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Mit Zweirädern im Web 2.0

Trotz wenig Zeit und Geld ist der Schweizer Velohersteller Thömus auf praktisch allen wichtigen Social-Media-Portalen aktiv und will seine Präsenz noch weiter ausbauen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/10

     

Vor nunmehr 21 Jahren erfüllte sich der damals 17-jährige Thomas Binggeli einen grossen Wunsch: Er gründete seinen eigenen Veloshop, Thömus Veloshop. Dazu soll er, so wird es überliefert, während der Ferienabwesenheit seiner Eltern alle Schafe verkauft und in deren Stall seine erste Werkstatt eingerichtet haben. Seitdem ist einige Zeit vergangenen. Das Unternehmen ist gewachsen, beschäftigt heute rund 50 Mitarbeiter und macht mit Velos sowie Kleidung für Sport und Freizeit jährlich 12 Millionen Franken Umsatz. Nach wie vor ist der Bauernhof in Oberried bei Bern Hauptsitz. Allerdings werden hier heute keine Velos mehr gebaut, die Produktion erfolgt im benachbarten Thörishaus. Zudem verfügt Thömus über einen eigenen Verkaufsladen in Bern und ist mit zahlreichen Teams im Radrennsport vertreten.

Trends erkennen und Kunden an sich binden

Der Erfolg des Berner Veloherstellers hat mehrere Gründe. So versteht es das Unternehmen, immer wieder Trends aufzuspüren und diese gekonnt umzusetzen. Ein Beispiel dafür ist das wohl bekannteste Thömus-Produkt, die Elektrovelos der Marke Stromer, die seit 2009 produziert werden. Zahlreiche Preise bis hin zum Test-Sieg im Kassensturz hat das E-Bike seither gesammelt. Andererseits steht für Thömus unter dem Firmenmotto «Be part of the family» auch eine ausserordentliche Kundenpflege im Zentrum.
Um keinen Trend zu verpassen und die Kunden langfristig an sich zu binden, setzt Thömus Veloshop neben klassischen heute vermehrt auch auf moderne Kommunikationskanäle und insbesondere auf Social Media. Angefangen hat alles im Jahr 2006 mit einer selbst entwickelten Plattform namens My.Thoemus. Dabei handelte es sich um eine Mischung aus Partyguide und Tillate, auf der Kunden Fotos und GPS-Daten von Touren hochladen und mit anderen teilen konnten. «Unser Ziel war es, dass sich unsere Kunden dank My.Thoemus bequem vernetzen und austauschen können», erklärt René Walker, Leiter Kommunikation und PR bei Thömus Veloshop. Im Jahr 2008 eröffnete er dann einen eigenen Facebook-Account für Thömus Veloshop. Zu dieser Zeit war laut ihm in der Schweiz noch kaum jemand, geschweige denn ein Unternehmen, auf dem sozialen Netzwerk aktiv.
Facebook bedeutete schliesslich das Ende für My.Thoemus. Das einzige, was davon heute noch übrig ist, ist ein Registrations-Tool für Events. Zu Facebook sind in den vergangenen Monaten einige Social-Media-Plattformen hinzugekommen: «Wir sind natürlich auch auf Twitter aktiv, haben ausserdem einen eigenen Youtube-Kanal, einen Account bei Google+, publizieren Fotos auf Picasa, unsere Standorte findet man auf Foursquare und nicht zuletzt gibt es auch eigene Thömus-Gruppen auf Xing und Linkedin», fasst Walker zusammen. Daneben hört man auf zahlreichen weiteren Plattformen mit.

Social Media ist bei Thömus eine One-Man-Show

Auf fast jeder Social-Media-Plattform aktiv sowie aktuell zu sein und knapp 400 Follower auf Twitter und über 3000 Freunde auf Facebook zu managen, das erfordert einen nicht zu unterschätzenden Aufwand. Umso erstaunlicher ist es, dass sich bei Tömus Veloshop mit René Walker nur eine Person um die gesamten Aktivitäten kümmert. «Bei uns ist Social Media keine eigene Abteilung, sondern soll wie ein roter Faden durch das gesamte Unternehmen gehen. Und da die gesamte Kommunikation bei mir zusammenläuft, verantworte ich auch unsere Social-Media-Aktivitäten», erklärt Walker. Das sei ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Schwieriger ist es für den Kommunikationsverantwortlichen zu beziffern, wie gross sein Aufwand für Social Media ist. Mit den heutigen mobilen Geräten sei man fast immer online und mache etwas, meint er. «Im Schnitt dürfte mein Aufwand bei 20 bis 45 Minuten pro Tag liegen, wobei insbesondere der Montag ein Social-Media-Tag ist», meint Walker, «dann werden viele Fotos und Berichte von Events und Rennen des Wochenendes hochgeladen.» Unter der Woche bestehe seine Aufgabe hauptsächlich darin zu Beobachten und zu Kontrollieren, meint der 38-Jährige, der im Bereich Social Media seit Jahren zu Hause ist und sich diesbezüglich auch regelmässig weiterbildet. Das sei, neben dem Austausch mit anderen in diesem Bereich tätigen Personen, sehr wichtig, denn nur wer selber sehr affin zu Social Media sei, könne die Tools auch richtig und effektiv nutzen.

