Die Mehrheit der arbeitstätigen Bevölkerung in modernen Industriestaaten können als Informationsarbeiter bezeichnet werden. Ihre Arbeit besteht aus Recherche sowie dem Erkennen und Bewerten von Informationen, die sie zu neuen Informationen zusammenfügen. Ein Kreditvertrag bei einer Bank, ein Marketing-Plan oder eine Anforderungsanalyse bestehen zum Beispiel aus solchen recherchierten, bewerteten und neu zusammengefügten Informationen. Informationsarbeiter können dank der Vernetzung von Computern von überall auf der Welt zusammenarbeiten, unter anderem auch aus dem Home Office. Im Unterschied zur physischen Arbeit, sind dabei aber neue Routinen und neue Hilfsmittel zu erlernen. Der folgende Artikel zeigt, welche Routinen und Hilfsmittel zu guter Zusammenarbeit in virtuellen Teams führen und damit die Heimarbeit unterstützen.
(Quelle: Dr. Pascal Sieber und Partners)
(Quelle: Dr. Pascal Sieber und Partners)
Das virtuelle Team
Viele Aufgaben lassen sich aufgrund ihrer Komplexität kaum mehr von einem Einzelnen erfüllen. Personen sind voneinander abhängig. Sie formieren sich zu virtuellen Teams rund um eine Aufgabe. Zur Erreichung ihres Ziels tauschen sie Informationen untereinander aus. Dazu nutzt das virtuelle Team neue Informations- und Kommunikationstechnologien in Form von Groupware oder E-Collaboration-Tools. Groupware verbessert die Informationslage, die Kommunikation und Koordination und unterstützt damit die Kooperation im Team.
Freilich verrichten nicht alle Team-Mitglieder genau dieselben Tätigkeiten, und gerade daran orientieren sich die Bedürfnisse nach Routinen und Hilfsmitteln. Man unterscheidet vier Typen von Informationsarbeitern:
-Experten arbeiten unabhängig mit wenig bis gar keiner Supervision. Sie erzeugen und wenden hochwertige Formen von Information und Wissen an.
-Transaktoren werden mit Informationen und Anweisungen versorgt. Sie erledigen klar definierte, meistens einfachere Aufgaben.
-Kollaboratoren dirigieren, koordinieren und delegieren die Arbeit. Dieser Typus steht immer im Kontakt mit seinem Team, Kunden oder Lieferanten. Zwar sind seine Ziele genau definiert, wie er diese erreicht, liegt aber oft in seinem Ermessen und seiner Verantwortung.
-Integratoren benutzen Informationen und Technologien, um zu erfahren, wann und wie eine bestimmte Aufgabe auszuführen ist. Ihre Berufsrolle ist strukturiert und basiert auf einem statischen aber organisationsübergreifenden Setting.
Die Zusammenarbeit von einzelnen Typen kann meistens mit spezifischen Hilfsmitteln gut unterstützt werden. Sollen jedoch all die unterschiedlichen Arbeitstypen zusammenarbeiten, spricht mach von E-Collaboration – der «Königsdiszplin» der computerunterstützten Zusammenarbeit. Sie stellt Herausforderungen an die Kommunikationsfähigkeit der Team-Mitglieder und an die Flexibilität der Hilfsmittel.
Zugang zu gemeinsamem Material
Kollaboratoren beispielsweise arbeiten meistens mobil. Da nützt es wenig, wenn die Experten ihre Informationen in Intranets abspeichern, auf die man mit schwacher Internet-Verbindung oder wegen den Sicherheitsanforderungen von unterwegs gar nicht zugreifen kann. Damit Kooperation entstehen kann, sind zwei Prinzipien einzuhalten:
-Alle Dokumente müssen auf einer gemeinsamen Datenablage gespeichert sein, auf die alle zugreifen können.
-Es muss allen bekannt sein, wer welche Dokumente und Daten bearbeitet.
