Swiss IT Magazine: Wie viel IT findet man bei einem Logistikunternehmen wie Planzer?
Peter Hagen: Ein Logistikbetrieb benötigt sehr viel IT, ansonsten macht er etwas falsch, weil eine ausgeklügelte IT-Infrastruktur direkt mit dem Erfolg des Unternehmens verknüpft ist. Planzer hat rund 50 Standorte in der Schweiz, die alle vernetzt sind. Für die Arbeitsplätze setzen wir auf die klassischen IT-Komponenten, die es für eine Client-/Server-Infrastruktur braucht. Zusätzlich sind alle unsere Lastwagen mit der Zentrale vernetzt. Und wir besitzen insgesamt zehn Hochregallager, die ebenfalls durch die IT gesteuert werden, genauso wie Behälterlager, Förder- und Paketanlagen und die Kommissionierung. Letztlich ist der gesamte Prozess der Lagerung, des Co-Packing und des Transports automatisiert und IT-gesteuert. Ausserdem kümmern wir uns um die Telefonie, den Internetauftritt inklusive Track&Trace, die mobilen Clients, spezielle IT-Tools für unsere Kunden, damit sie Aufträge erfassen oder Lagerbestände abfragen können, und natürlich um die ganzen Software-Lösungen. Wir haben also relativ viel IT im Haus, und wir versuchen auch, jeden Prozess und jeden neuen, grösseren Kunden schnellstmöglich IT-mässig zu optimieren.
Wie gross ist Ihr Team, mit dem Sie diese Aufgaben erledigen?Hier in der Zentrale in Dietikon arbeiten 30 Leute in der IT – inklusive Lehrlinge. Unsere Hauptapplikationen für Transport sowie Lager und Mehrwertdienstleistungen – unser ERP-System also – entwickeln und betreuen wir selber. In gewissen Bereichen, etwa bei der Fahrzeugkommunikation oder den ganzen Internet-Tools, die am ERP hängen, arbeiten wir mit Partnern zusammen. Die Konzeption für diese Lösungen, die übrigens alle individuell entwickelt werden, machen dabei aber ebenfalls wir – unter anderem deshalb, weil diese Komponenten stark in unser ERP integriert sind. Bei Applikationen wie Buchhaltung oder Personalverwaltung – bei allem, was nicht zum Kerngeschäft gehört – arbeiten wir derweil mit Standardlösungen. Von meinen 30 Mitarbeitern arbeiten rund zehn in der Entwicklung und zehn weitere in der Infrastruktur. Ausserdem haben wir vier Projektleiter, und der Rest verteilt sich auf Lernende und Administration.
Weshalb entwickelt man in der heutigen Zeit noch selbst ein ERP?Die Lösung, die wir heute nutzen, wurde im Jahr 2000 eingeführt. Damals haben wir intensiv nach einem Standardprodukt gesucht – leider erfolglos. Es gab auf dem Markt keine Lösung, die gepasst hat. Die Herausforderung in unserem Geschäft liegt darin, dass wir kein Produzent sind, und uns entsprechend sämtliche Stammdaten fehlen. Unsere Kunden kommen aus allen möglichen Branchen, und wir liefern alle Arten von Waren. Jede Standard-Software hingegen ist irgendwo spezialisiert auf einen bestimmten Bereich. Ein Logistiker müsste dieses Produkt also für viel Geld so umbauen, dass es die ganze Palette abdeckt. Eine Eigenentwicklung macht da in unseren Augen viel mehr Sinn. Ausserdem ergeben sich durch die Eigenentwicklung viele Vorteile für uns. Wir können schnell reagieren, beispielsweise auf neue Kunden mit neuen Anforderungen. Ausserdem können wir individueller auf unsere Kunden eingehen. Wir haben dank dieser Vorteile auch schon Kunden gewonnen, die wir sonst vielleicht nicht hätten gewinnen können. Sicher ist eine Eigenentwicklung keine günstige Lösung, sie ist aber auch nicht teurer als ein aufwendig angepasstes Standardprodukt.
Also ist Ihre IT nicht überdurchschnittlich teuer?
Nein, ich behaupte sogar, wir bewegen uns kostenmässig eher im unteren Bereich. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass wir in der IT eine sehr geringe Fluktuation haben und somit Lösungen pragmatisch und schnell implementieren können.