Velos verkauft man nach wie vor im Laden

Wie in den Anfangsjahren liegt der Fokus der Social-Media-Aktivitäten bei Thömus Veloshop nach wie vor auf Veranstaltungen und der Vernetzung der Kunden. «Daneben ist es für uns heute eine gute Image- und Markenpflege», meint Walker. Die Kunden würden sehen, dass man aktiv sei, dass etwas gehe. Der Verkauf von Velos via Facebook & Co. ist derweil kein primäres Ziel: «Klar publizieren wir über diese Kanäle auch unsere Highlights oder Rabatte und Aktionen. Zudem findet man auf Facebook auch unsere gesamte Palette an Bikes. Da wir sie aber speziell für jeden einzelnen Kunden aufbauen, ist eine persönliche Beratung in der Regel unumgänglich und ein Onlinekauf eine Ausnahme», erklärt Walker. Wer ein Velo wolle, der komme heute nach wie vor ins Geschäft, könne sich im Web dafür aber bereits sehr gut vorinformieren.
Ein Trend, der bei Thömus dafür immer mehr zu erkennen ist, ist die Nachfrage nach Kundendienst via Social Media. Insbesondere im Bereich E-Bikes, wo man mit dem Vertrieb in den USA und Deutschland auch international tätig ist, hat man laut Walker eine vermehrte Nachfrage nach solchen Dienstleistungen festgestellt. Vor allem in den USA sei es heute anscheinend Gang und Gäbe, sich via Twitter oder Facebook Support zu holen. In der Schweiz sei der Trend derweil noch gering. Trotzdem versuche man im Fall der Fälle so schnell wie möglich zu reagieren.

Geld und Zeit für Social Media sind Mangelware

Social Media gehört heute zum Alltag bei Thömus Veloshop. Trotzdem muss Walker nach wie vor darum kämpfen, dass dies auch so bleibt: «Ein nicht zu unterschätzendes Problem liegt darin, den Arbeitskollegen aller Abteilungen zu erklären, dass Social Media wichtig fürs Geschäft ist und nicht nur eine Spielerei. Und dafür braucht es Zeit, auch wenn es vielleicht nur 30 Minuten pro Tag sind.» Hilfreich wäre, wenn er diese Thesen mit Zahlen belegen könnte, doch für richtige Werkzeuge für die Auswertung und Analyse fehlen Zeit und Geld. Social Media darf bei Thömus Veloshop nämlich nichts kosten. Man verlässt sich heute bezüglich Erfolgsmessung darum auf das Bauchgefühl, die «Gefällt mir» und Rückmeldungen von Kunden.
Die Zeit fehlt auch an einem anderen Ort. So ist es für Thömus Veloshop beispielsweise schwer, auf Youtube eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten. Vor ein paar Jahren hat das Unternehmen Thömus TV ins Leben gerufen und im ersten Jahr noch sechs Folgen produziert. Aktuell sind es aus Zeitgründen nur noch zwei.
Auf Twitter garantiert Thömus Veloshop eine gewisse Aktualität durch eine enge Verknüpfung mit Facebook. Zudem braucht man den Dienst vor allem für Resultatmeldungen der verschiedenen Teams. Auf technischer Seite gibt es derweil nichts, das Thömus heute einschränkt. «Wir können dank diversen Gratis-Tools alles selber machen», erklärt Walker.

Am liebsten hätte man alle Kunden auf Facebook

Trotz den eingeschränkten Mitteln will Thömus Veloshop im Bereich Social Media weiter wachsen. Am liebsten hätte Walker alle Kunden auf Facebook: «Der Austausch ist einfach anders als auf einer normalen Homepage.» Der Kundenstamm des Fahrradherstellers liegt aktuell bei rund 25’000 Personen, wobei laut Walker nur rund die Hälfte mit E-Mail-Adressen registriert ist. Das Potential liegt also bei rund 12’000 Facebook-Freunden.
Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, wird neben der normalen URL immer öfter auch für und mit der Facebook-URL geworben. Zudem hat man es auch schon mit Werbung auf Facebook versucht, aber ohne grosse Wirkung. Gleichzeitig will Thömus die verschiedenen Social-Media-Auftritte in Zukunft stärker in die eigene Website integrieren, beispielsweise mit Like-Buttons und Kommentarmöglichkeiten. Und natürlich hält das Unternehmen stets Ausschau nach neuen Trends und Möglichkeiten. (mv)


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