Wer hat das schnellste mobile Internet?
Quelle: SITM

Wer hat das schnellste mobile Internet?

Orange, Sunrise und Swisscom haben in den letzten Jahren viel in ihre Mobilfunknetze investiert. Auf dem Land spürt man davon nur wenig, und auch die Upload-Raten stagnieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/11

     

Das Arbeiten oder Surfen von unterwegs ist dank neuer Geräte wie Netbooks, Smartphones und Tablets in den letzten Jahren sehr interessant geworden und wird in den kommenden Monaten, auch dank der vielen angekündigten Ultrabooks, weiter stark zunehmen. Doch das beste Gerät nützt einem nichts, wenn die Verbindung ins Internet überhaupt nicht oder nur eingeschränkt vorhanden ist. «Swiss IT Magazine» hat deshalb nach 2008 zum zweiten Mal zu einem grossen Feldtest geblasen und die Netze von Orange, Sunrise und Swisscom für mobiles Breitbandinternet unter die Lupe genommen. Können sie mit der rasanten Entwicklung im Gerätebereich mithalten?

Drei Modems und drei Programme

Für unseren Test haben wir bei den Telcos die neuesten USB-HSPA-Modems bestellt. Dabei wurden wir überrascht, erhielten wir doch drei verschiedene Modelle des Herstellers Huawei. Orange setzt derzeit auf das E352, während Sunrise das E367 und Swisscom das E372 als Spitzenmodelle im Angebot haben. Die drei Modems unterscheiden sich einerseits optisch sehr stark, zum anderen sind auch ihre Leistungsunterschiede beachtlich: Das E352 von Orange bietet beispielsweise «nur» HSPA und eine maximale Datentransferrate von 14,4 Mbit/s, während das E372 von Swisscom HSPA+ mit bis zu 42 Mbit/s unterstützt. Das Modem von Sunrise ermöglicht eine maximale Download-Rate von 22 Mbit/s.


Installiert werden die drei USB-Modems alle genau gleich: SIM-Karten einsetzen und unter Windows 7 dann einfach einstecken, kurz warten und schon wird das Gerät erkannt. Anschliessend müssen nur noch die auf dem Stick mitgelieferten Treiber und eine Software für die Verbindung und die Verwaltung des Daten-abos installiert werden, was keine zwei Minuten dauert – wobei die Benutzerführung bei Orange etwas holprig und nicht so intuitiv ist wie bei der Konkurrenz.
So unterschiedlich die Modems sind, so verschieden sind auch die mitgelieferten Programme. Jeder der drei Carrier setzt auf eine eigene Lösung, die sich sowohl bezüglich Benutzeroberfläche als auch von ihrem Funktionsumfang her unterscheiden. Alle Programme verfügen über einen Volumenzähler, der einem in Echtzeit die verbrauchte Datenmenge anzeigt. Zudem liefern die Programme auch Statistiken und Auswertungen zur Nutzung des mobilen Internets. Weiter lassen sich mit der Software bei allen drei Anbietern auch SMS versenden und verschiedene Profile einrichten, womit das Nutzen verschiedener SIM-Karten unterschiedlicher Hersteller mit demselben Modem möglich ist. Wie bereits bei der Installation können Sunrise und Swisscom mit ihrer Software insgesamt mehr punkten als Orange, da der Funktionsumfang etwas grösser und die Bedienung und Darstellung besser sind. Insgesamt sind aber die Lösungen aller drei Anbieter brauchbar und liefern einem alles Notwendige für das mobile Surfen.

Unterschiedlicher Netzausbau

Wie schnell man unterwegs surft, hängt aber nicht primär vom Modem und der dazugehörigen Software ab. Massgeblich dafür verantwortlich sind natürlich die Netze der drei Carrier und deren Ausbaustandard. Und der ist sehr unterschiedlich, wie ein Blick auf die aktuelle HSPA-Technologie und ihre Maximalwerte zeigt (siehe auch Tabelle auf S. 53). Während Swisscom und Orange je 14’400 kbps (Download) bieten, kriegt man bei Sunrise aktuell nur 7200 kbps. Beim Upload gibts bei Swisscom derweil nur 1800 kbps, während es bei der Konkurrenz 5700 oder gar 5800 kbps sein sollen. Swisscom und Sunrise bieten im Gegensatz zu Orange ausserdem bereits HSPA+ an, eine Weiterentwicklung von HSPA, die deutlich höhere Maximalwerte ermöglicht. Allerdings steht HSPA+ bei Swisscom erst an wenigen Orten, an denen das mobile Breitband intensiv genutzt wird, zur Verfügung. Und bei Sunrise surft man mit 21’000 kbps Down- und 5800 kbps Upload nicht viel schneller als bei der Konkurrenz mit «normalem» HSPA.