Dokumenten-Management-Systeme unterstützen diese Prinzipien. Vom Funktionsumfang her sind solche Lösungen wünschenswert. In der Praxis weichen allerdings viele Teams auf Hilfsmittel wie Dropbox, Google Docs oder PHPFilenavigator aus. Derartige Dienste gibt es zu hunderten, meist sogar kostenlos im Internet. Viele erlauben die Synchronisation von Dateien auf die Festplatte des Laptops. Damit bieten sie auch mobilen Team-Mitgliedern einen hohen Komfort.
Kommunikation
Kommunikation auf Distanz ist immer gestört: Sei es, weil sie schriftlich erfolgt oder weil man sich nicht sehen kann. Dadurch entstehen Missverständnisse und Ineffizienzen. Die folgenden Regeln helfen, diese Nachteile zu mindern:
-Kommuniziert ist erst, wenn Feedback über die erhaltene Information erfolgt ist. Im Face-to-Face-Kontakt erfolgt dies über einfache Gesten wie Kopfnicken. In der Kommunikation auf Distanz muss sie explizit und dem jeweiligen Medium angepasst erfolgen (Bestätigungs-E-Mail, explizite Rückfrage an der Telefonkonferenz etc.).
-Wenn es nicht gut läuft, ist Transparenz und aktive Kommunikation umso wichtiger.
-E-Mails sollten so geschrieben werden, als würde sie jemand lesen (aus der Sicht des Empfängers).
-Weil man nicht sieht, was die anderen gerade machen, muss dies aktiv mitgeteilt werden.
Die Kommunikation wird durch Messaging-Systeme wie E-Mail, Chat, Instant Messaging, Audio- und Videokonferenzen oder Bulletin Boards unterstützt. Sie sind geeignet für die 1:1-Kommunikation und die 1:n-Kommunikation.
Sobald aber mehrere Personen mit mehreren (n:m) sprechen, muss jemand moderieren. Tools wie Instant Messaging oder Chats sind dazu wenig geeignet. Sie dienen aber der Ad-hoc-Koordination. Denn diese Hilfsmittel zeigen oft auch an, wer gerade verfügbar ist, und woran gearbeitet wird. Es können somit nur diejenigen Kollegen angefragt werden, die sich im gleichen Arbeitskontext befinden. Das ist wichtig, denn Unterbrechungen sind oft Ursache für unproduktives Arbeiten. Im Durchschnitt braucht ein Kollege, den man mit einer Instant Message aus dem Kontext reisst, sieben Minuten, bis er wieder dort weiterarbeiten kann, wo er vorher war.
Telefonkonferenzen und Videokonferenzen hingegen sind für die n:m-Kommunikation geeignet. Damit sie mehr Nutzen als Verwirrung stiften, müssen sie allerdings gut vorbereitet und professionell moderiert sein.
Koordination
Durch die Arbeitsteilung müssen die einzelnen Arbeitsschritte zwischen den Teammitgliedern koordiniert werden. Jedes Mitglied hat sich auf eine Teilleistung zur Erreichung des Ziels spezialisiert. Die Teilleistungen werden nach und nach zusammengefügt. Durch die Spezialisierung steigen die Koordinationskosten, weil Abstimmung nötig wird. Mit Groupware lassen sich diese Kosten senken. Statt zeit- und kostenaufwendiger Face-to-Face-Kommunikation kann das Team die Arbeitsteilung mittels elektronischer Medien abstimmen.
Anders als in der physischen Arbeit ist es dabei besonders wichtig, die erwarteten Resultate möglichst genau zu definieren. Einerseits weil sich die Team-Mitglieder nur schlecht ad hoc koordinieren können, andererseits weil es bei der Arbeit auf Distanz später auffällt, wenn jemand etwas Falsches tut und drittens, weil die Informationsarbeit ohnehin oft schlechter strukturiert ist als viele physische Arbeiten.
Es ist deshalb die Architektur der Lieferobjekte zu definieren. Unter der Architektur der Lieferobjekte versteht man die möglichst genaue Definition der erwarteten Resultate sowie die Definition der Arbeitsteilung, der Abhängigkeiten und der Zeitlinie. Produktive Zusammenarbeit gelingt nur, wenn diese Architektur Schritt für Schritt definiert wird und alle Teammitglieder danach streben, ihre Zwischenresultate möglichst früh für alle anderen transparent zu machen.
