Totgesagte sollen einem Sprichwort zufolge länger leben. Dies könnte zukünftig auch auf klassische Desktop-PCs zutreffen, wenn es gelingt, eingefleischte Apple-Jünger und Tablet-Fans für das neue Windows 8 zu gewinnen. Das neue Betriebssystem bietet bei näherer Betrachtung nämlich die Chance, die Arbeitswelt der Zukunft zu vereinfachen – und zu revolutionieren.
Doch bevor die Kunden die schöne neue Welt nutzen können, muss der Softwaregigant IT-Entscheider, CEOs und Mitarbeitende in den Fachabteilungen überzeugen. Wie aber will
Microsoft Windows 8 als neues «Must-have» bei Business-Kunden etablieren, die möglicherweise mit der Migration auf Windows 7 beschäftigt sind, Windows Vista nutzen oder zum Riesensegment der Windows-XP-Kunden zählen?
Die Frage ist weniger, ob Unternehmen auf Windows 8 umstellen werden, sondern wann, denn es gibt wenig Gründe, die dagegen sprechen. Die intuitive Bedienbarkeit macht die Eingewöhnungszeit extrem kurz. Beruhigend ist zudem, dass gängige Windows-7-Hardware weiter genutzt werden kann und entsprechende Anwendungen, auch unter Vista laufend, zum Grossteil weiterhin mit der neuen Windows-8-Plattform kompatibel sind. Falls doch Probleme auftreten sollten, gibt es eine optionale Anwendungsvirtualisierungslösung, App-V.
Der Wechsel auf Windows 8 wird vermutlich spätestens 2014 kommen, wenn der Support für Windows XP ausläuft – aber es lohnt sich, auch schon früher umzustellen. Windows 8 hat nämlich auch ohne Zwang das Zeug zum künftigen Renner. Es lässt sich – und das ist das wirklich Revolutionäre – von jedem Lieblingsarbeitsgerät aus bedienen, ob vom Büro-Computer, Laptop, Smartphone oder Tablet und auch ganz ohne eigenes Gerät nur via USB-Stick, den man einfach in den nächsten verfügbaren PC einstöpselt. Nach dem Starten sieht der Nutzer dank der im Hintergrund agierenden Cloud stets dasselbe: die gewohnte Oberfläche mit den persönlichen Anwendungen und Daten.
Alles im Blick dank «Live Tiles»
So weit, so gewöhnlich? Keineswegs, denn auch die neue Startoberfläche, deren Name
Microsoft vor kurzem von «Metro» in «Windows 8-style UI» umgetauft hat oder umtaufen musste, macht das Arbeiten produktiver. Anstelle der gewohnten kleinen Ordner- und Programm-Icons wird der Nutzer von optisch ansprechenden und schnell erfassbaren Kacheln begrüsst. Diese sind im Grunde Applikationen – seien es vorinstallierte oder eigenhändig heruntergeladene, gekaufte oder selbst entwickelte Programme. Zwei wesentliche Funktionen sind das eigentliche Highlight dieser neuen «Kachel-Applikationen»: Zum einen starten sie die vom Nutzer meistverwendeten Anwendungen mit einem Klick. Zum anderen liefern die bunten Vierecke dynamisch Informationen und News direkt auf die Oberfläche. Aktuelle Börsenkurse, die neuesten E-Mails, das letzte Facebook-Posting – alles auf einen Blick.
Die Bedienung von Windows 8 läuft intuitiv über Mausklick, Tastatur oder Fingertipp, je nach individuellen Vorlieben und gerade vorhandenem Gerät – und obwohl neuerdings der jahrelang gewohnte Startbutton unten links im Desktop fehlt. Anwendungen, welche nicht als Kachel hinterlegt werden, können durch die Anzeige «Alle Apps» oder einfach durch Eingabe des Namens der Anwendung direkt auf dem Startscreen aufgerufen werden. Die Entwickler haben jede Nutzungsvariante unter allen denkbaren Rahmenbedingungen berücksichtigt. Die dynamischen Kacheln bergen noch weitere Vorteile. Was auf den ersten Blick als Spielerei erscheinen mag, spart vielreisenden Managern, Fach- und Führungskräften Zeit und Stress: Sie können eigene Apps für Kacheln entwickeln lassen und so mittels «Live Tiles» Informationen just-in-time erhalten. So hat man beispielsweise aktuelle Kennzahlen oder firmeneigene Berechnungstools immer zur Hand, da die Kacheln auf jeder Plattform den Startbildschirm dominieren, egal, wo man sich gerade aufhält.