Wenig Veränderung auf dem Land

Gespannt haben wir uns nach der Installation der drei Modems und dem Betrachten der verschiedenen, versprochenen Maximalwerte auf die Reise durch den Kanton Zürich gemacht. Wie im Herbst 2008 besuchten wir die Gemeinden Rapperswil, Dägerlen, Thalheim und Winterthur sowie den Hauptbahnhof (HB), den Flughafen und das Bellevue in Zürich. So konnten wir nicht nur feststellen, wie schnell das mobile Internet aktuell ist, sondern auch wie sich die «Real Life Performances» in den vergangenen drei Jahren entwickelt haben.
Als erstes mussten wir feststellen, dass sich in den ländlicheren Regionen des Kantons Zürich leider nichts oder nur wenig getan hat. Investiert wurde anscheinend anderswo. In den beiden Gemeinden Dägerlen und Thalheim an der Thur surft es sich heute nämlich immer noch genau so schnell, oder besser gesagt langsam, wie vor drei Jahren.


In Dägerlen gibt es immer noch keinen 3G- beziehungsweise HSPA-Empfang, dementsprechend tief geblieben oder sogar leicht zurückgegangen sind die Datendurchsätze. Am schnellsten surft es sich hier mit Sunrise und Swisscom, da die beiden Carrier zumindest EDGE-Empfang bieten. Kaum etwas verändert hat sich auch in Thalheim, wo Sunrise-Kunden weiterhin am schlechtesten fahren, da ihr Provider im Vergleich zur Konkurrenz nur EDGE bietet. Am schnellsten fährt man nach wie vor mit Swisscom. Während sich bezüglich Datendurchsatz praktisch nichts verändert hat, sind die Latenzzeiten auf dem Land, also die Laufzeiten eines Datenpakets vom Sender zum Empfänger, deutlich gesunken. Ein Trend, der praktisch an allen Teststandorten und bei allen drei Anbietern beobachtet werden konnte (siehe Tabelle auf dieser Seite). Swisscom hat bezüglich Latenz nach wie vor klar die Nase vorn. Deutlich aufgeholt hat Orange.

Starke Orange-Leistung in Winterthur

Nach den ernüchternden Ergebnissen im Zürcher Weinland ging unsere Testserie in Winterthur weiter. Und hier wurden wir nicht enttäuscht: Alle drei Anbieter haben ihre Datendurchsätze markant gesteigert. Besonders deutlich ist das Wachstum bei Orange: Die Download-Rate ist von durchschnittlich rund 500 kbps im Jahr 2008 auf über 2800 kbps gestiegen. Ebenso stark gewachsen ist der Upload, von rund 340 auf über 1800 kbps – was dem schnellsten in den Tests überhaupt gemessenen Wert entspricht. Orange liegt damit sogar vor Swisscom, das dafür mit einem Schnitt von fast 4700 kbps (2008: 1300 kbps) bezüglich Donwload die ganz klare Nummer eins ist.

Flaschenhals Upload

Von Winterthur führte uns unsere Reise weiter an den Flughafen Zürich, einen überdachten Ort mit sehr vielen Nutzern, was sich auch in unseren Messungen zeigte. Mit keinem der drei Anbieter kamen wir an die Spitzenwerte von Winterthur heran. Besonders auffällig waren die tiefen Upload-Werte bei Sunrise und Swisscom, die sogar unter denen von 2008 lagen – ein Phänomen, dass wir später auch am Hauptbahnhof in Zürich feststellen konnten. Laut Swisscom-Sprecher Olaf Schulze lassen sich die tiefen Upload-Raten allerdings erklären: Zum einen sei die Technologieentwicklung im Upload grundsätzlich nicht gleich schnell fortgeschritten wie im Downlink. Man arbeite aber mit Hochdruck daran, das zu verbessern. Ausserdem könne der Rückgang der Upload-Bandbreite an stark frequentierten Orten durchaus mit einer höheren Nutzerzahl zusammenhängen.


