Social Media als Starthilfe

Bei der Gründung von My Swiss Chocolate war Social Media für die gleichnamige Firma ein Fremdwort. Heute zählt das Start-up auf Facebook stolze 60’000 «Likes».

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/10

     

Alles begann mit dem Flop eines vorangegangenen Projekts», erzählt Geschäftsführer Sven Beichler aus der Gründungsgeschichte seines Unternehmens My Swiss Chocolate. «Nachdem dieses gescheitert war, habe ich mit meinem Partner Christian Philippi hin und her überlegt, wie wir zumindest die IT des Unterfangens weiter nutzen könnten.» Nach Wochen des gemeinsamen Brütens entwickelten die beiden ein Konzept mit frischen Fruchtsäften. Hierbei sollte dem Kunden die Möglichkeit geboten werden, seine eigene Saft-Kreation zusammenzustellen. Kurz vor der Vertragsunterzeichnung mit einem Händler kristallisierte sich dann aber eine unüberwindbare Hürde heraus: Da Säfte in nicht konserviertem Zustand nur drei Tage haltbar sind, wäre der internationale Versand unmöglich gewesen. Die Säfte wären bereits ungeniessbar gewesen, wenn sie den Kunden erreicht hätten. Den beiden blieb nichts anderes übrig, als die Notbremse zu ziehen. Beichler und Philippi waren aber dermassen vom Prinzip der Selbstzusammenstellung überzeugt, dass sie auch nach diesem Fehlschlag nicht davon ablassen wollten. Stattdessen war ihr erklärtes Ziel, ein Produkt zu finden, das zum einen haltbar ist und zum anderen international mit der Schweiz in Verbindung gebracht wird. «Uhren waren zu komplex und Käse mag ich nicht besonders», begründet Beichler verschmitzt die Entscheidung für die Schokolade.
Zu Beginn des Projekts bestand die Hauptaufgabe der Unternehmer vor allem darin, sich in die Materie hineinzuarbeiten, denn keiner von ihnen war auch nur annähernd Schokoladenexperte. Heute besitzen Beichler und Philippi in Pfäffikon Zürich ihre eigene Produktion mit einigen Angestellten. Auf der Website www.myswisschocolate.ch können Kunden aus einer breiten Auswahl von Zutaten ihre eigene Schokolade kreieren. Diese wird schon ab einer Tafel in aktuell bereits 32 Länder versandt. Um aber überhaupt an Kundschaft zu kommen, musste die Firma erst von sich reden machen.

Von einem zu 60’000 Fans

Da das Geld knapp war, musste eine kostengünstige Marketing-Strategie her. Aus der Not heraus entschieden sich Beichler und sein Partner Philippi dazu, einen Blog aufzusetzen. «Ich hatte keine Ahnung wie man einen Blog erstellt. Ich bin also ein wenig im Internet rumgesurft und stiess dabei auf Wordpress. Ich brauchte sicher eine Woche, bis ich einigermassen verstanden habe, wie das geht. Meinen ersten Artikel eröffnete ich dann auch mit den Worten: ‹Hallo Welt›, total kitschig», erinnert sich der Geschäftsführer lachend. Der Grundstein für den Web-Auftritt von My Swiss Chocolate war allerdings so gelegt. Beichler weiss auch noch genau, wie er von seinem ersten Leser erfuhr: «Zu Beginn war das Schreiben des Blogs sehr frustrierend, da wir der Überzeugung waren, niemand würde ihn lesen. Eines Tages kam von Wordpress die Information, ich müsse etwas genehmigen. Ahnungslos wie ich war, brauchte ich eine Weile, bis ich begriff, dass ich einen Kommentar freischalten sollte.» Als die beiden Unternehmer sich daraufhin entschlossen, ihr Wirkungsfeld auf Twitter auszuweiten, zeigte sich bald schon ein erster Erfolg. Über die Social-Media-Plattform konnten sie 300 Tester für ihre Schokolade gewinnen und damit in kürzester Zeit ein extremes Publikumswachstum generieren.
Davon beflügelt, publizierten sie auf ihrem Blog zwölf Vorschläge für ihr Firmenlogo, aus denen die Leserschaft ihren Favoriten wählen sollte. Insgesamt haben sich etwa 60 Leute an der Umfrage beteiligt. «Für uns war das ein Gefühl, als wären wir weltberühmt. Und dadurch, dass die Leser gemerkt haben, dass wir auf sie hören, wurde der Hype um My Swiss Chocolate erst richtig angeheizt», erklärt Beichler die Reaktion auf den Entscheid, das Logo der Leser-Wahl – wohlgemerkt nicht sein persönlicher Favorit – tatsächlich zu verwenden. Diese Aktion habe die Firma glaubwürdig und authentisch gemacht und gleichzeitig eine enge Bindung geschaffen. Authentizität sei denn auch eines der Rezepte, um erfolgreich Social Media zu machen, ist sich Beichler sicher.