Wo liegt der Grund für die treuen Mitarbeiter?
Beim guten Chef (lacht…). Aber ernsthaft: Hier spielen mehrere Komponenten hinein. Wir sind ein Familienunternehmen, in dem der Faktor «sozial» einen hohen Stellenwert hat. Wir bewegen uns zwar in einem kompetitiven Umfeld, aber uns sitzen keine Aktionäre im Nacken, die jedes Jahr noch mehr Geld fordern. Ausserdem ist der Job in der IT von Planzer für einen Informatiker interessant, weil wir noch sehr viel selber machen. Bei uns sieht der Informatiker, wie sich die Arbeit im Computer in der Praxis auswirkt – er sieht, wie eine Palette im Hochregal auch tatsächlich so abgewickelt wird, wie er es programmiert hat. Ausserdem bieten wir Möglichkeiten zur Weiterbildung, haben eigene Lernende und bilden teils auch Quereinsteiger intern aus.
Lösen Sie damit das Problem der Mitarbeiterrekrutierung in der IT?Genau. Denn es ist enorm schwierig, auf dem Markt IT-Spezialisten zu finden. Doch wir haben 3700 Mitarbeiter im Unternehmen, und ich versuche, ein offenes Auge zu haben, um auch intern Mitarbeiter zu finden, die sich durch logisches Denkvermögen und Interesse an der Materie auszeichnen – unabhängig davon, wo sie arbeiten. Das Vorgehen bewährt sich, doch es ist auch zeitaufwendig, und nur begrenzt anwendbar. Wenn ich einen Projektleiter benötige, muss auch ich auf dem freien Markt rekrutieren.
Stichwort Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M): Hört man sich bei den Anbietern um, ist M2M ein grosses Thema der Zukunft. Wie sieht das bei Planzer aus?Bei uns ist das seit 15 Jahren ein Thema. Unsere Fahrzeuge sind seit über zehn Jahren an die IT angebunden, genauso wie die Hochregallager und die Paket- und Förderanlagen. Für uns ist klar: Jede neue Maschine, die wir beschaffen, muss an die IT angebunden werden können.
Wie muss man sich das denn vorstellen, wenn ein Lastwagen an die IT angebunden ist?
Jeder Lastwagen hat einen Industrie-PDA an Bord. Auf diesem werden dem Fahrer bei Arbeitsbeginn alle Aufträge angezeigt, die für ihn anstehen. In Verbindung mit dem Navi werden die einzelnen Posten für den Tag dann abgearbeitet, inklusive Rückmeldungen an die Zentrale. Diese Informationen helfen uns unter anderem dabei, unsere Qualität zu messen. Ausserdem sieht der Kunde innert Minuten, ob und wann Ware geliefert wurde. Zusätzlich erfassen wir die GPS-Daten, so dass wir immer wissen, wo unsere Fahrzeuge sind. Das ist fürs Disponieren wichtig, wenn man etwa kurzfristig einen Auftrag einschieben muss. All dies geschieht über diesen PDA. Jedoch muss auch gesagt werden, dass wir mit diesen Geräten an technische Grenzen stossen, weil immer mehr Inhalte abgebildet werden müssen.
Haben Sie bereits einen Ausweg aus dieser Problematik gefunden?
Natürlich beobachten wir den Erfolg von Tablets wie dem iPad – nicht nur der Geräte, sondern auch der Apps und ihrer Logik dahinter. Für uns eröffnen sich hier neue Denkmöglichkeiten, wie wir unsere Anforderungen abbilden könnten. Gleichzeitig können wir davon ausgehen, dass sich unsere Anwender – sprich die Fahrer – bereits privat mit der Software-Logik und dem Bedienkonzept von Tablets auseinandergesetzt haben. Konkret bedeutet das: Der Ausbildungsaufwand für die Benutzung solcher Geräte würde signifikant sinken. Denn auf den Geräten, die heute verwendet werden, ist die Mensch-Maschinen-Schnittstelle noch sehr IT-lastig und lässt jeglichen Anreiz, das Gerät gerne zu bedienen, vermissen. Entsprechend ist es logisch, dass wir die ganze Tablet-Entwicklung beobachten und in unsere Überlegungen mit einfliessen lassen.