Workflow- oder Projekt-Management-Systeme helfen, die Architektur der Lieferobjekte zu definieren. Sie zeigen nämlich, welche Dokumente in welcher Reihenfolge von welchen Mitarbeitenden bearbeitet werden sollen. Diese Hilfsmittel sind allerdings unspezifisch und die Anwender müssen die Geschäftslogik selbst eintragen. Spezielle Unterstützung bieten beispielsweise Verkaufsunterstützungssysteme, Beschaffungslösungen oder auch eine Finanzbuchhaltung.
Integrierte Lösungsansätze – Alles in einem
Die speziellen Lösungen wie ein Adress-Management und Tools wie Instant Messaging werden zunehmend integriert. Einerseits gibt es umfangreiche Software-Lösungen, die jegliche Form der Zusammenarbeit mit unstrukturierten Daten unterstützen (z.B. Microsoft Sharepoint, ELO Digital Office, Saperion). Andererseits werden Kommunikations- und Kollaborationsfunktionen immer häufiger auch in Informationssysteme integriert, die früher nur für die Verarbeitung von strukturierten Daten vorgesehen waren (z.B. Instant Messaging im Adressverwaltungssystem).
Inklusive HeimarbeitWeil bei der Heimarbeit die Umgebung von der internen IT meistens schlecht kontrolliert werden kann, gelten dort ähnliche Voraussetzungen wie bei der mobilen Arbeit. Die Hilfsmittel müssen einfach, schnell zugreifbar und für unterschiedliche Arbeitstypen effizient nutzbar sein. Für die effiziente Heimarbeit und mobile Arbeit sollten die IT-Hilfsmittel folgende Bedingungen erfüllen:
1. Alle Systeme sind über das Internet vollständig zugreifbar.
2. Mitarbeitende haben Zugriff auf sämtliche Daten zu denen sie berechtigt sind, und können diese auch mit Externen (Kunden, Lieferanten etc.) teilen.
3. Der Zugriff erfolgt über einen Zugriffsschutz, der leicht anwendbar ist.
Moderne Ausrüstung für effiziente Teamarbeit
An vielen Arbeitsplätzen klaffen die Bedürfnisse der mobilen (oder Heim-) Arbeiter und die Funktionalität der Hilfsmittel stark auseinander. Aus der privaten Nutzung sind es sich die Mitarbeitenden gewohnt, einfache und effiziente Hilfsmittel zu nutzen, die aber oft den Vorgaben an die interne IT nicht genügen. Sie erhalten deshalb zwar organisierte, vermeintlich sichere Hilfsmittel, die allerdings oft sehr unbequem in der Nutzung sind. Noch 1999 haben vor demselben Hintergrund über 80 Prozent der Schweizer Manager gesagt, E-Mail werde nie zu geschäftlichen Zwecken genutzt werden können. Heute herrscht über viele einfache, nützliche Internet-Dienste diese Meinung vor, zum Beispiel, weil die Daten dann nicht im eigenen Haus oder wenigstens in der Schweiz gelagert werden.
Damit virtuelle Teams effizient und effektiv zusammenarbeiten können, lohnt es sich deshalb oft, bestehende IT-Paradigmen zu hinterfragen, um möglichst einfache Hilfsmittel anbieten zu können. Zudem sind auch die Paradigmen der Zusammenarbeit zu hinterfragen und auf die Besonderheiten der Zusammenarbeit auf Distanz neu einzuspielen.
Die Autoren
Alfred Bertschinger und Pascal Sieber befassen sich seit gut sieben Jahren mit den Besonderheiten der Informationsarbeit. Sie haben unter anderem mitgeholfen, Erkenntnisse aus der Forschung für die Praxis in Form von Checklisten und Assessments nutzbar zu machen. Ein Teil dieser Ergebnisse sind frei verfügbar beim Schweizerischen Produktivitätsinstitut und bei der Stiftung Produktive Schweiz. Heute arbeiten beide Autoren als Berater beim Unternehmen Dr. Pascal Sieber & Partners. Sie geben gerne weitere Informationen an interessierte Leser weiter.
www.sieberpartners.com