr lang keine Löhne beziehen konnten, war er als zweifacher Familienvater irgendwann dazu gezwungen, die Notbremse zu ziehen und sich einen neuen Job zu suchen», gewährt Flueckiger einen Einblick in die schwierigeren Zeiten des Unternehmens.
Mit Zuversicht in die Zukunft
Dass es das Start-up dennoch bis hierher geschafft hat, schreibt der CEO unter anderem dem Durchhaltewillen der Beteiligten sowie seinem Netzwerk zu: «Ich habe zuvor in der Medienbranche gearbeitet und kannte dadurch die Goldbach Gruppe und die Leute von Wilmaa bereits.» Hinzu kommt der Business-Plan-Wettbewerb Venture, den Rayneer für sich entscheiden konnte. Durch diesen Erfolg entstand der erste Kontakt zur Zürcher Kantonalbank, die anschliessend in das junge Unternehmen investierte.
Die Zuversicht, die Flueckiger aus den erreichten Erfolgen schöpft, zeigt sich auch in seinen ambitionierten Zukunftsplänen. So will Rayneer vorerst in der Schweiz wachsen, dann aber in andere Länder expandieren. «Besonders interessant sind für uns die östlichen Länder, zum Beispiel Russland», führt Flueckiger aus. Grund dafür seien unter anderem die Konkurrenzsituation sowie attraktive Werbepreise. Es sei zudem möglich, dass der Dienst künftig nicht mehr nur personalisiertes Musikfernsehen biete, sondern auch andere, auf die Nutzer zugeschnittene Inhalte ausstrahle. «Die Frage ist, ob wir an die entsprechenden Rechte gelangen», meint Oliver Flueckiger abschliessend.
(af)