Was den Download betrifft, sieht es am Flughafen deutlich besser aus. Sowohl Swisscom als auch Orange konnten ihre Raten steigern und liegen aktuell im Schnitt bei rund 3500 kbps beziehungsweise 3700 kbps – Orange ist hier also die Nummer eins. Sunrise-Kunden, die 2008 noch von der grössten Download-Rate profitierten, mussten derweil einen Rückgang von 3200 auf 2500 kbps hinnehmen.

Swisscom-Spitzenwerte am HB

Am Zürcher Hauptbahnhof, unserer nächsten Station, gibt es, wie bereits angesprochen, nicht viel Erfreuliches über den Upload zu berichten. Nur Orange konnte sich hier leicht steigern, während Sunrise und Swisscom schwächelten. Im Eilzugstempo lädt man am HB dafür Daten herunter. Swisscom erzielt hier mit einem Schnitt von rund 6800 kpbs und einem gemessenen Maximalwert von 8400 kpbs die mit Abstand höchste Downloadrate überhaupt. Bei Orange und Sunrise gehts mit je rund 2500 kbps ebenfalls noch flott zur Sache.

Sunrise siegt am Bellevue

Auf unserer Reise Richtung Rapperswil, unserem letzten Messstandort, schalteten wir noch einen Zwischenstopp am Zürcher Bellevue ein. Hier geht die Krone für die schnellste Download-Bandbreite an Sunrise. Mit im Schnitt 3700 kbps liegt man deutlich vor Swiss-com (2700 kbps) und Orange (2200 kbps). Weniger schnell ist der Upload von Sunrise. Hier reicht es am Bellevue mit 330 kbps nur zum dritten Platz hinter Swisscom und Orange mit je rund 1000 kbps.


An unserer letzten Station, am Seequai in Rapperswil, wehte uns noch einmal ein gehöriger Swisscom-Wind um die Ohren. Mit knapp 8200 kbps Downstream wurde überraschend fast der Rekordwert vom Zürcher Hauptbahnhof geknackt. Insgesamt liegt die Download-Rate von Swisscom in Rapperswil bei 6400 kbps. Dahinter folgen mit gebührendem Abstand Orange (2700 kbps) und Sunrise (1300 kbps), wobei Sunrise im Vergleich zu vor drei Jahren als einziger Anbieter weniger Geschwindigkeit bietet. Sehr hohe Werte erzielte Swisscom in Rapperswil auch beim Upload. Mit knapp 1800 kbps verfehlt man nur haarscharf die Bestmarke, die von Orange in Winterthur aufgestellt wurde.

And the winner is...

Wir haben viel gemessen und viel verglichen, doch welches Internet für unterwegs ist nun schlussendlich das beste? Wer viel unterwegs ist und hohe Download-Raten benötigt, der fährt mit Swisscom nach wie vor eindeutig am besten. Beim grössten Schweizer Telco surft man bis auf wenige Ausnahmen eigentlich überall am schnellsten. Abstriche gibt es beim Upload, wobei man hier Besserung verspricht und natürlich beim Preis. Bei Swisscom zahlt man immer noch deutlich mehr für dasselbe wie bei der Konkurrenz, ob man nun einen Monats-, Tages- und Prepaid-Tarif wählt. Apropos Tarife: Hier hat sich das Flatrate-Modell durchgesetzt. Die verschiedenen maximalen Datenvolumen, die noch vor drei Jahren existierten, wurden abgeschafft.


Hinter Swisscom konnte Orange viel Boden gut machen. Der Telco liegt, was die Upload- und Download-Raten betrifft, heute an allen Orten in der Nähe oder sogar vor Sunrise, wobei die Abstände zwischen den beiden im Grossen und Ganzen nicht sehr gross sind. Das grosse Manko von Orange: EDGE wird schmerzlich vermisst. Ohne HSPA sind die Wartezeiten dadurch fast unerträglich. Preislich liegen die beiden komplett gleich auf und bieten genau die selben Tarife zu den selben Konditionen an. Bei Modem und Software hat derweil Sunrise die Nase vorn. Insgesamt geht das Duell zwischen den beiden Carriern also unentschieden aus. (mv)

Kommentare
Teile diese Beobachtungen, in unserer Gemeinde surft man bei Sunrise seit Jahren nur mit EDGE.
Mittwoch, 9. November 2011, Mirjam



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