Heute setzt das Start-up fürs Marketing weitgehend auf Social-Media-Plattformen – insbesondere auf Facebook – auf denen sich Inhalte leicht visualisieren lassen. Dies, weil Schokolade ein sehr emotionales Produkt sei und das Unternehmen dementsprechend viel mit Bildern und Videos arbeitet. Auf Facebook verzeichnet My Swiss Chocolate mittlerweile stolze 60’000 Anhänger. Der Grund für die vielen Fans liegt laut Beichler darin, dass dem Kunden auf ihrer Facebook-Seite die Möglichkeit geboten wird, die Geschicke des Unternehmens mitzugestalten. So werden in regelmässigen Abständen Umfragen darüber durchgeführt, welche Zutaten in der nächsten Limited Edition verwendet werden sollen, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Einbezug seiner Kundschaft ist für den Geschäftsführer der entscheidende Faktor für den Erfolg mit Social Media. Dementsprechend investiert die Firma täglich ein bis zwei Stunden in die Kommunikation – und dies 365 Tage im Jahr – um ihre Fan-Gemeinschaft bei Laune zu halten. Die Unternehmenspolitik von My Swiss Chocolate ist nämlich so ausgelegt, dass auf jeden Kommentar innerhalb von 48 Stunden reagiert werden muss.

Plattformen im Vergleich

My Swiss Chocolate besitzt ausser auf Facebook noch weitere Accounts auf Google+, Twitter und Pinterest. Was alle diese Social-Media-Plattformen verbindet, ist die Möglichkeit, Inhalte leicht zu visualisieren, schnell Feedbacks zu erhalten und ein grosses Publikum zu erreichen. Im Vergleich zum Facebook-Profil fallen die Auftritte auf den anderen Plattformen jedoch relativ bescheiden aus. Beichler kommentiert dieses Phänomen folgendermassen: «Bei Pinterest bin ich noch etwas skeptisch, was den Sales-Bereich angeht, und Twitter und Google+ sehe ich primär als Kommunikationsmittel für Fachleute. Die Fachgemeinde ist aber nicht unsere Kundschaft. Wir haben nur etwa 600 Followers auf Twitter.» Auf die konkreten Unterschiede zwischen Google+ und Facebook angesprochen, erwidert Beichler, Facebook sei intuitiver. Das Handling der Kreise auf Google+ habe er noch nicht so ganz verstanden und er vermute, dass seine Kunden ähnlich empfinden könnten. Auf die Frage, weshalb seine Firma denn überhaupt einen Auftritt auf Google+ hat, antwortet der Unternehmer: «Google ist die beherrschende Suchmaschine und es kann durchaus sein, dass man durch das Betreiben oder eben das Nicht-Betreiben eines Google+-Accounts dementsprechende Vor- beziehungsweise Nachteile zieht.» Beichler mahnt jedoch auch, stets im Hinterkopf zu behalten, dass Facebook im Vergleich etwa zu Google+ ein sehr emotionales Medium sei und Nutzer zuweilen sehr launisch auf Ansagen reagieren. Es komme des Öfteren vor, dass sich Fans mit Sätzen wie «Ich bin sehr enttäuscht» äussern, beispielsweise auf Preisanstiege. Zeichne man dann aber die Gründe dafür auf und schaffe damit das Problem aus der Welt, sei man innerhalb von Sekunden wieder das beste Unternehmen überhaupt. Man dürfe sich daher nicht jeden Kommentar zu Herzen nehmen. «Am Anfang ist man natürlich sofort verletzt. Damit umzugehen, will gelernt sein», spricht der Gründer von My Swiss Chocolate aus eigener Erfahrung.