Aber Projekte mit Tablets laufen noch nicht?
Nein, Pilotprojekte laufen heute noch keine, und es ist auch nichts konkret in Planung. Wie gesagt, wir beobachten die Entwicklung.
Haben Sie denn bereits Geräte angeschaut?
Wir haben schon Geräte angeschaut, aber nichts gefunden, das passen würde.
Weshalb nicht?
Apple hat mit dem iPad sicher ein hervorragendes Gerät. Jedoch würden wir uns wünschen, dass Apple-Geräte offener wären für die Entwicklung. Auch im Android-Bereich gibt es sehr gute Geräte, jedoch passt Android nicht unbedingt in unser IT-Konzept. Wir sind sehr Microsoft-lastig, entsprechend würde ein Windows-8-Tablet am besten passen. Doch die sind bekanntlich ja noch nicht verfügbar.
Wie sehen Ihre Anforderungen an so ein Gerät sonst noch aus?
Es müsste sicher Vibrationen aushalten können, ausserdem muss es für den Einsatz in der Fahrerkabine mit einem breiten Temperaturbereich umgehen können. Und das Gerät muss über offene Schnittstellen verfügen, denn wir müssen vermutlich eigene Software aufspielen und auf Anschlüsse wie den USB-Port zugreifen können.
Können Sie etwas zu Projekten sagen, die aktuell laufen?
Ein grosses Projekt ist die Migration unseres Intranets auf Sharepoint. Darauf wollen wir zusätzlich auch unser eigenes Qualitätsmanagement-System portieren.
Diese Einführung machen Sie auch selbst?
Nein, hier arbeiten wir mit zwei Partnern zusammen. Von unserer Seite sind ein Projektleiter und zwei Entwickler involviert. Das Projekt ist ziemlich gross, und deshalb war klar, dass wir das nicht alleine stemmen. Aber der Lead liegt auch bei diesem Projekt bei uns, und wir wollen in Zukunft in der Lage sein, Anpassungen selbst zu machen. Deshalb sind die Entwickler involviert.
Wieso haben Sie sich für Sharepoint entschieden?
Wir wollen Collaboration-Funktionen einfügen, daher ist Sharepoint naheliegend. Wie erwähnt, wir sind recht Microsoft-lastig, nutzen Active Directory und viele andere Technologien aus Redmond. Deshalb macht es Sinn, auch beim Intranet auf Microsoft zu setzen.
Wo stehen Sie Client-/Server-seitig bezüglich Betriebssystem? Ist Windows 8 schon ein Thema?
Client-seitig läuft aktuell die Migration auf Windows 7 und Office 2010, Server-seitig arbeiten wir aktuell mit Windows Server 2008. Hier müssen wir schauen, was Windows Server 2012 an Neuerungen bringt.
Worin besteht eigentlich Ihre Hauptaufgabe, beziehungsweise wie viel Zeit verbringen Sie selbst noch vor dem Rechner?
Der heutige Tag ist typisch – ich renne von Meeting zu Meeting (lacht). Mein Job ist vielschichtig. Natürlich bin ich dafür verantwortlich, dass die IT läuft – aus strategischer Sicht. Ich bin zudem tief in die Business-Prozesse involviert, bin auch Mitglied der Geschäftsleitung, und mein direkter Vorgesetzter ist der Geschäftsführer.
Wie wichtig ist das für Sie?
Für mich persönlich ist das unwichtig, aber für die Ausführung des Jobs ist es absolut matchentscheidend. In einem Betrieb, der sehr IT-lastig ist, darf der Leiter IT nicht dem Finanzchef unterstellt sein, sonst wird die IT träge und langsam. Als ich vor 15 Jahren hier begonnen habe, war ich dem Finanzchef unterstellt. Nach neun Monaten sagte ich dem Seniorchef, dass ich so meinen Job nicht machen kann und keine Lösungen herausbringe. Also wurde ich ihm unterstellt, und seit dann funktioniert es. Ich bin in jedem Projekt früh involviert, weiss, worum es geht und kann Vorarbeiten leisten. Das ist enorm wichtig, und deswegen geben wir nicht mehr Geld für die IT aus. Der Finanzchef kann ein Projekt immer noch ablehnen, es gibt auch so noch Investitions- und Budgetanträge.
(mw)