Ein weiterer grosser Vorteil von Windows 8: Bei der bisherigen Nutzung von Tablets waren die verschiedenen Systeme wie iOS und Android die grösste Schwachstelle. Sie trieben einerseits die Entwicklungs-kosten in die Höhe und machten andererseits die Entscheidung für ein System zur Glaubensfrage. Auf Windows 8 kompatiblen x86-Tablets lassen sich nun alle Fachanwendungen – vor allem Büroprogramme – wie vom Desktop gewohnt nutzen, inklusive Datenaustausch und -kompatibilität.
Ein Windows für unterwegs
Ein System, viele verschiedene Plattformen – was bedeutet das für das Management? Windows 8 lässt sich deutlich leichter managen und bringt Unternehmen ein grosses Plus an Sicherheit, vor allem beim aktuellen Trend-Schlagwort BYOD (Bring Your Own Device). Hierzu trägt unter anderem der «Trusted Boot Process» bei, welcher Secureboot nutzt, um Root und Book Kits abzuwehren. Ein weiteres Beispiel ist Applocker. Das Tool ermöglicht eine kontrollierte Steuerung der Applikationen. Die Verzahnung von Web- und Cloud-Diensten gelingt dabei lückenlos, sogar auf dem bereits erwähnten USB-Stick.
Was hat es mit diesem Stick genau auf sich? Und wie soll er für mehr Sicherheit sorgen? Gerade erst haben Firmen doch gelernt, dass die Hosentaschen-Datenträger ideale Virenüberträger und Spionagewerkzeuge sind. Jetzt sollen sie umdenken? Ja, denn gerade dieses Feature ist für Enterprise-Kunden überaus interessant: Mit «Windows To Go» lässt sich das komplette Betriebssystem auf einem USB-Stick installieren, voll funktionsfähig, verschlüsselt per Bitlocker. Da es personalisiert ist, kann man getrost ohne unhandlichen Laptop unterwegs sein. Der nächste Rechner ist nicht weit. Einfach einstecken, booten und mit dem persönlichen Windows 8 wie gewohnt arbeiten.
Für einen sicheren, komfortablen Zugriff auf das Firmennetzwerk setzt
Microsoft die Technologie «Directaccess» ein, welche ein separates VPN obsolet macht. Da die interne Festplatte des Wirtrechners komplett getrennt ist und nicht angesprochen werden kann, werden Datendiebstahl, Virenbefall und andere unangenehme Situationen verhindert. Verlust oder Diebstahl sind ebenso risikoarm.
Neuerungen für Admins
Was werden die Administratoren zu Windows 8 sagen? Sie werden diverse technische Verbesserungen begrüssen, zum Beispiel die direkte Einbindung von ISOs, VHDs, optimiertem Printer-Management zusammen mit Server 2012 und ein für WAN/SOHO optimiertes Netzwerkprotokoll – SMB V3. Das verbesserte zentrale Management, die Kontrolle der Systeme sowie die ebenfalls verbesserten Security-Leistungen sind ebenso ein wirklicher Nutzen.
Zeitsparend sind weiter auch die neuen Funktionen «Reset» und «Refresh». Durch das Reset werden alle Daten und Anwendungen sicher entfernt. Mit der Funktion Refresh wird das Betriebssystem automatisch neu installiert, wobei Daten und Einstellungen erhalten bleiben. Auch die Performance überzeugt: verkürzte Bootzeit, höhere Arbeitsgeschwindigkeit durch besseres Memory Management und ein neuer Kernel für ein weitaus effizienter laufendes System.