Konsequenz ist entscheidend

«Ich kann natürlich keine Allgemeingültigkeit abgeben», erkärt Beichler auf die Frage, was für Empfehlungen er anderen Firmen geben kann, die Social Media vermehrt nutzen wollen, «doch meiner Meinung nach muss sich ein Unternehmen bei der Entscheidung für eine Kommunikationsplattform folgende zwei Fragen stellen: Wie lautet mein Kommunikationsziel und was für eine Art Produkt möchte ich vermarkten? Schokolade ist wie schon zuvor erwähnt ein hoch emotionales Produkt, weswegen für My Swiss Chocolate Bilder eine übergeordnete Rolle spielen. Aus diesem Grund setzt unsere Firma stark auf Kanäle, die uns mit den Visualisierungsmöglickeiten überzeugen. Für ein Unternehmen mit einem weniger emotionalen Produkt wäre vielleicht ein Fach-Blog, Xing oder Twitter besser geeignet.» Beichler erläutert weiter: «Zudem verwenden wir Facebook nicht als Sales-Kanal, sondern ausschliesslich zur Kommunikation mit unseren Kunden. Würden wir versuchen, ein Produkt zu pushen, würden wir eine Menge Fans verlieren, da dies nicht ihrer Erwartungshaltung an uns entspricht. Ich sage nicht, dass man über Facebook nicht verkaufen kann. Funktionieren wird der Verkauf aber in meinen Augen nur, wenn man emotionalisieren kann.»
Des weiteren rät er dazu, die jeweiligen Auftritte in nur einer Sprache zu bedienen. Will man auf den Plattformen mehrsprachig kommunizieren, sollte für jede Sprache ein separater Auftritt aufgezogen werden. Was dem Geschäftsführer jedoch am meisten am Herzen liegt, ist Konsequenz. Wenn man die Fan-Gemeinschaft nach ihrer Meinung fragt, sollte diese bei den Entscheidungen der Firmen auch berücksichtigt werden. Merken die Kunden nämlich, dass sie zwar gefragt werden, ihre Ansichten aber über keinerlei Einfluss verfügen, verspiele man sofort seine Glaubwürdigkeit. Diese sei jedoch unerlässlich, wolle man beim Kunden das bereits erwähnte authentische Bild hinterlassen, das für eine gute Social-Media-Beziehung das A und O darstelle.
Als letzten Tipp empfiehlt Beichler jedem Unternehmen, zumindest am Anfang – ganz nach dem Motto Learning by Doing – alle Aufgaben erst einmal selbst zu übernehmen. Gebe man die Verantwortung sofort ab, sei es schlicht nicht möglich, später mitzureden und so zu klugen Entscheidungen zu gelangen. Auch er habe zu Beginn Teile des Marketings einer Agentur überlassen wollen, bis er feststellen musste, dass deren Massnahmen nicht seinen Vorstellungen entsprachen. Also hat Beichler sich selbst dahinter gesetzt und gelernt, bevor er gewisse Teile wieder abgegeben hat – dieses Mal jedoch mit klaren Zielsetzungen für die Dienstleister. «Wir haben zuerst von vorne bis hinten alles selbst gemacht. Jetzt weiss ich genau was machbar ist und was nicht», meint er abschliessend. (af)


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