Zwei Editionen für Unternehmen
Soweit zu den neuen Features für klassiche Desktop-PCs und Unternehmen. Doch welche Version von Windows 8 kann was?
Microsoft bringt insgesamt vier Versionen auf den Markt, wobei Unternehmen die Versionen «Professional» oder «Enterprise» ans Herz gelegt werden. Beide bieten zusätzliche Funktionen wie Domain Join, Group Policy, Bitlocker, ebenso das integrierte Client Hyper-V. Gerade grössere Unternehmen profitieren vom Mehrwert durch einige zusätzliche Features der Enterprise-Version wie zum Beispiel Directaccess, Windows To Go und Applocker. Details zu den Preisen und Veröffentlichungsterminen gibt es in der Infobox auf dieser Seite.
Fazit: Die Umstellung wagen
Betrachtet man das grosse Ganze, lassen sich folgende Punkte festhalten: Das neue Interface Design und die neuen Features sind richtungsweisend, jedoch nicht ausschlaggebend. Entscheidend für die Frage «Windows 8 – Ja oder Nein?» sind die Effizienz in der alltäglichen Arbeit, die Zusammenarbeit mit mobilen Clients und Benutzern in allen Bereichen, die Sicherheit und die Administrierbarkeit. Die für die Gesamtbetrachtung massgeblichen Faktoren liefern das Zusammenspiel und das effiziente Management aller Technologien – vom Betriebssystem, der Serverfarm über Virtualisierung, Hardware und Cloud. Windows 8 ermöglicht erstmals, eine ganzheitliche Client-Infrastruktur-Umgebung zu gestalten und diese kostengünstig zu betreiben.
Viele Unternehmen sind Windows 8 gegenüber trotzdem kritisch, beschäftigen sich aber dennoch mit dem Gedanken einer Umstellung: Sollen sie Windows 7 als etabliertes System wählen oder gleich den Sprung auf Windows 8 wagen? Für den richtigen Weg gibt es keine pauschale Antwort. Aber: Entscheider sollten, wie bei jeder Migration, sehr gut planen und vor allem auch die eingesetzten Anwendungen berücksichtigen. Standardisierte Methoden zur Kompatibilitätsprüfung und Tests sind unerlässlich.
Autor:
Patric Fischer ist Unit Manager Microsoft Infrastructure Services bei Logica. Dagmar Verloop ist Managing Director von Logica Schweiz.
Termine und Preise
Die finale Version des neuen Client-Betriebssystems Windows 8 wird seit Mitte August verteilt und steht seitdem allen Entwicklern und IT-Pros mit einer MSDN- beziehungsweise Technet-Subskription, Unternehmen mit einer Software Assurance sowie nicht zuletzt auch allen Teilnehmern des Microsoft Partner Network zur Verfügung. Seit vergangenem Samstag, 1. September, kommen auch Volumenlizenzkunden ohne Software Assurance in den Genuss von Windows 8. Sie können das OS ab sofort via die offiziellen Volumenlizenz-Reseller von Microsoft kaufen. Alle anderen müssen sich noch etwas gedulden: Die generelle Verfügbarkeit und der grosse Launch erfolgen am 26. Oktober 2012.
Was die Preise der einzelnen Versionen und Editionen von Windows 8 betrifft, so lässt sich Microsoft Schweiz derzeit noch nicht in die Karten blicken. Für das neue Betriebssystem sind erst Upgrade-Preise aus den USA im Umlauf. Wie Microsoft Anfang Juli ankündigt hat, können Besitzer einer Windows-
XP-, Windows-Vista- oder Windows-7-Lizenz bis 31. Januar 2013 für 40 Dollar auf Windows 8 Pro upgraden, und zwar von jeder Consumer-Edition. Optional und gegen den Aufpreis von 15 Dollar kann man auch eine DVD mit Windows 8 bestellen. Und auch über den Retail soll das Windows-8-Upgrade verkauft werden, und zwar in einer verpackten DVD-Version für 70 Dollar. (mv)